Die Engellehre anhand der Schriften
der großen Theologen und des kirchlichen Lehramtes

Hl. Thomas von Aquin: Summa Theologiae

Hl. Thomas von Aquin: Summa Contra Gentiles

Die Gesamtheit der Theologie des Hl. Thomas besteht aus mehren Bänden. In der Wirklichkeit sind es fünf  Bände. In der Logik aber hat es der große Theologe in drei unterteilt:
1. Teil: Gottes Schöpfung und sein Wirken in der Schöpfung
2. Teil: Das menschliche Handeln: Dieser Teil ist wiederum unterteilt in 2 Unterteilen:
"1.Teil des 2.Teiles" : Das Wesen des Handelns an sich und
"2. Teil des 2 Teiles" : Die Tugenden, Urquelle des menschlichen Handelns
3. Teil: Gottes Handeln im einst menschlichen Christus und im verklärten Christus, der durch seine Sakramente wirkt. Dieser Teil ist ebenfalls unterteilt in
"3. Teil" und "Ergänzung"

 

 


Seine ganze Theologie hat der Theologe im Stil der einzelnen Fragestellung aufgebaut. Zuerst wird die Frage gestellt, dann  mit Gründen dagegen (1. 2. 3) beantwortet, darauf mit einem weiteren Grund dafür oder dagegen beantwortet (Anderseits), und schließlich mit einer Erörterung, der definiten ANTWORT, behandelt. Danach folgt noch die Entkräftung der nach der Fragestellung gegebenen negativen  Gründe (Zu 1. zu 2. zu 3. ...)

Die Engel finden sich in den  Fragen in der rechten Spalte:

1. Teil:
50. - 64. FRAGE: Die Engelwelt
50. FRAGE: Vom Wesen der Engel überhaupt
51. FRAGE: Das Verhältnis der Engel zu den Körpern
52.  FRAGE: Vom Verhältnis der Engel zum Ort
53.  FRAGE: Von der Ortsbewegung der Engel
54.  FRAGE: Von der Erkenntnis der Engel
55.  FRAGE: Von dem Erkenntnismittel der Engel
56.  FRAGE: Über die Erkenntnis der Engel im Bereich der unstofflichen Dinge
57.  FRAGE: Von der Erkenntnis der Engel hinsichtlich der stofflichen Dinge
58.  FRAGE: Von der Weise des Erkennens der Engel
59.  FRAGE: Vom Willen der Engel
60.  FRAGE: Von der Liebe oder Zuneigung der Engel
61.  FRAGE: Von der Hervorbringung der Engel zum Sein der Natur
62.  FRAGE: Von der Vollendung der Engel im Sein der Gnade und Herrlichkeit
63.  FRAGE: Von der Schlechtheit der Engel in bezug auf ihre Schuld
64.  FRAGE: Von der Strafe der bösen Geister
65. FRAGE, Artikel 3: Sind d. Körperdinge  unter Vermittlung d. Engel hervorgebracht?
65. FRAGE, Artikel  4 :Sind die Wesensformen der Körper von den Engeln?
75. FRAGE, Artikel 7: Ist die Seele von der selben Art wie der Engel?
88. FRAGE, Artikel 1: Kann die menschliche Seele d.  Stofflose durch diese selbst erkennen?
88. FRAGE, Artikel 2: Kann unser Verstand durch Stoffliches das Stofflose  erkennen?
90. FRAGE, Artikel 3: Ob die Vernunftseele unmittelbar von Gott hervorgebracht wurde
93. FRAGE, Artikel 3: Ob d. Engel vollkommener ein Ebenbild Gottes ist als d. Mensch
94. FRAGE, Artikel 2: Ob Adam im Unschuldsstande die Engel in ihrem Wesen geschaut hat
106-114 Von den Engeln in Wirkung auf die Schöpfung
106.  FRAGE: Wie ein Geschöpf das andere bewegt
107.  FRAGE: Von der Sprache der Engel
108.  FRAGE: Von den Stufen der Engel nach Rangfolgen und Chöre
109.  FRAGE: Von den Stufenordnungen der bösen Engel
110.  FRAGE: Das Walten der Engel über die körperliche Schöpfung
111.  FRAGE: Von der Einwirkung der Engel auf den Mensch
112.  FRAGE: Von der Sendung der Engel
113.  FRAGE: Vom Beschützeramt der guten Engel
114.  FRAGE: Von der Anfechtung der bösen Engel
2. Teil
Einzelaspekte der Engel in 1. Teil des 2. Teiles
3. FRAGE,  Artikel 7: Ob uns die Erkenntnis der Engel glücklich macht?
89. FRAGE,  Artikel 4: Ob ein guter oder schlechte Engel leicht sündigen kann?
98. FRAGE,  Artikel 3: Wurde das Alte Gesetz durch Engel gegeben?
Einzelaspekte der Engel in 2. Teil des 2. Teiles
5. FRAGE,  Artikel 1: Hatten Engel und Mensch in ihrer ursprünglichen Seinsweise Glauben?
5. FRAGE,  Artikel 2: Ist in den gefallenen Engeln (noch) Glaube?
25. FRAGE,  Artikel 10: Müssen wir die Engel aus der heiligen Liebe lieben?
25. FRAGE,  Artikel 11: Müssen wir die Dämonen aus heiliger Liebe lieben?
172. FRAGE,  Artikel 2: Ergeht die prophetische Offenbarung durch Engel?
3. Teil
Einzelaspekte der Engel in 3. Teil
8. FRAGE,  Artikel 4: Ist Christus als Mensch das Haupt der Engel?
11. FRAGE,  Artikel 4: War das eingegossene Wissen Christi geringer als das der Engel?
12 FRAGE,  Artikel 4: Hat Christus von den Engeln Wissen empfangen?
30. FRAGE,  Artikel 2: Musste der Maria die Botschaft durch einen Engel gebracht werden?
30. FRAGE,  Artikel 3: Musste der Engel bei der Verkündigung an Maria  sichtbar erscheinen?
36. FRAGE,  Artikel 5: Musste die Geburt Christi durch den Engel und den Stern verkündet w.?
59. FRAGE,  Artikel 5: Erstreckt sich die richterliche Gewalt Christi auf die Engel?
64. FRAGE,  Artikel 7: Können die Engel Sakramente spenden?
80. FRAGE,  Artikel 2: Kann nur der Mensch oder können auch die Engel dieses Sakrament geistig empfangen?
Einzelaspekte der Engel in  Ergänzung
16. FRAGE,  Artikel 3: Ist der Engel, der gute oder böse, für die Buße empfänglich?
76. FRAGE,  Artikel 2: Werden die Engel auf irgendeine Weise zur Auferstehung beitragen?
89. FRAGE,  Artikel 3: Müssen die Engel richten?
89. FRAGE,  Artikel 4: Vollstrecken die Dämonen ihr  Gerichtsurteil an den Verdammten?
95. FRAGE,  Artikel 4: Besitzen die Engel Brautgaben?
96. FRAGE,  Artikel 9: Gebührt den Engeln ein Siegeszeichen?
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aller Fragen: Sum. Theol.

ERSTER TEIL

50. FRAGE

VON DEM WESEN DER ENGEL ÜBERHAUPT

Hierauf ist die Unterscheidung der körperlichen und geistigen Schöpfung zu betrachten. Und zwar zuerst die rein geistige Schöpfung, welche in der Hl. Schrift Engel genannt wird; zweitens die rein körperliche Schöpfung; drittens die aus Körperlichem und Geistigem zusammengesetzte Schöpfung, welche der Mensch ist.

Was die Engel betrifft, ist zuerst das zu betrachten, was zu ihrem Wesen gehört; zweitens das, was zu ihrem Verstand gehört; drittens das, was zu ihrem Willen gehört; viertens das, was zu ihrer Erschaffung gehört. Ihr Wesen hinwieder ist sowohl an sich zu betrachten, wie auch im Vergleich zu den Körperdingen. Was ihr Wesen überhaupt angeht,

ergeben sich fünf Einzelfragen:
1. Gibt es eine gänzlich geistige, durch und durch unkörperliche Schöpfung?
2. Vorausgesetzt, dass der Engel so sei, bleibt die Frage: Ist der Engel aus Stoff und Form zusammengesetzt?
3. Über ihre Zahl.
4. Über ihren Unterschied untereinander.
5. Über ihre Unsterblichkeit oder Unvergänglichkeit.

1. ARTIKEL
Ist der Engel gänzlich unkörperlich?

1. Was unkörperlich ist nur im Vergleich zu uns und nicht im Vergleich zu Gott, ist nicht unkörperlich schlechthin. Johannes von Damaskus aber sagt, dass ,,der Engel unkörperlich und unstofflich heißt im Vergleich zu uns, aber mit Gott verglichen körperlich und stofflich erfunden wird". Also ist er nicht schlechthin unkörperlich.

