Die Engellehre anhand der Schriften
der großen Theologen und des kirchlichen Lehramtes

Hl. Thomas von Aquin: Summa Theologiae

Hl. Thomas von Aquin: Summa Contra Gentiles

Die Gesamtheit der Theologie des Hl. Thomas besteht aus mehren Bänden. In der Wirklichkeit sind es fünf  Bände. In der Logik aber hat es der große Theologe in drei unterteilt:
1. Teil: Gottes Schöpfung und sein Wirken in der Schöpfung
2. Teil: Das menschliche Handeln: Dieser Teil ist wiederum unterteilt in 2 Unterteilen:
"1.Teil des 2.Teiles" : Das Wesen des Handelns an sich und
"2. Teil des 2 Teiles" : Die Tugenden, Urquelle des menschlichen Handelns
3. Teil: Gottes Handeln im einst menschlichen Christus und im verklärten Christus, der durch seine Sakramente wirkt. Dieser Teil ist ebenfalls unterteilt in
"3. Teil" und "Ergänzung"

 

 


Seine ganze Theologie hat der Theologe im Stil der einzelnen Fragestellung aufgebaut. Zuerst wird die Frage gestellt, dann  mit Gründen dagegen (1. 2. 3) beantwortet, darauf mit einem weiteren Grund dafür oder dagegen beantwortet (Anderseits), und schließlich mit einer Erörterung, der definiten ANTWORT, behandelt. Danach folgt noch die Entkräftung der nach der Fragestellung gegebenen negativen  Gründe (Zu 1. zu 2. zu 3. ...)

Die Engel finden sich in den  Fragen in der rechten Spalte:

1. Teil:
50. - 64. FRAGE: Die Engelwelt
50. FRAGE: Vom Wesen der Engel überhaupt
51. FRAGE: Das Verhältnis der Engel zu den Körpern
52.  FRAGE: Vom Verhältnis der Engel zum Ort
53.  FRAGE: Von der Ortsbewegung der Engel
54.  FRAGE: Von der Erkenntnis der Engel
55.  FRAGE: Von dem Erkenntnismittel der Engel
56.  FRAGE: Über die Erkenntnis der Engel im Bereich der unstofflichen Dinge
57.  FRAGE: Von der Erkenntnis der Engel hinsichtlich der stofflichen Dinge
58.  FRAGE: Von der Weise des Erkennens der Engel
59.  FRAGE: Vom Willen der Engel
60.  FRAGE: Von der Liebe oder Zuneigung der Engel
61.  FRAGE: Von der Hervorbringung der Engel zum Sein der Natur
62.  FRAGE: Von der Vollendung der Engel im Sein der Gnade und Herrlichkeit
63.  FRAGE: Von der Schlechtheit der Engel in bezug auf ihre Schuld
64.  FRAGE: Von der Strafe der bösen Geister
65. FRAGE, Artikel 3: Sind d. Körperdinge  unter Vermittlung d. Engel hervorgebracht?
65. FRAGE, Artikel  4 :Sind die Wesensformen der Körper von den Engeln?
75. FRAGE, Artikel 7: Ist die Seele von der selben Art wie der Engel?
88. FRAGE, Artikel 1: Kann die menschliche Seele d.  Stofflose durch diese selbst erkennen?
88. FRAGE, Artikel 2: Kann unser Verstand durch Stoffliches das Stofflose  erkennen?
90. FRAGE, Artikel 3: Ob die Vernunftseele unmittelbar von Gott hervorgebracht wurde
93. FRAGE, Artikel 3: Ob d. Engel vollkommener ein Ebenbild Gottes ist als d. Mensch
94. FRAGE, Artikel 2: Ob Adam im Unschuldsstande die Engel in ihrem Wesen geschaut hat
106-114 Von den Engeln in Wirkung auf die Schöpfung
106.  FRAGE: Wie ein Geschöpf das andere bewegt
107.  FRAGE: Von der Sprache der Engel
108.  FRAGE: Von den Stufen der Engel nach Rangfolgen und Chöre
109.  FRAGE: Von den Stufenordnungen der bösen Engel
110.  FRAGE: Das Walten der Engel über die körperliche Schöpfung
111.  FRAGE: Von der Einwirkung der Engel auf den Mensch
112.  FRAGE: Von der Sendung der Engel
113.  FRAGE: Vom Beschützeramt der guten Engel
114.  FRAGE: Von der Anfechtung der bösen Engel
2. Teil
Einzelaspekte der Engel in 1. Teil des 2. Teiles
3. FRAGE,  Artikel 7: Ob uns die Erkenntnis der Engel glücklich macht?
89. FRAGE,  Artikel 4: Ob ein guter oder schlechte Engel leicht sündigen kann?
98. FRAGE,  Artikel 3: Wurde das Alte Gesetz durch Engel gegeben?
Einzelaspekte der Engel in 2. Teil des 2. Teiles
5. FRAGE,  Artikel 1: Hatten Engel und Mensch in ihrer ursprünglichen Seinsweise Glauben?
5. FRAGE,  Artikel 2: Ist in den gefallenen Engeln (noch) Glaube?
25. FRAGE,  Artikel 10: Müssen wir die Engel aus der heiligen Liebe lieben?
25. FRAGE,  Artikel 11: Müssen wir die Dämonen aus heiliger Liebe lieben?
172. FRAGE,  Artikel 2: Ergeht die prophetische Offenbarung durch Engel?
3. Teil
Einzelaspekte der Engel in 3. Teil
8. FRAGE,  Artikel 4: Ist Christus als Mensch das Haupt der Engel?
11. FRAGE,  Artikel 4: War das eingegossene Wissen Christi geringer als das der Engel?
12 FRAGE,  Artikel 4: Hat Christus von den Engeln Wissen empfangen?
30. FRAGE,  Artikel 2: Musste der Maria die Botschaft durch einen Engel gebracht werden?
30. FRAGE,  Artikel 3: Musste der Engel bei der Verkündigung an Maria  sichtbar erscheinen?
36. FRAGE,  Artikel 5: Musste die Geburt Christi durch den Engel und den Stern verkündet w.?
59. FRAGE,  Artikel 5: Erstreckt sich die richterliche Gewalt Christi auf die Engel?
64. FRAGE,  Artikel 7: Können die Engel Sakramente spenden?
80. FRAGE,  Artikel 2: Kann nur der Mensch oder können auch die Engel dieses Sakrament geistig empfangen?
Einzelaspekte der Engel in  Ergänzung
16. FRAGE,  Artikel 3: Ist der Engel, der gute oder böse, für die Buße empfänglich?
76. FRAGE,  Artikel 2: Werden die Engel auf irgendeine Weise zur Auferstehung beitragen?
89. FRAGE,  Artikel 3: Müssen die Engel richten?
89. FRAGE,  Artikel 4: Vollstrecken die Dämonen ihr  Gerichtsurteil an den Verdammten?
95. FRAGE,  Artikel 4: Besitzen die Engel Brautgaben?
96. FRAGE,  Artikel 9: Gebührt den Engeln ein Siegeszeichen?
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aller Fragen: Sum. Theol.