2. Nur der Körper wird bewegt (Aristoteles). Johannes von Damaskus aber sagt, dass ,,der Engel ein immer bewegliches geistiges Selbstandwesen ist". Also ist der Engel ein körperliches Selbstandwesen.

3. Ambrosius sagt: ,,Jedes Geschöpf ist durch die festen Grenzen seiner Natur umschrieben." Umschrieben sein aber ist eine Eigentümlichkeit der Körper. Also ist jedes Geschöpf körperlich. Die Engel nun sind Gottes Geschöpfe, wie aus Ps 148, 2 hervorgeht: ,,Lobet den Herrn alle Seine Engel." Und nachher (V. 5) wird hinzugefügt: ,,Denn Er hat gesprochen und sie sind geworden, Er hat befohlen und sie wurden geschaffen." Also sind die Engel körperlich.

ANDERSEITS heißt es im Ps 104 (103), 4: ,,Er macht Seine Geister zu Engeln."

ANTWORT: Man muss notwendig irgendwelche unkörperlichen Geschöpfe annehmen. Denn das, was Gott hauptsächlich in den geschaffenen Dingen bezweckt, ist das Gut, das in der Anähnlichung an Gott besteht. Eine vollkommene Anähnlichung der Wirkung an die Ursache aber ist dann gegeben, wenn die Wirkung der Ursache ähnlich ist in dem, wodurch die Ursache die Wirkung hervorbringt, wie das Warme Warmes erzeugt Gott aber bringt das Geschöpf durch Verstand und Willen hervor. Darum ist zur Vollkommenheit des Alls erfordert, dass es irgendwelche verstandhafte Geschöpfe gibt. Verstehen aber kann nicht eine Vollkommenheit des Körpers sein noch irgendeiner körperlichen Kraft, weil jeder Körper fest begrenzt ist auf das Hier und Jetzt. Darum muss man, wenn das All vollkommen sein soll, notwendig annehmen, dass irgendwelche unkörperlichen Geschöpfe da sind.

Die Alten aber, welche die Kraft des Erkennens verkannten und zwischen Sinn und Verstand nicht unterschieden, meinten, es sei nichts in der Welt als das, was durch die Sinne und die Einbildungskraft erfasst werden kann. Und weil nur der Körper unter die Einbildungskraft fällt, meinten sie, es gäbe kein Seiendes außer dem Körper (Aristoteles). Und daraus ging der Irrtum der Sadduzäer hervor, welche behaupteten, es gäbe keinen Geist — Doch schon allein die Tatsache, dass der Verstand höher ist als der Sinn, zeigt vernunftgemäß, dass es irgendwelche unkörperlichen Wesen gibt, die allein vom Verstand erfassbar sind.

Zu 1. Die unkörperlichen Wesen sind die Mitte zwischen Gott und den körperlichen Geschöpfen. Die Mitte aber scheint im Vergleich zu dem einen Ende das andere zu sein, wie das Laue mit dem Warmen verglichen kühl scheint. Und aus diesem Grunde heißt es, die Engel sind mit Gott verglichen stofflich und körperlich, nicht als ob in ihnen etwas körperlicher Natur wäre.

Zu 2. Dort [im Untersatz] wird Bewegung in dem Sinne genommen, wie Verstehen und Wollen eine Art Bewegung genannt werden. Darum heißt der Engel ein immer bewegliches Selbstandwesen, weil er immerfort wirklich versteht und nicht bisweilen wirklich und bisweilen in Anlage wie wir. Daraus erhellt, dass die Beweisführung aus einer Mehrdeutigkeit hervorgeht.

Zu 3. Durch räumliche Grenzen umschrieben sein ist eine Eigentümlichkeit der Körper; aber durch Wesensgrenzen umschrieben sein ist jedem Geschöpf gemeinsam, dem körperlichen wie geistigen. Darum sagt Ambrosius, ,,dass, wenn auch manches nicht im körperlichen Raum enthalten ist, es doch der Wesensbegrenzung nicht entbehrt".

2. ARTIKEL
Ist der Engel aus Stoff und Form zusammengesetzt?

1. Alles, was in irgendeiner Gattung enthalten ist, ist aus der Gattung und dem Artunterschied zusammengesetzt, welcher zur Gattung hinzukommt und die Art begründet. Die Gattung nun wird aus dein Stoff genommen, der artbildende Unterschied aber aus der Form (Aristoteles). Also ist alles, was in der Gattung ist, aus Stoff und Form zusammengesetzt. Nun steht der Engel n der Gattung des Selbstandes. Also ist er zusammengesetzt aus Stoff und Form.

2. Worin immer die Eigenschaften des Stoffes gefunden werden, dort wird auch der Stoff gefunden. Eigenschaften des Stoffes sind aber: empfangen und Träger sein; darum sagt Boethius: ,,Die einfache Form kann nicht Träger sein." Das aber ist beim Engel der Fall. Also ist der Engel zusammengesetzt aus Stoff und Form.

3. Die Form ist Wirklichkeit. Was also nur Form ist, ist reine Wirklichkeit. Der Engel aber ist keine reine Form, denn das kommt nur Gott allein zu. Also ist er nicht nur Form, sondern hat eine Form im Stoff.

4. Die Forum wird eigentlich eingeschränkt und begrenzt durch den Stoff. Die Form also, die nicht im Stoff ist, ist eine unbegrenzte Form. Die Form des Engels aber ist nicht unbegrenzt, weil jedes Geschöpf begrenzt ist. Also ist die Form des Engels im Stoff.

ANDERSEITS sagt Dionysius, dass ,,die ersten Geschöpfe wie als unkörperliche, so auch als unstoffliche verstanden werden".

ANTWORT: Einige nehmen an, die Engel seien zusammengesetzt aus Stoff und Form. Diese Auffassung versucht Avicebron im Buch ,Quell des Lebens‘ zu begründen. Er setzt nämlich voraus, dass, was immer dem Verstande zufolge unterschieden werden kann, auch in den Dingen unterschieden ist. In der unkörperlichen Wesenheit nun erfasst der Verstand etwas, wodurch sie von der körperlichen Wesenheit unterschieden wird, und etwas, wodurch sie mit ihr übereinkommt. Deshalb will er daraus schließen, dass das, wodurch die unkörperliche Wesenheit sich unterscheidet von der körperlichen, gleichsam ihre Form sei; und das, was dieser unterscheidenden Form gleichsam als Gemeinsames zugrunde liegt, ihr Stoff sei. Deswegen behauptet er, dass der  allgemeine Stoff der geistigen und körperlichen Wesen derselbe sei; in dem Sinne, dass die Forum der unkörperlichen Wesenheit so im Stoff der geistigen Wesen eingeprägt sei, wie die Form der Ausdehnung im Stoff der körperlichen Wesen eingeprägt ist.

Aber beim ersten Hinblick zeigt sich, dass es unmöglich ist, dass der Stoff der geistigen und körperlichen Wesen einer ist. Denn es ist nicht möglich, dass eine geistige und eine körperliche Form in einem (und demselben) Teile des Stoffes aufgenommen wird; weil so zahlenmäßig ein und dasselbe Ding körperlich und geistig wäre. Darum bleibt übrig, dass es ein anderer Teil des Stoffes sei, welcher eine körperliche Form aufnimmt, und ein anderer, welcher eine geistige Form aufnimmt. Dass der Stoff aber in Teile geteilt wird, trifft nur zu, insofern er unter der Ausdehnung verstanden wird; denkt man diese weg, bleibt das unteilbare Zugrundeliegende zurück (Aristoteles). So also bleibt übrig, dass der Stoff der geistigen Wesen ein der Ausdehnung unterworfenes Zugrundeliegendes ist: was unmöglich ist. Unmöglich ist also, dass der Stoff der körperlichen und geistigen Wesen einer sei.

Es ist aber darüber hinaus noch unmöglich, dass ein geistiges Selbstandwesen irgendeinen Stoff habe. Denn die Tätigkeit irgendeines Dinges richtet sich nach der Weise seines Wesens. Verstehen nun ist eine gänzlich unstoffliche Tätigkeit; das geht aus seinem Gegenstand hervor, von dem jeder Akt Art und Bestimmung empfängt. Soweit nämlich wird ein jedes Ding verstanden, als es vom Stoffe losgelöst wird; denn die Formen im Stoff sind Einzelformen, die der Verstand als solche nicht erfasst.

Darum bleibt nur übrig, dass jedes verstandhafte Selbstandwesen gänzlich unstofflich ist.

Es ist aber nicht notwendig, dass, was dem Verstand zufolge unterschieden wird, in den Dingen unterschieden sei, denn der Verstand erfasst die Dinge nicht nach der Weise der Dinge, sondern nach seiner Weise. Darum sind die stofflichen Dinge, die unterhalb unseres Verstandes sind, in einfacherer Weise in unserem Verstande, als sie in sich sind. Die englischen Wesen jedoch sind über unserem Verstand. Darum kann unser Verstand nicht dazu kommen, sie ihrem In-sich-sein nach zu erreichen, sondern auf seine Weise, nämlich wie er zusammengesetzte Dinge erfasst. Und so erfasst er auch Gott.