DRITTER TEIL, ERGÄNZUNG

16. FRAGE
DIE EMPFÄNGER DES SAKRAMENTES DER BUSSE

3. ARTIIKEL

Ist auch der Engel, der gute oder böse, für die Buße empfänglich?

1. Die Furcht ist der Anfang der Buße. Nun ist in ihnen aber Furcht: ,,Die bösen Geister glauben und zittern" (,Iak 2,19). Also kann es in ihnen Buße geben.

2. ,,Die Bösen sind von Reue erfüllt" (Aristoteles), und das ist ihre größte Strafe. Nun aber sind die bösen Geister in höchstem Maße böse und es fehlt ihnen keine Strafe. Also können die bösen Geister Buße tun.

3. Etwas wird leichter zu dem bewegt, was der Natur entspricht, als zu dem, was wider die Natur ist, wie etwa das Wasser, das gewaltsam erwärmt wurde, auch von selbst zur naturhaften Beschaffenheit zurückkehrt. Nun kann sich der Engel aber zur Sünde hin wandeln; was gegen jede Engelnatur ist. Also kann er viel stärker zu dem hin zurück-gewendet werden, was der Natur entspricht. Das aber bewirkt die Buße. Also sind sie für die Buße empfänglich.

4. Nach Johannes v. Damaskus sind die Engel und die [vom Leibe] getrennten Seelen in derselben Weise zu beurteilen. Nun kann es aber in den [vom Leibe] getrennten Seelen Buße geben, wie einige sagen; so z.B. in den heiligen Seelen, die in der ewigen Heimat sind. Also kann es auch in den Engeln Buße geben.

1. ANDERSEITS wird der Mensch durch die Buße wiederhergestellt zum Leben, wenn die Sünde vergeben ist. Nun ist dies aber bei den Engeln unmöglich. Also sind sie für die Buße nicht empfänglich.

2. ANDERSEITS Johannes von Damaskus sagt: ,,Der Mensch leistet Buße wegen der Schwäche des Leibes." Nun aber haben die Engel keinen Leib. Also kann es in ihnen keine Buße geben.

ANTWORT: Die Buße in uns wird in einem zweifachen Sinne aufgefasst. *Einmal, insofern sie eine Leidenschaft ist; in diesem Sinne ist sie nämlich nichts anderes als der Schmerz oder die Trauer über das begangene Böse. Und wenn sie sich auch, insofern sie Leidenschaft ist, nur im begehrenden Strebevermögen findet, so wird doch im Sinne der Ähnlichkeit irgendein Akt des Willens Buße genannt, durch den jemand verabscheut, was er getan hat; wie es etwa von der Liebe und anderen Leidenschaften heißt, sie seien im verstandhaften Strebevermögen.

*Zum anderen wird sie aufgefasst, insofern sie eine Tugend ist. Und in diesem Sinne ist ihr Akt das mit dem Vorsatz der Wiedergutmachung und der Absicht der Entsühnung verbundene Verabscheuen des begangenen Bösen oder das Versöhnen Gottes wegen der begangenen Beleidigung. Das Verabscheuen aber kommt jemandem zu, insofern er eine naturhafte Hinordnung auf das Gute hat. Und weil eine solche Hinordnung in keinem Geschöpf gänzlich aufgehoben wird, deshalb bleibt auch in den Verdammten ein solches Verabscheuen und folglich das Erleiden der Buße oder etwas ihr Ähnliches; wie es Weish 5,3 heißt: ,,Bei sich Buße tuend." Und diese Buße kann, da sie kein Gehaben, sondern ein Erleiden oder eine Tätigkeit ist, in keiner Weise in den seligen Engeln sein, bei denen keine begangenen Sünden vorausgegangen sind. Sie findet sich aber in den bösen Engeln, da der Sachverhalt bei ihnen und den verdammten Seelen derselbe ist; denn ,,was für den Menschen der Tod, ist für die Engel der Fall" (Johannes v. Damaskus). Nun aber ist die Sünde des Engels nicht vergebbar. Und weil die Sünde, insofern sie vergebbar und sühnbar ist, der eigentümliche Gegenstand eben der Tugend ist, die Buße genannt wird, daher fehlt ihnen, da der Gegenstand ihnen nicht zukommen kann, die Möglichkeit, in den Akt überzugehen. Und deshalb kommt ihnen auch das Gehaben nicht zu. Und daher können die Engel für die Tugend der Buße nicht empfänglich sein.

Zu 1. Aus der Furcht entsteht in ihnen irgendeine Regung der Buße, aber nicht die [Buße] als Tugend.

Und ebenso ist Zu 2. zu antworten.

Zu 3. Alles, was in ihnen naturhaft ist, ist gut und zum Guten hinneigend. Das freie Wahlvermögen in ihnen ist aber in der Bosheit verstockt. Und weil die Bewegung der Tugend und des Lasters nicht der Neigung der Natur folgt, sondern vielmehr der Bewegung des freien Wahlvermögens, deshalb ist es, obwohl sie naturhaft zum Guten hinneigen, nicht notwendig, dass es in ihnen eine Bewegung der Tugend gibt oder geben kann.

Zu 4. Bei den heiligen Engeln und den heiligen Seelen ist der Sachverhalt nicht derselbe; denn in den heiligen Seelen ist die vergebbare Sünde vorausgegangen oder hat vorausgehen können, nicht aber in den Engeln. Und wenn sie auch, was den gegenwärtigen Stand [der Glückseligkeit] anbelangt, ähnlich sind, so doch nicht, was den vergangenen Stand anbelangt, den die Buße unmittelbar betrifft.

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76. FRAGE
DER GRUND DER AUFERSTEHUNG

3. ARTIKEL

Werden die Engel auf irgendeine Weise zur Auferstehung beitragen?

1. Die vor allen Augen sichtbare Auferstehung der Toten beweist offensichtlich größere Kraft als die Erzeugung der Menschen. Wenn aber Menschen erzeugt werden, wird die Seele dem Leibe nicht durch Vermittlung von Engeln eingegossen. Also wird auch die Auferstehung, welche die erneut erfolgende Verbindung von Seele und Leib ist, nicht durch den Dienst der Engel erfolgen.