Zu 1. Der artbildende Unterschied ist es, der die Art begründet. Ein jedes Ding aber wird in seiner Art begründet, sofern es festgelegt wird auf einen besonderen Stufengrad in den Dingen, weil die Arten der Dinge wie die Zahlen sind, die durch Zusatz oder Abzug einer Einheit sich unterscheiden (Aristoteles). In den stofflichen Dingen nun ist es ein anderes, das einen besonderen Stufengrad bestimmt, nämlich die Form; und ein anderes, das bestimmt wird, nämlich der Stoff; darum wird von dem einen die Gattung, von dem anderen der artbildende Unterschied genommen. Bei den unstofflichen Wesen jedoch ist das Bestimmende nichts anderes als das Bestimmte, sondern ein jedes hat für sich selbst einen bestimmten Stufengrad in den Dingen inne. Darum wird bei ihnen Gattung und Artunterschied nicht nach dem einen und dem anderen bestimmt, sondern nach ein und demselben. Doch ist dabei ein Unterschied in unserer Betrachtung; sofern unser Verstand jenes Wesen als unbestimmt betrachtet, nimmt er in ihnen den Charakter der Gattung an; sofern er aber etwas als bestimmt betrachtet, nimmt er in ihnen den Charakter des Artunterschiedes an.

Zu 2. Jener Beweis wird angegeben im Buche ,Quell des Lebens‘. Er wäre zwingend, wenn die Weise, nach welcher der Verstand aufnimmt, dieselbe wäre wie die Weise, nach welcher der Stoff aufnimmt. Doch ist das offensichtlich falsch. Denn der Stoff nimmt eine Form an, um ihr gemäß im Sein irgendeiner Art begründet zu werden, nämlich der Luft, des Feuers oder irgendeines anderen Dinges. So aber nimmt der Verstand die Form nicht auf, sonst würde sich die Meinung des Empedokles bewahrheiten, der annahm, ,,dass wir die Erde durch Erde erkennen und das Feuer durch Feuer", sondern verstehbare Form ist im Verstand ihrem Wesen als Form entsprechend; denn so wird sie vom Verstand erkannt. Darum ist eine solche Aufnahme nicht eine Aufnahme von Seiten des Stoffes, sondern die Aufnahme von Seiten eines unstofflichen Wesens.

Zu 3. Wenn auch im Engel keine Zusammensetzung aus Form und Stoff gegeben ist, so ist doch in ihm Wirklichkeit und Anlage. Das kann erhellen aus der Betrachtung stofflicher Dinge, in welchen eine doppelte Zusammensetzung gefunden wird. Die erste aus Form und Stoff, aus welchen eine Natur begründet wird. Eine so zusammengesetzte Natur aber ist nicht ihr Sein, sondern das Sein ist ihre Verwirklichung. Darum wird die Natur selbst in Beziehung gesetzt zu ihrem Sein wie Anlage zur Wirklichkeit. Wird aber der Stoff weggedacht und angenommen, dass die Form selbst nicht im Stoff gegründet sei, so bleibt immer noch das Verhältnis der Form zum Sein selbst wie [das Verhältnis] von Anlage zur Wirklichkeit. Und eine solche Zusammensetzung ist in den Engeln anzunehmen. Und das ist es, was von einigen gesagt wird, dass der Engel zusammengesetzt ist aus dem, ,wodurch [das, was ist] ist, und dem, ,was ist‘; oder aus ,Sein‘ und ,was ist‘ (nach Boethius), denn das, was ist, ist die in sich gründende Form selbst; das Sein selbst aber ist das, wodurch das Wesen ist, wie es der Lauf ist, wodurch der Laufende läuft. In Gott aber ist Sein und Was-sein nichts anderes. Darum ist Gott allein reine Wirklichkeit.

Zu 4. Jedes Geschöpf ist schlechthin begrenzt, insofern dessen Sein kein unumschränkt in sich gründendes ist, sondern zur Natur dessen eingeschränkt wird, dem sie zukommt. Aber nichts steht im Wege, dass ein Geschöpf in gewisser Hinsicht unbegrenzt ist. Die stofflichen Geschöpfe nun haben Unbegrenztheit von Seiten des Stoffes, Begrenztheit dagegen von Seiten der Form, welche durch den Stoff begrenzt wird, in welchem sie aufgenommen wird. Die unstofflichen geschaffenen Wesen aber sind endlich auf Grund ihres Seins, unendlich aber auf Grund dessen, dass ihre Formen nicht in einem anderen aufgenommen sind. Wie wenn wir sagen würden, die für sich getrennt bestehende Weißfarbigkeit sei unendlich in bezug auf das Wesen der Weißfarbigkeit, weil sie nicht auf irgendeinen Träger beschränkt ist; ihr Sein aber sei endlich, weil es auf eine besondere Natur festgelegt ist. Und darum heißt es im Buch von den Ursachen, ,,das Verstandeswesen ist begrenzt nach oben", insofern es das Sein empfangen hat von dem ihm Übergeordneten; es sei ,,unbegrenzt nach unten", insofern es nicht in irgendeinem Stoff aufgenommen wird.

3. ART1KEL
Sind die Engel in großer Zahl?

1. Die Zahl ist eine Art der Größe und folgt der Einteilung des Stetigen. Das kann aber bei den Engeln nicht zutreffen, da sie unkörperlich sind. Also können die Engel nicht in großer Zahl sein.

2. Je mehr etwas dem Einen nahe ist, um so weniger ist es vielfältig, wie es bei den Zahlen offensichtlich ist. Die Engelnatur aber ist unter allen geschaffenen Naturen Gott näher. Da also Gott im höchsten Maße Einer ist, scheint es, dass in der Engelnatur ein Mindestmaß von Vielheit sich findet.

3. Die eigentliche Leistung der [vom Stoff] geschiedenen Wesen scheint die Bewegung der Himmelskörper zu sein. Die Bewegungen der Himmelskörper aber bestehen nur in bestimmter geringer Zahl, die von uns erfasst werden kann. Also sind die Engel nicht in größerer Vielheit als die Bewegungen der Himmelskörper.

4. Dionysius sagt, ,,durch die Strahlen der göttlichen Güte bestehen alle verstehbaren und verstandhaften Wesen". Ein Strahl aber wird nur vervielfacht auf Grund der Verschiedenheit der Empfänger. Man kann aber nicht sagen, dass der Stoff einen Erkenntnisstrahl empfängt, da die geistigen Wesen unstofflich sind (Art. 2). Also scheint es, dass die Vermehrung der geistigen Wesen nur erfolgen kann gemäß den Erfordernissen der ersten Körper, der Himmelskörper, so dass bei diesen gewissermaßen der Hervorgang jener Strahlen abgeschlossen wird. Und so gilt dasselbe wie früher.

ANDERSEITS heißt es Dan 7,10: ,,Tausend mal Tausende dienten Ihm, und zehntausend mal Hunderttausende standen vor Ihm."

ANTWORT: Was die Zahl der stoffgeschiedenen Wesen angeht, sind Verschiedene auf verschiedenen Wegen vorgegangen. Plato nämlich nahm an, dass die stoffgeschiedenen Wesen die Arten der sinnenfälligen Dinge sind, wie wenn wir annehmen würden, die Menschennatur selbst sei für sich geschieden (Arist.). Und dem entsprechend müsste man sagen, dass die stofffreien Wesen da sind entsprechend der Zahl der Arten der sinnenfälligen Dinge. — Doch widerlegt Aristoteles diese Annahme dadurch, dass der Stoff ein Bestandteil der Artbestimmtheiten dieser sinnenfälligen Dinge ist. Darum können die stoff-geschiedenen Wesen nicht die Art-Urbilder dieser sinnenfälligen Dinge sein, sondern sie haben gewisse Naturen, welche höher sind als die Naturen der sinnenfälligen Dinge.

Aristoteles dagegen nahm an, dass diese vollkommeneren Naturen eine Beziehung haben zu jenen sinnenfälligen Dingen unter dem Gesichtspunkt des Bewegers und Zieles. Und darum versuchte er nach der Zahl der ersten Bewegungen die Zahl der stoffgeschiedenen Wesen zu ermitteln.

Doch weil dies den Urkunden der Hl. Schrift zu widersprechen scheint, nahm Rabbi Moses, ein Jude, der beides in Übereinstimmung bringen wollte, an, dass die Engel, sofern sie unstoffliche Wesen heißen, nach der Zahl der Bewegungen der Himmelskörper vervielfacht werden, im Anschluss an Aristoteles. Dabei nahm er jedoch an, dass in der Schrift auch Menschen, die Göttliches verkünden, Engel heißen, ebenso wie die Kräfte der Naturdinge, die Gottes Allmacht offenbaren. — Doch ist das der Gepflogenheit der Schrift fremd, dass die Kräfte der vernunftlosen Dinge Engel genannt werden.

Darum muss man sagen, dass auch die Engel, sofern sie unstoffliche Wesen sind, in größter Vielheit sich finden und jede stoffliche Vielheit überschreiten. Und das sagt Dionysius: ,,Zahlreich sind die seligen Heere der himmlischen Geister, welche das schwache und beschränkte Maßverhältnis unserer stofflichen Zahlen übertreffen." Der Grund hierfür ist folgender: Da die Vollkommenheit des Weltalls das ist, was Gott hauptsächlich in der Schöpfung der Dinge beabsichtigt, darum sind ,die Dinge, je vollkommener sie sind, in um so größerer Überzahl von Gott geschaffen. Wie aber in den körperlichen Dingen die Überzahl nach der Größenordnung bemessen wird, so kann in den unkörperlichen Dingen die Überzahl nach der Vielheit gemessen werden. Wir sehen nun, dass die unvergänglichen Körper, welche unter den Körpern die vollkommeneren sind, in ihrer Größe gleichsam unvergleichlich die vergänglichen Körper übertreffen: denn der ganze Raum der wirkmächtigen und empfangsfähigen Kräfte ist etwas Geringes im Hinblick auf die Himmelskörper. Darum ist es sinnvoll, dass die unstofflichen Wesen der Vielheit nach, gleichsam unvergleichlich, die stofflichen übertreffen.

Zu 1. Bei den Engeln gibt es jene Zahl nicht, die eine geteilte Größe ist und sich aus der Teilung des Stetigen ergibt, sondern nur jene, die sich aus der Unterscheidung der Formen ergibt, sofern der Begriff der Vielheit auch auf die den Stoff überragenden Seinsbezirke Anwendung findet.

Zu 2. Daraus, dass die Engelsnatur Gott nahe ist, folgt, dass sie ein Mindestmaß von Vielheit in ihrer Zusammensetzung hat, nicht aber, dass sie nur in wenigen vertreten sei.

Zu 3. Jener Beweis ist von Aristoteles. Und er würde mit Notwendigkeit schließen, wenn die stoffgeschiedenen Wesen um der körperlichen Wesen willen da wären. Dann nämlich wären die unstofflichen Wesen vergeblich, wenn nicht irgendeine Bewegung aus ihnen heraus in den körperlichen Dingen erscheinen würde. Es ist aber nicht wahr, dass die unstofflichen Wesen um der körperlichen willen da sind, denn das Ziel ist vornehmer als das Mittel zum Ziel. Darum sagt auch Aristoteles ebenda, dass dieser Beweis nicht notwendig, sondern wahrscheinlich ist. Er war aber gezwungen, einen solchen Beweis zu gebrauchen, weil wir zum Erkennen der geistigen Dinge nur durch die sinnenfälligen gelangen können.

Zu 4. Jener Beweis geht aus von der Meinung derer, welche als Ursache der Unterscheidung der Dinge den Stoff annahmen. Das aber ist widerlegt worden (47, 1). Darum darf die Vervielfachung der Engel weder nach dem Stoff noch nach den Körpern angenommen werden, sondern nach der göttlichen Weisheit, welche die verschiedenen Ordnungen der unstofflichen Wesen ersinnt.

4. ARTIKEL
Sind die Engel der Art nach verschieden?

1. Da der Artunterschied vornehmer ist als die Gattung, so kommen diejenigen Dinge, welche in dem übereinkommen was das Vornehmste ist in ihnen, im letzten artbildenden Unterschied überein, und so sind sie der Art nach dieselben. Alle Engel aber kommen in dem überein, was das Vornehmste ist in ihnen, nämlich in ihrer Verstandhaftigkeit. Also sind alle Engel ein und derselben Art.

2. Das Mehr und Minder unterscheidet die Art nicht. Die Engel aber scheinen sich gegenseitig nur zu unterscheiden auf Grund des Mehr und Minder insofern nämlich der eine einfacher ist als der andere und schärfer sehenden Verstandes. Also unterscheiden sich die Engel nicht der Art nach.

3. Die Seele und der Engel werden gegeneinander abgeteilt Alle Seelen aber sind einer Art , also auch die Engel.

4. Je vollkommener etwas in der Natur ist, um so mehr muss es vervielfacht werden. Das wäre aber nicht der Fall, wenn in einer Art nur ein Einzelwesen wäre. Also gibt es viele Engel ein und derselben Art.

ANDERSEITS gibt es in den Dingen einer Art kein Früher und Später (Aristoteles). Aber unter den Engeln, auch eines Chores, gibt es erste, mittlere und letzte (Dionysius). Also sind die Engel nicht derselben Art.

ANTWORT: Einigte sagten, alle geistigen Wesen seien einer Art, auch die Seelen. Andere dagegen, alle Engel seien einer Art, aber nicht die Seelen. Wieder andere, alle Engel seien in einer einzigen Hierarchie oder sogar in einem einzigen Chor.

Doch das ist unmöglich. Die Dinge nämlich, welche in der Art Übereinkommen und in der Zahl sich unterscheiden, kommen in der Form überein und werden vom Stoff her unterschieden. Wenn also die Engel nicht aus Stoff und Form zusammengesetzt sind (Art. 2), folgt die Unmöglichkeit, dass es zwei Engel derselben Art gibt; wie es auch unmöglich wäre, zu sagen, dass es mehrere für sich bestehende Weißfarbigkeiten oder mehrere Menschheiten geben könne, da die Weißfarbigkeiten nur mehrere sind, sofern sie an mehreren Trägern haften.

Gesetzt aber auch, die Engel hätten einen Stoff, so könnten doch nicht mehrere Engel derselben Art sein. Dann müsste nämlich der Grund der Unterscheidung des einen vom anderen der Stoff sein, zwar nicht nach der Einteilung der Größe, da sie unkörperlich sind, sondern, nach der Verschiedenheit der Kräfte. Diese Verschiedenheit des Stoffes verursacht eine Verschiedenheit nicht bloß der Art, sondern sogar der Gattung.

Zu 1. Der Artunterschied ist vornehmer als die Gattung, wie das Bestimmte vornehmer ist als das Unbestimmte und das Eigentümliche vornehmer als das Gemeinsame. nicht aber wie diese und diese Natur. Sonst müssten alle Tiere einer Art sein, oder es müsste in ihnen irgendeine andere, vollkommenere Form sein als die Sinnenseele. Die Tiere unterscheiden sich also der Art nach auf Grund der verschiedenen bestimmten Stufen der Sinnesnatur. Ähnlich unterscheiden sich alle Engel der Art nach auf Grund der verschiedenen Stufen der Geistnatur.

Zu 2. Mehr und Minder, sofern sie aus der größeren oder geringeren Kraft einer Form verursacht werden, unterscheiden die Art nicht. Sofern sie aber ans den Formen verschiedener Stufen verursacht werden, unter scheiden sie die Art, wie wenn wir sagen, das Feuer ist vollkommener als die Luft. Und auf diese Weise unterscheiden sich die Engel auf Grund des Mehr und Minder.

Zu 3. Das Gut der Art ist wichtiger als das Gut des Einzelwesens. Also ist es viel besser, dass die Arten bei den Engeln vervielfacht werden als dass die Einzelwesen innerhalb einer Art vervielfacht werden.

Zu 4. Da die zahlenmäßige Vervielfachung ins Unendliche fortgesetzt werden kann, wird sie vom Wirkenden nicht beabsichtigt, sondern bloß die artmäßige Vervielfachung (47, 4 Zu 2). Darum erfordert die Vollkommenheit der Engelsnatur die Vervielfachung der Arten, nicht aber die Verfielfachung der Einzelwesen innerhalb einer Art.

5. ART1KEL
Sind die Engel unvergänglich?

1. Johannes von Damaskus sagt vom Engel, er ist ein geistiges Wesen, das von der Gnade und nicht von der Natur aus Unsterblichkeit empfängt.

2. Plato sagt im Timäus: ,,O Götter der Götter, deren Schöpfer und auch Vater ich bin, ihr seid meine Werke, von Natur aus auflöslich, wenn ich aber will, unauflöslich." Unter diesen Göttern aber kann er nichts anderes als die Engel verstehen. Also sind die Engel von Natur aus vergänglich.

3. Gregorius sagt: ,,Alles würde ins Nichts zerfallen, wenn es nicht die Hand des Allmächtigen bewahrte." Was aber ins Nichts zurückgeführt werden kann, ist vergänglich. Da also die Engel von Gott gemacht sind, scheint es, dass sie ihrer Natur zufolge vergänglich sind.

ANDERSEITS sagt Dionysius: ,,Die geistigen Wesen haben ein unversiegliches Leben, da sie von aller Vergänglichkeit, von Tod, Stoff und Zeugung frei sind."