2. Wenn dieser Dienst Sache einiger Engel wäre, müsste er am ehesten Sache der ,Kräfte‘ sein, deren Aufgabe es ist, Wunder zu wirken. Doch wird er nicht diesen, sondern den Erzengeln zugeschrieben (Lombardus). Also wird sie nicht durch den Dienst der Engel erfolgen.

ANDERSEITS heißt es 1 Thess 4,15: ,,Der Herr wird vom Himmel herabsteigen bei der Stimme des Erzengels, und die Toten werden auferstehen." Also wird die Auferstehung der ,Toten durch den Dienst der Engel vollendet werden.

ANTWORT: Augustinus sagt: ,,Wie gröbere und niedrigere Körper durch feinere und mächtigere in einer gewissen Ordnung gelenkt werden, so werden alle Körper von Gott gelenkt durch den vernunftbegabten Geist des Lebens." Und das berührt auch Gregor. Darum bedient Sich Gott bei allem, was auf körperlichem Gebiet von Ihm bewirkt wird des Dienstes der Engel. Nun aber gibt es bei der Auferstehung etwas, was zur Umwandlung der Leiber gehört, nämlich die Sammlung der Ascheteilchen und deren Vorbereitung zur Wiederherstellung des menschlichen Leibes. Daher wird Gott Sich, was dies anbetrifft, in der Auferstehung des Dienstes der Engel bedienen. Die Seele aber wird, so wie sie unmittelbar von Gott erschaffen wurde, auch dem Leibe unmittelbar von Gott geeint werden, ohne irgendeine Tätigkeit der Engel. Ebenso wird Er auch Selbst ohne den Dienst der Engel die Herrlichkeit des Leibes bewirken, wie Er auch die Seele unmittelbar, verherrlicht. — Jener Dienst der Engel wird, einer Auslegung zufolge (Lombardus), ,,Stimme" genannt.

Zu 1. ergibt sich die Lösung aus dem Gesagten (Antw.).

Zu 2. Jener Dienst wird hauptsächlich Sache eines Erzengels sein, nämlich des Michael, welcher der Fürst der Kirche ist, wie er auch der Fürst der Synagoge war (Dtn 10,21; 12,1). Er handelt jedoch unter dem Einfluss der ,Kräfte‘ und der anderen höheren Chöre [vgl. I 112,2 Zu 2.; 113, 3 Zu 3.]. Darum werden, was er selbst tut, auch irgendwie die höheren Chöre tun. Ebenso werden die niederen Engel mit ihm zur Auferstehung der einzelnen Menschen zusammenwirken, zu deren Bewachung sie bestimmt waren, und so kann jene Stimme sowohl ,,einem" als auch ,,mehreren Engeln" zugeschrieben werden.

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89. FRAGE
DIE RICHTER UND DIE GERICHTETEN BEIM ALLGEMEINEN GERICHT

3. ARTIKEL

Müssen die Engel richten?

1. In Mt 25,31 [heißt es]: ,,Wenn der Menschensohn in Seiner Herrlichkeit kommen wird und alle Engel mit Ihm..." Er spricht aber von der Ankunft zum Gericht. Also scheint es, dass auch Engel richten werden.

2. Die Ordnungen der Engel erhalten ihre Namen von dem Amt, das sie ausüben. Eine Ordnung der Engel aber ist die der Throne, was zur richterlichen Gewalt zu gehören scheint. ,Thron‘ ist nämlich der Sitz des Richters, der ,Herrschersitz‘ des Königs und der ,Lehrstuhl‘ des Lehrers. Also werden einige Engel richten.

3. Den Heiligen wird versprochen, dass sie nach diesem Leben den Engeln gleich sein werden (Mt 22,30; vgl. Mk 12,25; Lk 20,36). Wenn also Menschen diese Gewalt [zu richten] haben werden, dann erst recht auch Engel.

1. ANDERSEITS [heißt es] in Jo 5,27: ,,Er gab Ihm Gewalt, Gericht zu halten, weil Er der Menschensohn ist." Die Engel aber haben nicht teil an der menschlichen Natur. Also auch nicht an der richterlichen Gewalt.