ANTWORT: Man muss notwendig sagen, dass die Engel ihrer Natur nach unvergänglich sind. Der Grund dafür ist folgender. Nichts wird zerstört außer dadurch, dass dessen Form vom Stoff getrennt wird. Da also der Engel eine in sich gegründete Form ist (Art. 2), ist es unmöglich, dass sein Wesen vergänglich sei. Denn was einem Ding an sich zukommt, kann nie von ihm getrennt werden. Von dem aber, dem es zukommt durch Vermittlung eines anderen, kann es getrennt werden, sobald das abgetrennt wird, auf Grund dessen es ihm zukam. Denn die Rundheit kann vom Kreise nicht getrennt werden, weil sie ihm an sich selbst zukommt; aber ein eherner Kreis kann die Rundheit dadurch verlieren, dass die runde Gestalt dem Erz genommen wird. Das Sein kommt nun der Form an sich zu; denn ein jedes Ding ist in Wirklichkeit seiend, sofern es eine Form hat.  Der Stoff aber ist in Wirklichkeit seiend durch die Form. Was also aus Stoff und Form zusammengesetzt ist, hört auf, in Wirklichkeit Seiendes zu sein, dadurch, dass die Form vom Stoff getrennt wird. Wenn aber die Form selbst in ihrem [eigenen] Sein gegründet ist, wie das bei den Engeln zutrifft (Art. 2), so kann sie das Sein nicht verlieren. Darum ist gerade die Unstofflichkeit des Engels der Grund, warum der Engel seiner Natur zufolge unvergänglich ist.

Und ein Zeichen dieser Unvergänglichkeit kann aus meiner geistigen Tätigkeit entnommen werden. Da nämlich ein jedes Ding wirkt, sofern es Wirklichkeit ist, gibt die Tätigkeit eines Dinges dessen Seinsweise an. Art aber und Wesen der Tätigkeit wird aus dem Gegenstand erfasst.  Der verstehbare Gegenstand nun ist, weil über der Zeit, ewig. Darum ist jedes verstandhafte Selbstandwesen seiner Natur nach unvergänglich.

Zu 1. Johannes von Damaskus meint die vollkommene Unsterblichkeit, die eine Unveränderlichkeit jeglicher Art besagt, denn ,,jede Veränderung ist eine Art Tod" (Augustinus). Die vollkommene Unveränderlichkeit aber erlangen die Engel nur durch die Gnade (62, 2 u. 8).

Zu 2. Plato versteht unter Göttern die Himmelskörper, die er aus Grundstoffen zusammengesetzt glaubte. Und darum waren sie ihrer Natur nach auflöslich, durch den göttlichen Willen aber werden sie immer im Sein erhalten.

Zu 3. Wie oben gesagt (44, 1 Zu 2), gibt es Notwendiges, das eine Ursache seiner Notwendigkeit hat. Darum widerspricht es weder dem Notwendigen noch dem Unvergänglichen, dass dessen Sein von einem anderen so wie von der Ursache abhänge. Dadurch also, dass gesagt wird, alles falle ins Nichts zurück, wenn es nicht von Gott gehalten würde, auch die Engel, soll nicht zu verstehen gegeben werden, dass in den Engeln irgendein Grund der Vergänglichkeit sei, sondern dass das Sein des Engels von Gott abhängt als von der Ursache. Es heißt etwas nicht deshalb vergänglich, weil Gott es ins Nicht sein zurückführen kann, indem Er Seinen erhaltenden Beistand entzieht, sondern deshalb, weil es in sich selbst irgendeinen Grund der Vergänglichkeit hat, eine Gegensätzlichkeit oder wenigstens die Anlage des Stoffes.

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51. FRAGE

DAS VERHÄLTNIS DER ENGEL ZU DEN KÖRPERN

Hierauf erhebt sich die Frage nach dem Verhältnis der Engel zu den Körperdingen. Und zuerst nach dem Verhältnis der Engel zu den Körpern. Zweitens nach dem Verhältnis der Engel zu den Orten der Körper. Drittens nach dem Verhältnis der Engel zur Ortsbewegung.

Zum Ersten ergeben sich drei Einzelfragen:
1. Haben die Engel Körper, welche ihnen von Natur aus geeint sind?
2. Nehmen die Engel Körper an?
3. Üben sie in angenommenen Körpern Lebenstätigkeiten aus?

1. ARTIKIEL
Haben die Engel Körper, welche ihnen von Natur aus geeint sind?

1. Origenes sagt: ,,Es ist allein Gottes, d. i. des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, Natur eigen, dass sie als ohne stofflich Zugrundliegendes und ohne jede Beigesellung von Körperlichkeit im Dasein stehend verstanden wird." — Auch Bernhard sagt: ,,Geben wir Gott allein, wie die Unsterblichkeit, so auch die Unkörperlichkeit dessen Natur allein weder um Seiner selbst noch um eines anderen willen des Beistandes eines körperlichen Werkzeuges bedarf. Es ist aber klar, dass jeder geschaffene Geist eines körperlichen Beistandes bedarf." — Auch Augustinus sagt: ,,Die bösen Geister heißen Luftwesen, weil sie die Kraft der Luftkörper besitzen." Die Natur des bösen Geistes aber und des Engels ist dieselbe. Also haben die Engel Körper, welche ihnen von Natur aus geeint sind.

2. Gregorius nennt den Engel ein vernünftiges Sinnenwesen. Jedes Sinnenwesen aber ist zusammengesetzt aus Körper und Seele. Also haben die Engel Körper, welche ihnen von Natur aus geeint sind.

3. Vollkommener ist das Leben in den Engeln als in den Seelen. Die Seele aber lebt nicht bloß, sie belebt auch den Körper. Also beleben die Engel Körper, die ihnen von Natur aus geeint sind.

ANDERSEITS sagt Dionysius, dass die Engel wie als unkörperliche, so auch als unstoffliche [Wesen] verstanden werden.

ANTWORT: Die Engel haben keine Körper, die ihnen von Natur aus geeint sind. Was nämlich einer Natur beiläufig zukommt, findet sich nicht allgemein in dieser Natur; so kommt es nicht jedem Tiere zu, Flügel zu haben, weil das nicht zum Begriff des Tieres gehört. Da nun Verstehen nicht ein Akt des Körpers oder irgendeiner körperlichen Kraft ist (75, 2), so gehört es nicht zum Begriff eines verstandhaften Selbststandwesens als solchen, einen Körper zu haben, der ihm verbunden ist, sondern das trifft auf ein verstandhaftes Selbststandwesen beiläufig zu um eines anderen Dinges willen. So kommt es der menschlichen Natur zu, mit einem Körper geeint zu sein, weil sie unvollkommen ist und im Zustand der Anlage sich befindet innerhalb der Gattung der verstandhaften Selbststandwesen und in ihrer Natur nicht die Fülle des Wissens besitzt, sondern sie durch die körperlichen Sinne von den sinnenfälligen Dingen erwirbt (84, 6; 89, 1). In jeder Gattung aber, in welcher ein Unvollkommenes sich befindet, muss auch ein in jener Gattung Vollkommenes vorher dasein. Es gibt also einige vollkommen verstandhafte Selbstandwesen in der verstandhaften Natur, die nicht darauf angewiesen sind, das Wissen von den sinnenfälligen Dingen zu erwerben. Also sind nicht alle verstandhaften Selbstandwesen mit Körpern geeint, sondern einige sind von Körpern geschieden. Und diese nennen wir Engel.

Zu 1. Wie oben gesagt (50, 1), war es die Meinung einiger, jedes Seiende sei Körper. Aus dieser Annahme scheint es abgeleitet, dass manche annahmen, es gebe nur solche unkörperliche Wesen, die den Körpern geeint sind, so dass sogar einige behaupteten, Gott sei die Seele der Welt, wie Augustinus erzählt. Weil das aber dem katholischen Glauben widerstreitet, welcher Gott über alles erhaben annimmt, nach dem Psalmwort 8, 2: ,,Erhaben ist Deine Herrlichkeit über die Himmel", deshalb folgt Origenes, während er sich sträubte, dies von Gott auszusagen, für die anderen Wesen der Meinung der anderen, wie er auch in vielen anderen Fragen sich täuschen ließ, indem er sich den Meinungen der alten Denker anschloss. Das Wort des hl. Bernhard aber lässt sich so auslegen, dass die geschaffenen Geister eines körperlichen Werkzeuges bedürfen, das ihnen nicht von Natur aus geeint ist, sondern das sie zu einem bestimmten Zweck angenommen haben (Art. 2). — Augustinus aber spricht nicht im Sinne einer Bejahung, sondern nach der Meinung der Platoschüler, welche annahmen, es gebe gewisse Luftwesen, welche sie Dämonen nannten.

Zu 2. Gregorius nennt den Engel ein vernünftiges Sinnenwesen im übertragenen Sinne wegen der Ähnlichkeit der Vernunft.

Zu 3. Als [äußere ] Wirkursache etwas lebendig machen ist eine Vollkommenheit schlechthin. Darum kommt das auch Gott zu; 1 Sam 2, 6: ,,Der Herr macht tot und macht lebendig." Doch Lebendigmachenden als [innere] Formursache ist eine Eigentümlichkeit des Wesens, welches Teil irgendeiner Natur ist und in sich nicht die vollständige Natur der Art besitzt. Darum ist das erkennende Wesen, das nicht einem Körper geeint ist, vollkommener als das, welches einem Körper geeint ist .

2. ARTIKEL
Nehmen die Engel Körper an?

1.  Im Werk des Engels ist nichts überflüssig wie auch nicht im Werk der Natur. Es wäre aber überflüssig, wenn die Engel Körper annähmen. Denn der Engel bedarf nicht des Körpers, da seine Kraft alle Kraft des Körpers übersteigt Also nimmt der Engel keinen Körper an.

2.  Jede Annahme schließt mit irgendeiner Vereinigung ab, denn annehmen heißt gleichsam an sich nehmen. Ein Körper aber wird dem Engel nicht geeint als einer Form (Art 1). Deswegen aber, dass er ihm geeint wird als einem Beweger, sagt man nicht, er werde angenommen, sonst würde folgen, dass alle von den Engeln bewegten Körper von ihnen angenommen seien. Also nehmen die Engel keine Körper an.

3.  Die Engel nehmen keine Körper von Erde oder Wasser an, weil sie nicht plötzlich verschwinden könnten; noch auch von Feuer, weil sie verbrennen würden, was sie berührten. Noch auch von Luft, weil die Luft keine Gestalt noch Farbe annehmen kann. Also nehmen die Engel keine Körper an.

ANDERSEITS sagt Augustinus, dass Engel in angenommenen Körpern dem Abraham erschienen sind.

ANTWORT: Einige sagten, die Engel nähmen nie Körper an, sondern alles, was in der H1. Schrift gelesen wird von Engelerscheinungen, habe sich in seherischer Schau zugetragen, d. h. in der Einbildungskraft. — Doch das widerspricht der Absicht der Hl. Schrift. Das nämlich, was in der Schau der Einbildungskraft gesehen wird, ist bloß in der Einbildungskraft des Sehenden; darum wird es nicht gleichmäßig von allen gesehen. Die Schrift aber führt gelegentlich die erscheinenden Engel so ein, dass sie gemeinschaftlich von allen gesehen werden; wie die Engel, die dem Abraham erschienen, von ihm und seiner ganzen Familie und von Lot und den Bürgern Sodoms gesehen wurden. Desgleichen wurde der Engel, der dem Tobias erschien, von allen gesehen. Daraus wird offensichtlich, dass solches sich zugetragen hat auf Grund einer körperlichen Schau, durch die das gesehen wird, was außerhalb des Sehenden gelegen ist, weshalb es von allen gesehen werden kann. In einer solchen Schau kann aber nur ein Körper gesehen werden. Da also die Engel weder Körper sind noch Körper haben, die ihnen von Natur aus verbunden sind (Art. 1; 50, 1), so bleibt nur, dass sie bisweilen Körper annehmen.

Zu 1. Die Engel bedürfen eines angenommenen Körpers nicht um ihrer selbst willen, sondern uni unsertwillen, um im vertraulichen Verkehr mit den Menschen die geistige Gemeinschaft zu bekunden, deren Mitgenuss die Menschen erwarten für das zukünftige Leben. — Auch Umstand, dass die Engel im Alten Bunde Körper angenommen haben, war ein vorbildliches Anzeichen dafür, dass das WORT Gottes einen menschlichen Körper annehmen würde, denn alle Erscheinungen des Alten Bundes sind auf jene Erscheinung hingeordnet gewesen, in welcher der Sohn Gottes im Fleische erschienen ist.

Zu 2. Der angenommene Leib wird dem Engel geeint nicht als der Form noch auch bloß als dem Beweger, sondern wie einem Beweger, der durch den beweglichen angenommenen Körper vergegenwärtigt wird. Wie nämlich in der HI. Schrift die Eigentümlichkeiten der verstellbaren Dinge unter den Ähnlichkeiten der sinnenfälligen Dinge beschrieben werden, so werden die sinnenfälligen Leiber durch Gottes Kraft so von den Engeln geformt, dass sie zur Vergegenwärtigung der geistigen Eigentümlichkeiten des Engels geeignet sind. Und das ist die Annahme eines Leibes durch den Engel.

Zu 3. Wenn auch die Luft, in ihrer Verdünntheit beharrend, weder Gestalt noch Farbe festhalten kann, kann sie doch, wenn sie verdichtet wird, Gestalt und Farbe annehmen, wie das bei den Wolken klar ist. Und so nehmen die Engel Körper an aus Luft, welche sie durch Gottes Kraft verdichten, soweit es notwendig ist zur Bildung des anzunehmenden Körpers.

3. ARTIKEL
Üben die Engel in den angenommenen Körpern Lebenstätigkeiten aus?

1. Den Engeln der Wahrheit ziemt keine Täuschung. Es wäre aber eine Täuschung, wenn ein von ihnen angenommener Körper, der lebendig zu sein und Lebenstätigkeit auszuüben scheint, diese nicht hätte. Also üben die Engel in angenommenen Körpern Lebenstätigkeiten aus.

2. In den Werken des Engels ist nichts vergeblich. Es würden aber im angenommenen Körper Augen, Nase und andere Sinneswerkzeuge vergeblich vom Engel gebildet, wenn der Engel nicht durch sie Eindrücke aufnähme. Also nimmt der Engel Eindrücke auf durch den angenommenen Körper. Das ist eigentlichste Lebenstätigkeit.

3. Sich bewegen in fortschreitender Bewegung ist eine der Tätigkeiten des Lebens (Aristoteles). Die Engel aber scheinen ganz offensichtlich in den angenommenen Körpern sich zu bewegen. Denn es heißt Gen 18, 16: ,,Abraham ging mit ihnen und führte" die Engel, welche ihm erschienen waren. Und der Engel gab dem Tobias auf seine Frage: ,,Kennst du den Weg, der in die Stadt der Meder führt?" zur Antwort ,,Ich kenne ihn, und alle seine Pfade bin ich häufig gegangen" (Tob 5, 7 f.). Also üben die Engel in den angenommenen Körpern häufig Lebenstätigkeiten aus.

4. Die Rede ist das Werk eines Lebenden, denn sie äußert sich durch die Stimme, welche der Klang ist, der vom Munde des Sinnenwesens hervorgebracht wird (Aristoteles). Es ist aber aus vielen Stellen der Hl. Schrift offensichtlich, dass Engel in angenommenen Körpern gesprochen haben, Also üben sie in angenommene Körpern Lebenstätigkeiten aus.

5. Essen ist eilte dem Sinnenwesen eigentümliche Tätigkeit. Darum hat der Herr nach der Auferstehung zum Beweis des wieder aufgenommenen Lebens mit den Jüngern gespeist (Lk 24, 41 II.). Die Engel aber, welche in angenommenen Körpern erschienen sind, haben gespeist, und Abraham hat ihnen die er jedoch zuvor ehrfürchtig begrüßt hatte, Speise dargereicht (Gen 18, 2 ff.). Also üben die Engel in angenommenen Körpern Lebenstätigkeiten aus.

6. Einen Menschen zeugen ist eine Lebenstätigkeit. Das kommt nimmt den Engeln zu in den angenommenen Körpern; Gen 6, 4: ,,Nachdem die Söhne Gottes zu den Töchtern der Menschen eingegangen waren, und diese Kinder geboren hatten, wurden diese die Gewaltigen, die vom alters hier berühmten Männer." Also üben die Engel in den angenommenen Körpern Lebenstätigkeiten aus.

ANDERSEITS: Die von den Engeln angenommenen Körper leben nicht (Art. 1 Zu 3) Also können auch keine Lebenstätigkeiten durch sie ausgeübt werden.

ANTWORT: Gewisse Tätigkeiten lebendiger Wesen haben mit anderen Tätigkeiten etwas gemeinsam; so kommt das Sprechen, die Tätigkeit eines Lebenden, mit anderen Tönen unbelebter Wesen überein, insofern es Ton ist; und das Gehen mit anderen Bewegungen, insofern es Bewegung ist. In bezug also auf das beiden Tätigkeiten Gemeinsame können Lebenstätigkeiten von Engeln durch angenommene Körper ausgeübt werden, nicht aber in bezug auf das den lebendigen Wesen Eigentümliche. Weil ,,dessen die Tätigkeit ist, wessen die Fähigkeit ist" (Aristoteles). Daher kann nichts eine Lebenstätigkeit ausüben, was nicht Leben hat, welches der Anlagegrund einer solchen Tätigkeit ist.