2. ANDERSEITS Ein und derselbe kann nicht richten und Diener des Richters sein. Nun aber werden die Engel in jenem Gericht als Diener auftreten, wie es in Mt 13,41 heißt: ,,Der Menschensohn wird Seine Engel aussenden, und sie werden aus Seinem Reich alle Ärgernisse zusammentragen." Also werden die Engel nicht richten.

ANTWORT: Die Beisitzer des Richters müssen dem Richter gleichförmig sein. Das Gericht aber wird dem Sohn zugeschrieben, weil Er allen in Seiner menschlichen Natur erscheinen wird, den Guten wie den Bösen, obwohl die ganze Dreifaltigkeit in Vollmacht richtet. Deshalb müssen auch die Beisitzer des Richters die menschliche Natur haben, in der sie von allen, den Guten und Bösen, gesehen werden können. Und so kommt das Richten den Engeln nicht zu. — Dennoch kann man das Richten auch irgendwie von den Engeln aussagen, nämlich insofern sie den Urteilsspruch gutheißen.

Zu 1. Wie aus der Glosse zu dieser Stelle hervorgeht, werden die Engel mit Christus nicht als Richter kommen, sondern ,,damit diejenigen als Zeugen der menschlichen Taten auftreten, unter deren Obhut die Menschen gut oder böse gehandelt haben".

Zu 2. Der Name ,Throne‘ wird den Engeln auf Grund jenes Gerichts zugeteilt, das Gott immer ausübt, indem Er alles in höchster Gerechtigkeit lenkt, wobei die Engel gewissermaßen die Vollstrecker und Verkünder dieses Gerichtes sind. Aber das Gericht, das der Mensch Christus über die Menschen abhält, erfordert auch Menschen als Beisitzer.

Zu 3. Den Menschen wird Gleichheit mit den Engeln versprochen in Hinblick auf den wesentlichen Lohn. Nichts hindert jedoch, dass ein außerwesentlicher Lohn, der den Engeln nicht gegeben wird, Menschen gegeben werde, wie es bei den Siegeszeichen der Jungfrauen oder Märtyrer offensichtlich ist. Und dasselbe kann man von der richterlichen Gewalt sagen.

4. ARTIKEL

Werden nach dem Tage des Gerichtes die Dämonen den Urteilsspruch des Richters an den Verdammten vollstrecken?

1. Nach dem Apostel (1 Kor 15,24) ,,wird Er" dann ,,jede Herrschaft, Macht und Gewalt vernichten". Also ,,wird jeder Vorrang fallen". Den Urteilsspruch des Richters vollstrecken aber bedeutet einen gewissen Vorrang. Also werden die Dämonen nach dem Tage des Gerichtes nicht den Urteilsspruch des Richters vollstrecken.

2. Die Dämonen sündigten mehr als die Menschen. Also ist es nicht recht, dass Menschen durch Dämonen gepeinigt werden.

3. Wie die Dämonen den Menschen Böses eingeben, so geben die Engel Gutes ein. Aber es wird nicht Aufgabe der Engel sein, die Guten zu belohnen; das wird vielmehr unmittelbar von Gott Selbst geschehen. Also wird es auch nicht Aufgabe der Dämonen sein, die Bösen zu bestrafen.

ANDERSEITS haben sich die Sünder durch das Sündigen dem Teufel unterworfen. Also ist es recht, dass sie ihm auch in der Strafe unterworfen und gleichsam von ihm zu bestrafen sind [vgl. 2 Pt 2,19].

ANTWORT: Zu dieser Frage führt der Sentenzenmeister im Text eine zweifache Meinung an, und jede von ihnen scheint der göttlichen Gerechtigkeit zu entsprechen. Deshalb nämlich, weil der Mensch sündigt, wird er gerechterweise dem Teufel unterworfen, der Teufel aber herrscht ungerechterweise über ihn. Die Meinung also, die Dämonen würden künftig nach dem Tage des Gerichtes den Menschen in der Strafe nicht übergeordnet sein, berücksichtigt die Ordnung der göttlichen Gerechtigkeit für die strafenden Dämonen; die gegenteilige Meinung aber beachtet die Ordnung der göttlichen Gerechtigkeit für die bestraften Menschen.