Zu 1. Wie es nicht gegen die Wahrheit ist, dass in der Schrift das Geistige unter sinnenfälligen Gestalten beschrieben wird, weil das nicht berichtet wird, um nahe zu legen, das Geistige sei sinnenfällig, sondern weil durch die Gestalten der sinnenfälligen Dinge die Eigentümlichkeiten der geistigen Dinge nach einer gewissen Ähnlichkeit zu verstehen gegeben werden, so widerstreitet es auch bei den heiligen Engeln nicht der Wahrheit, dass die von ihnen angenommenen Körper lebendige Menschen scheinen, obzwar sie es nicht sind. Denn die Körper werden nur angenommen, um durch das den Menschen Eigentümliche und durch die Werke des Menschen die geistigen Eigentümlichkeiten der Engel und deren geistige Werke zu bezeichnen. Was nicht in so passender Weise geschehen würde, wenn sie wahre Menschen annähmen, weil deren Eigentümlichkeiten zu diesen Menschen selbst hinleiten würden, nicht zu den Engeln.

Zu 2. Wahrnehmen ist ausschließlich eine Tätigkeit des Lebens. Darum darf man in keiner Weise sagen, dass die Engel vermittels der Sinnenswerkzeuge der angenommenen Körper Wahrnehmungen hätten. Trotzdem sind sie nicht überflüssigerweise gebildet worden. Denn sie sind ja nicht dazu gebildet worden, damit durch sie Wahrnehmungen empfangen würden, sondern dazu, dass durch derartige Werkzeuge die geistigen Kräfte der Engel bezeichnet würden, wie durch das Auge die Erkenntniskraft des Engels und durch die anderen Glieder seine anderen Kräfte bezeichnet werden, wie Dionysius lehrt.

Zu 3. Eine Bewegung, die von einem mit einem Körper verbundenen Beweger ausgeht, ist ein eigentümliches Werk des Lebens. So aber werden von ihnen angenommene Körper nicht bewegt, denn sie sind nicht deren Formen. Die Engel sind trotzdem mittelbar in Bewegung, wenn derartige Körper bewegt werden, da sie in diesen sind wie Beweger in den bewegbaren Wesen; und sie sind so hier, dass sie nicht irgendwo anders sind, was von Gott nicht gesagt werden kann. Wenn darum auch Gott nicht in Bewegung ist, wenn das in Bewegung sich; befindet, worin Er ist, da Er überall ist, so sind doch die Engel mittelbar in Bewegung bei der Bewegung der angenommenen Körper; nicht aber bei der Bewegung der Himmelskörper, wenn sie auch in diesen sind wie die Beweger in den bewegbaren Wesen, da die Himmelskörper als ganze genommen nicht vom Orte weichen. Auch wird dem eine Himmelskugel bewegenden Geiste nicht sein Ort bestimmt in bezug auf einen bestimmten Teil der Himmelskörper, der jetzt im Osten, jetzt im Westen ist, sondern in bezug auf eine bestimmte Lage, weil die bewegende Kraft immer im Osten ist (Aristoteles).

Zu 4. Die Engel sprechen nicht im eigentlichen Sinne durch die angenommenen Leiber, sondern es ist etwas dem Sprechen Ähnliches, insofern sie Töne in der Luft bilden, die Menschenstimmen ähnlich sind.

Zu 5. Auch essen kommt, eigentlich gesprochen, den Engeln nicht zu, denn das Essen besagt die Aufnahme von Speise, welche in die Substanz des Essenden umwandelbar ist. Und wenn auch nach der Auferstehung die Speise nicht mehr in den Leib Christi umgewandelt, sondern in den vorliegenden Stoff aufgelöst wurde, so hatte doch Christus einen Leib solcher Natur, dass Speise ihn hätte umgewandelt werden können. Darum war es ein richtiges Essen. Doch die von den Engeln angenommene Speise wurde weder in den angenommenen Leib umgewandelt, noch war jener Leib solcher Natur, dass Speise in ihn hätte umgewandelt werden können. Darum war es kein richtiges Essen, sondern ein Sinnbild geistigen Essens. Und so sagt der Engel (Tob 12, 18. 19): ,,Als ich mit euch war, schien ich zwar zu essen und zu trinken, aber ich genieße unsichtbaren Trank und unsichtbare Speise." Abraham aber bot ihnen Speise, weil er glaubte, sie seien Menschen, in welchen er allerdings Gott verehrte, ,,so wie Gott in Propheten zu sein pflegt (Augustinus).

Zu 6. Augustinus schreibt: ,,Viele behaupten, erfahren oder von Erfahrungen gehört zu haben, dass Waldgeister und Faune, welche das Volk ,Alpe‘ heiße, häufig Frauen belästigt und das Beilager mit ihnen begehrt und vollzogen hätten. Darum scheint es unverschämt, dies zu leugnen. Die heiligen Engel Gottes aber konnten in keiner Weise vor der Sintflut so tief stürzen. Darum werden unter den Söhnen Gottes die Söhne Seths verstanden, welche gut waren. Menschentöchter nennt die Schrift dagegen die aus dem Stamme Kains Geborenen. Man darf sich nicht wundern, dass Riesen aus ihnen geboren werden konnten; denn es waren auch nicht lauter Riesen, allerdings viel mehr vor der Sintflut als nachher"— Wenn jedoch gelegentlich ans dem Beischlaf böser Geister einige geboren werden, so stammt das nicht aus dem von ihnen oder von den angenommenen Leibern ausgeschiedenen Samen, sondern aus dem zu diesem Zweck erhaltenen Samen irgendeines Menschen. Und zwar so, dass der böse Geist beim Manne als Beischläferin, bei der Frau als Beischläfer tätig ist; wie sie auch die Samen anderer Dinge zur Erzeugung mancher Dinge annehmen (Augustinus). Der so Geborene ist dann nicht ein Sohn des bösen Geistes, sondern jenes Menschen, von dem der Samen erhalten wurde.

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52. FRAGE

VOM VERHÄLTNIS DER ENGEL ZUM ORT

Hierauf folgt die Frage nach dem Ort des Engels.

Dazu ergeben sich drei Einzelfragen:
1. Ist der Engel an einem Ort?
2. Kann er an mehreren Orten zugleich sein?
3. Können mehrere Engel an selben Orte sein?

1. ARTIKEL
Ist der Engel am Ort?

1. Boethius sagt: ,,Es ist allgemeine Auffassung bei den Weisen, dass Unkörperliches nicht am Orte ist." Und Aristoteles sagt, dass ,,nicht alles, was ist, am Orte ist, sondern [nur] der bewegliche Körper". Der Engel aber ist kein Körper (50, 1). Also ist der Engel nicht am Ort.

2. Der Ort ist eine Größe mit bestimmter Lage Also hat alles, was am Orte ist, eine bestimmte Lage. Eine Lage zu haben kann aber dem Engel nicht zukommen, da sein Wesen frei ist von Ausdehnungsgröße, deren eigentümlicher Artunterschied darin besteht, eine Lage zu haben. Also ist der Engel nicht am Ort.

3. Am Orte sein heißt von ihm gemessen und umfasst werden (Aristoteles). Der Engel aber kann weder vom Orte gemessen noch umfasst werden, denn das Umfassende ist formgebender als das Umfasste, wie Luft als Wasser (Aristoteles). Also ist der Engel nicht am Ort.

ANDERSEITS heißt es im Kirchengebet: ,,Deine heiligen Engel, die darin wohnen, mögen uns im Frieden bewahren"

ANTWORT: Es ist dem Engel angemessen, am Ort zu sein. Dennoch wird das Am-Ort-sein von einem Engel und von einem Körper mehrdeutig ausgesagt. Denn ein Körper ist dadurch am Ort, dass er dem Ort angepasst ist durch Berührung auf Grund der Ausdehnungsgröße, welche es zwar in den Engeln nicht gibt, sondern in ihnen ist die Größe der Kraft nach. Auf Grund der irgendwie erfolgenden Anwendung also der Kraft des Engels auf einen Ort heißt es, der Engel sei an einem körperlichen Ort.

Und danach ist es klar, dass man nicht sagen darf, der Engel habe mit dem Orte das gleiche Maß oder er habe eine [bestimmte] Lage im Stetigen; das kommt nur dem georteten Körper zu, insofern er groß ist durch Ausdehnungsgröße. — Ähnlich auch ist es deswegen nicht nötig, dass er [der Engel] vom Ort gehalten werde. Denn ein unkörperliches Selbstandwesen, das durch seine Kraft ein Körperding berührt, hält dieses und ist nicht von ihm gehalten, denn die Seele ist im Leibe als Haltende und nicht als Gehaltene. Desgleichen sagt man, der Engel sei am körperlichen Orte nicht als Gehaltener, sondern irgendwie als Haltender.

Daraus ergibt sich die Antwort zu den Einwänden.

2. ARTIKEL
Kann der Engel an mehreren Orten zugleich sein?

Der Engel ist nicht minderer Kraft als die Seele. Die Seele aber ist zugleich an mehreren Orten, denn sie ist ,,als ganze in jedem Teile des Leibes" (Augustinus) Also kann der Engel an mehreren Orten zugleich sein.

2. Der Engel ist im angenommenen Leibe, und, da er einen in sich zusammenhängenden Leib annimmt, scheint er in jedem seiner Teile zu sein. Seinen verschiedenen Teilen aber entsprechen in unserer Betrachtung verschiedene Orte. Also ist der Engel gleichzeitig an mehreren Orten.