Welche aber von diesen [beiden Meinungen] wahrer ist, können wir nicht mit Gewissheit sagen. Jedoch halte ich es für wahrer, dass, wie bei den Geretteten die Ordnung gewahrt wird, dass nämlich einige von anderen erleuchtet und vervollkommnet werden [vgl. I 108, 7 Zu 2.], weil die Ordnungen der himmlischen Hierarchie von ewiger Dauer sind, so auch im Hinblick auf die Strafen die Ordnung gewahrt wird, dass nämlich Menschen durch Dämonen gestraft werden, damit die göttliche Ordnung, durch die Er die Engel als Mittelwesen zwischen die menschliche und göttliche Natur stellte, nicht gänzlich aufgehoben werde. Und wie den Menschen durch Engel göttliche Erleuchtungen zuteil werden [ebd. Zu 3], so sind auch die Dämonen die Vollstrecker der göttlichen Gerechtigkeit an den Bösen. Auch wird deshalb nicht etwa die Strafe der Dämonen gemindert; denn auch dadurch, dass sie andere peinigen, werden sie selbst gepeinigt. Dort [in der Hölle] wird nämlich die Gesellschaft der Elenden das Elend nicht mindern, sondern vergrößern.

Zu 1. Jener Vorrang, von dem es heißt, Christus werde ihn einst aufheben, ist im Sinne des Vorranges zu verstehen, der dem Stand dieser Welt entspricht, in der Menschen über Menschen, Engel über Menschen, Engel über Engel, Dämonen über Dämonen und Dämonen über Menschen herrschen, und das alles, um zum Ziele hin- oder vom Ziele abzuführen. Einst aber, wenn alles zu seinem Ziele gelangt ist, wird es keinen Vorrang mehr geben, der zum Ziele hin- oder vom Ziele abführt, sondern nur noch einen, der beim guten oder schlechten Ziele festhält.

Zu 2. Obwohl nicht das Verdienst der Dämonen es erfordert, dass sie Menschen übergeordnet werden, da sie sich die Menschen ungerechterweise unterworfen haben, so erfordert es doch das Rangverhältnis ihrer Natur gegenüber der menschlichen Natur; denn die Vorzüge ihrer Natur bleiben ,,unversehrt" in ihnen (Dionysius).

Zu 3. Die guten Engel sind für die Erwählten nicht die Ursache des wesentlichen Lohnes, weil alle ihn unmittelbar von Gott erhalten. Dennoch sind die Engel für die Menschen Ursache gewisser außerwesentlicher Belohnungen, insofern durch die höheren Engel die Niederen — sowohl Engel als auch Menschen — über einige Geheimnisse Gottes erleuchtet werden, die nicht zum Wesen der Seligkeit gehören. Und desgleichen erhalten die Verdammten die wesentliche Strafe — nämlich den immerwährenden Ausschluss von der Gottesschau — unmittelbar von Gott; es ist jedoch nicht unangebracht, dass den Menschen andere, die Sinne betreffende Strafen von den Dämonen zugefügt werden.

Dabei besteht jedoch der Unterschied, dass das Verdienst erhöht, die Sünde aber niederdrückt Da die Engelnatur höher steht als die menschliche, werden manche [Menschen] durch ihr hervorragendes Verdienst so hoch erhöht werden, dass eine solche Erhöhung die Erhabenheit der Natur und des Verdienstes gewisser Engel übersteigt. Und so kommt es, dass gewisse Engel von gewissen Menschen erleuchtet werden. Aber keine menschlichen Sünder werden — wegen irgendeines Grades von Bosheit — zu jener Höhe gelangen, die der Natur der Dämonen zukommt.

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95. FRAGE
DIE GESCHENKE DER GESEGNETEN

4. ARTIKEL

Besitzen die Engel Brautgaben?

1. Zu HL 6,8 ,Eine nur ist meine Taube‘, sagt die Glosse: ,,Eine ist die Kirche bei Menschen und Engeln." Die Kirche aber ist Braut, und so kommt es den Gliedern der Kirche zu, Brautgaben zu besitzen. Also besitzen die Engel Brautgaben.

2. Zu Lk 12,36 ,Ihr sollt Menschen gleichen, die ihren Herrn erwarten, wenn er von der Hochzeit heimkehrt‘ sagt die Glosse: ,,Zur Hochzeit ging der Herr, als Er nach der Auferstehung als der neue Mensch die Schar der Engel Sich vermählte." Also ist die Schar der Engel die Braut Christi. Und so gebühren den Engeln Brautgaben.

3. Die geistige Ehe besteht in einer geistigen Vereinigung. Doch die geistige Vereinigung zwischen den Engeln und Gott steht der zwischen den seligen Menschen und Gott nicht nach. Also scheint es, da die Brautgaben, von denen hier die Rede ist, auf Grund der geistigen Ehe zugeschrieben werden, dass den Engeln Brautgaben zukommen.

4. Die geistige Ehe fordert einen geistigen Bräutigam und eine geistige Braut. Die Engel aber sind Christus, insofern Er der höchste Geist ist, in der Natur gleichförmiger als die Menschen. Also kann eher eine geistige Ehe der Engel mit Christus bestehen als eine solche der Menschen [mit Ihm].

5. Zwischen Haupt und Gliedern ist eine größere Übereinstimmung erforderlich als zwischen Bräutigam und Braut. Die Gleichförmigkeit aber, die zwischen Christus und den Engeln besteht, ist groß genug, um Christus ,Haupt der Engel‘ zu nennen [vgl. III 8, 4]. Also genügt sie aus demselben Grunde dafür, dass Er im Hinblick auf sie ,Bräutigam‘ genannt wird.

1. ANDERSEITS unterscheidet Origenes vier Personen, nämlich ,,den Bräutigam und die Braut, die [Braut-]Jungfrauen" und ,,die Gefährten des Bräutigams". Und er sagt, die Engel seien ,,die Gefährten des Bräutigams". Da nun die Brautgaben nur der Braut gebühren, scheinen den Engeln keine Brautgaben zuzukommen.

2. ANDERSEITS Christus vermählte Sich die Kirche durch Seine Menschwerdung und Sein Leiden [vgl. Eph 5,23], was durch Ex 4,25: ,,Ein Blutbräutigam bist du mir" versinnbildet wird. Christus ward aber durch Sein Leiden und Seine Menschwerdung den Engeln nicht anders verbunden, als Er es vorher war. Also gehören die Engel nicht zur Kirche, insofern die Kirche Braut genannt wird. Also kommen den Engeln keine Brautgaben zu.

ANTWORT: Es besteht kein Zweifel darüber, dass das, was die Brautgaben der Seele ausmacht, den Engeln wie auch den Menschen zukommt. Als Brautgaben aber kommen sie ihnen nicht so wie den Menschen zu, weil den Engeln das Brautsein nicht so eigentlich zukommt wie den Menschen. Bräutigam und Braut müssen nämlich in der Natur gleichförmig, d. h. von derselben Art sein. Auf diese Weise aber stimmen die Menschen mit Christus überein, insofern Er die menschliche Natur angenommen hat und durch diese Annahme allen Menschen in der menschlichen Artnatur gleichförmig wurde. Den Engeln aber ist Er nicht artgleich, weder in der göttlichen Natur noch in der menschlichen Natur. Und deshalb kommt die Bewandtnis der Brautgabe den Engeln nicht so eigentlich zu wie den Menschen.

Dennoch kann in bezug auf das, was im übertragenen Sinne ausgesagt wird — weil da keine Ähnlichkeit in bezug auf alles erforderlich ist —, aus irgendeiner Unähnlichkeit noch nicht geschlossen werden, dass etwas im übertragenen Sinne von einem andern nicht ausgesagt werden dürfe. Und so kann man aus dem genannten Grunde nicht ohne weiteres schließen, dass den Engeln keine Brautgaben zukämen, sondern nur, dass sie ihnen auf Grund der genannten Unähnlichkeit nicht so eigentlich zukommen wie den Menschen.

Zu 1.  Obwohl die Engel zur Einheit der Kirche gehören, sind sie doch nicht Glieder der Kirche, insofern die Kirche auf Grund der Naturgleichheit ,Braut‘ genannt wird. Und so kommt es ihnen nicht im eigentlichen Sinne zu, Brautgaben zu besitzen.

Zu 2. Vermählung‘ wird hier im weiteren Sinn als Einung ohne Gleichförmigkeit der Artnatur verstanden. Und so hindert auch nichts, den Engeln Brautgaben im weiteren Sinne zuzuschreiben.

Zu 3. Obwohl in der geistigen Ehe nur eine geistige Vereinigung vorhanden ist, müssen doch diejenigen, die vereinigt werden, in der Artnatur übereinstimmen, um den Vollsinn von ,Ehe‘ zu erfüllen. Und deshalb gibt es für die Engel keine Vermählung im eigentlichen Sinne.

Zu. 4. Jene Gleichförmigkeit, in der die Engel Christus als Gott gleichförmig sind, ist nicht so beschaffen, dass sie zum Vollsinn der Ehe genügte, da sie [jene Gleichförmigkeit] nicht auf Grund einer Übereinstimmung in der Art besteht, sondern vielmehr noch ein unendlicher Abstand bleibt.

Zu 5. Christus wird auch nicht im eigentlichen Sinne ,Haupt der Engel‘ genannt, d.h. nicht in dem Sinne, in dem das Haupt die Gleichförmigkeit der Natur verlangt.

Dennoch muss man wissen: Wenn das Haupt und die anderen Glieder auch Teile eines in der Art einheitlichen Einzelwesens sind, so ist doch ein jedes für sich betrachtet nicht von derselben Art wie das andere; die Hand hat nämlich als Teil eine andere Art als das Haupt. ,Wenn man also von den Gliedern für sich genommen spricht, ist unter ihnen keine andere Übereinstimmung erforderlich als die des Verhältnisses, dass eines vom anderen empfängt und eines dem anderen dient. Und so genügt die Übereinstimmung, die zwischen Gott und den Engeln besteht, eher für die Bewandtnis des Hauptes als für die Bewandtnis des Bräutigams.

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96. FRAGE
DIE HEILIGENSCHEINE

9. ARTIKEL

Gebührt den Engeln ein Siegeszeichen?

1. Hieronymus sagt über die Jungfräulichkeit: ,,Im Fleisch außer dem Fleisch leben ist eher das Leben eines Engels als das eines Menschen." Und zu 1 Kor 7,26 sagt die Glosse: ,,Die Jungfräulichkeit ist Anteil am Leben der Engel." Da nun der Jungfräulichkeit ein Siegeszeichen entspricht, scheint es den Engeln zu gebühren.

2. Die Unversehrtheit des Geistes ist edler als die Unversehrtheit des Fleisches. In den Engeln aber findet sich die Unversehrtheit des Geistes, weil sie niemals gesündigt haben. Also gebührt ihnen eher ein Siegeszeichen als den fleischlich unversehrten Menschen, die im übrigen zuweilen gesündigt haben.

3. Der Lehre gebührt ein Siegeszeichen. Die Engel aber lehren uns, indem sie [uns] ,,reinigen, erleuchten" und ,,vervollkommnen" (Dionysius). Also gebührt ihnen wenigstens das Siegeszeichen der Lehrer.

1. ANDERSEITS heißt es in 2 Tim 2,5: ,,Nur wer in rechter Weise kämpft, erhält die Krone." Bei den Engeln aber gibt es keinen Kampf. Also gebührt ihnen kein Siegeszeichen.

2. ANDERSEITS Das Siegeszeichen gebührt keiner Handlung, die nicht mit dem Leibe vollbracht wird; daher gebührt das Siegeszeichen nicht denen, die die Jungfräulichkeit, das Martyrium und die Lehre lieben, diese aber nicht in der äußeren Verwirklichung an sich tragen. Die Engel aber haben keinen Leib. Also haben sie auch kein Siegeszeichen.

ANTWORT: Den Engeln gebührt kein Siegeszeichen. Grund dafür ist, dass das Siegeszeichen einer gewissen Vollkommenheit bei einem hervorragenden Verdienst entspricht. Was aber bei den Menschen zur Vollkommenheit des Verdienstes gehört, ist den Engeln naturgemäß; oder es gehört allgemein zu ihrem Stande; oder auch zum Lohne selbst. Also haben die Engel aus dem Grunde, aus dem den Menschen ein Siegeszeichen gebührt, keine Siegeszeichen.

Zu 1. Die Jungfräulichkeit wird ,das Leben eines Engels‘ genannt, insofern die Jungfrauen durch die Gnade nachahmen, was die Engel von Natur haben. Bei den Engeln gehört es nicht zur Tugend, dass sie sich völlig der Fleischeslust enthalten, da es eine derartige Fleischeslust bei ihnen nicht geben kann.

Zu 2. Die dauernde Unversehrtheit des Geistes verdient in den Engeln den wesentlichen Lohn. Sie ist nämlich heilsnotwendig, da bei ihnen keine Wiedergutmachung nach dem Fall erfolgen kann [vgl. I 64, 2].

Zu 3. Jene Handlungen, durch die die Engel uns lehren, gehören zu ihrer Herrlichkeit und allgemein zu ihrem Stand. Also verdienen sie durch derartige Handlungen kein Siegeszeichen.

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