3. Johannes von Damaskus sagt: ,,Wo der Engel wirkt, dort ist er." Manchmal aber wirkt er an verschiedenen Orten zugleich, wie das offensichtlich ist bei dem Engel, der Sodoma vernichtete [Gen 19, 25]. Also kann der Engel an mehreren Orten zugleich sein.

ANDERSEITS sagt Johannes von Damaskus, dass die Engel, ,,während sie im Himmel sind, nicht auf der Erde sind".

ANTWORT: Der Engel besitzt endliche Kraft und Wesenheit. Die göttliche Kraft und Wesenheit aber ist unendlich und die umfassende Ursache aller Dinge, Darum trifft sie mit ihrer Kraft alles und ist nicht bloß an mehreren Orten, sondern überall. Weil die Kraft des Engels aber endlich ist, erstreckt sie sich nicht auf alles, sondern auf etwas begrenztes Eines. Was nämlich zu einer einzigen Kraft in Beziehung gesetzt wird, muss als etwas Eines zu ihr in Beziehung gesetzt werden. Wie also das gesamte Seiende wie etwas Eines zur allumfassenden Kraft Gottes in Beziehung gesetzt wird, so wird auch ein besonderes Seiendes wie etwas Eines zur Kraft des Engels in Beziehung gesetzt. Da also der Engel durch die Hinwendung seiner Kraft zum Ort am Ort ist, so folgt, dass er nicht überall, noch an mehreren Orten, sondern nur an einem Orte ist.

In dieser Frage haben sich einige täuschen lassen. Einige nämlich, welche nicht die Einbildungskraft zu übersteigen vermochten, dachten sich die Unteilbarkeit des Engels nach Art der Unteilbarkeit des Punktes und glaubten darum, dass der Engel nur an einem punktartigen Orte sein könne. — Aber sie haben sich offensichtlich täuschen lassen. Denn der Punkt ist ein Ungeteiltes, das eine Lage hat, der Engel aber ist ein Ungeteiltes, das außerhalb der Urweise der Ausdehnung und der Lage Dasein hat. Darum ist es nicht notwendig, dass ihm ein einziger, ungeteilter Ort der Lage nach bestimmt wird, sondern ein Ort, der entweder teilbar ist oder unteilbar, größer oder kleiner, je nachdem er freiwillig seine Kraft zu einem größeren oder kleineren Körper hinwendet. Und so entspricht ihm der ganze Körper, auf den er sich mit seiner Kraft hinwendet, als ein einziger Ort.

Dennoch ist es nicht nötig, dass ein Engel, wenn er einen Himmel bewegt, überall sei. Denn erstens wird seine Kraft nur auf das hingewendet, was zuerst von ihm bewegt wird. Ein Teil des Himmels aber ist es, worin zuerst Bewegung stattfindet, nämlich der östliche; weshalb auch der Philosoph die Kraft des Bewegers der Himmel im östlichen Teile ansetzt. — Zweitens wird von den Philosophen nicht angenommen, dass ein einziges stoffgeschiedenes Wesen alle Himmelskreise unmittelbar bewege. Darum ist es nicht notwendig, dass er überall ist.

So ist es denn klar, dass das Am-Ort-sein auf verschiedene Weise dem Körper, dem Engel und Gott zukommt. Denn der Körper ist am Ort umgrenzterweise, weil er mit dem Ort zusammen gemessen wird. Der Engel aber ist nicht umgrenzterweise am Ort, da er nicht mit diesem zusammen gemessen wird, sondern eingrenzenderweise, weil er so an einem Orte ist, dass er nicht an einem anderen Orte ist; Gott aber weder umgrenzterweise noch eingrenzenderweise, weil er überall ist.

Und daraus ergibt sich leicht die Antwort auf die Einwände, weil jenes Ganze, worauf unmittelbar die Kraft des Engels hingewandt ist, als sein einziger Ort gerechnet wird, sei es auch kein stetig Ausgedehntes.

3. ARTIKEL
Können mehrere Engel zugleich am selben Orte sein?

1. Mehrere Körper können nicht zugleich am selben Orte sein, weil sie den Ort ausfüllen. Die Engel aber füllen den Ort nicht aus, weil bloß ein Körper den Ort so ausfüllt, dass er nicht leer ist (Aristoteles) Also können mehrere Engel an einem Orte sein.

2. Engel und Körper unterscheiden sich mehr voneinander als zwei Engel. Engel und Körper aber sind zugleich am selben Orte, denn es gibt keinen Ort, der nicht von einem sinnenfälligen Körper ausgefüllt wäre (Aristoteles). Also können weit mehr zwei Engel am selben Orte sein.

3. Die Seele ist in jedem Teile des Körpers (Augustinus) Die bösen Geister aber dringen, wenn auch nicht in die Seelengründe, so doch zuweilen in die Körper ein. Und so sind die Seele und der böse Geist zugleich am selben Ort. Also aus demselben Grunde auch irgendwelche andere geistige Wesen.

ANDERSEITS: Zwei Seelen sind nicht im selben Körper. Also aus dem gleichem Grunde auch nicht zwei Engel am selben Ort.

ANTWORT: Zwei Engel sind nicht zugleich am selben Ort. Der Grund dafür liegt darin, dass es unmöglich ist, dass zwei vollständige Ursachen unmittelbar [Ursache] für ein und dasselbe Ding sind. Das ist off en sichtlich bei jeder Art von Ursachen, denn n es gibt nur eine nächste Form für ein Ding und nur ein nächstes Bewegendes, wenn auch mehrere entfernte Beweger da sein können. — Als Gegenbeispiel kann es nicht gelten, wenn mehrere ein Schiff ziehen, denn keiner davon ist vollkommener Beweger, da die Kraft eines jeden Einzelnen nicht genügt zur Bewegung. sondern alle sind zu gleich anstatt des einen Bewegers, insofern alle ihre Kräfte vereinigt werden zur Erreichung einer einzigen Bewegung. - Wenn man darum sagt, der Engel sei an einem Orte dadurch, dass seine Kraft unmittelbar den Ort trifft nach der Weise eines vollkommenen Haltenden (Art. 1), so kann an einem Ort nur ein einziger Engel sein.

Zu 1. Dass mehrere Engel an einem Orte sind, ist nicht unmöglich wegen der Ausfüllung des Ortes, sondern aus einem anderen Grunde (vgl. Antwort).

Zu 2. Der Engel und der Körper sind nicht auf dieselbe Weise am Ort, darum ist der vorgebrachte Grund nicht stichhaltig.

Zu 3. Auch der böse Geist und die Seelen stehen zum Körper nicht im selben Ursachenverhältnis, da die Seele Form [des Körpers] ist, nicht aber der böse Geist.

Also ist der Grund nicht stichhaltig.

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53. FRAGE

VON DER ORTSBEWEGUNG DER ENGEL

In der Folge ist die Ortsbewegung der Engel zu betrachten.

Dazu ergeben sich drei Einzelfragen
1. Kann der Engel sich örtlich bewegen?
2. Bewegt er sich von Ort zu Ort, indem er Zwischenräume durchmisst?
3. Findet die Bewegung des Engels in der Zeit oder im Jetzt statt?

1. ARTIKEL

Kann der Engel sich örtlich bewegen?

1. Der Philosoph beweist ,,Kein Unteilbares wird bewegt denn während etwas am Ausgangspunkte bleibt, wird es nicht bewegt; noch auch während es am Endpunkt ist; sondern dann hat es sich bewegt. So bleibt denn nur übrig, dass alles, was bewegt wird, solange es bewegt wird, teils am Ausgangspunkt teils am Endpunkt ist. Der Engel aber ist unteilbar. Also kann der Engel sich nicht örtlich bewegen.

2. Die Bewegung ist die Verwirklichung eines Unvollkommenen (Aristoteles). Der selige Engel aber ist nicht unvollkommenen. Also hat der selige Engel keine örtliche Bewegung.

3. Bewegung hat nur statt ans Bedürftigkeit. Bei den heiligen Engeln aber gibt es keine Bedürftigkeit Also sind die heiligen Engel nicht in örtlicher Bewegung.

ANDERSEITS: Es ist dasselbe, ob ein seliger Engel oder eine selige Seele in Bewegung ist. Man muss aber notwendig sagen, dass die selige Seele sich örtlich bewegt, da es Glaubenssatz ist, dass Christus mit Seiner Seele zur Vorhölle hinabgestiegen ist. Also ist der Engel in örtlicher Bewegung.

ANTWORT: Der selige Engel hat die Möglichkeit örtlicher Bewegung. Wie aber das Am-Ort-Sein den Körper und dem Engel in verschiedenem Sinne zukommt. so auch die örtliche Bewegung. Der Körper nämlich ist am Ort, indem er von ihm gehalten und mit ihm zusammen gemessen wird. Darum muss auch die Ortsbewegung des Körpers mit dem Ort zusammen gemessen werden und sich nach dessen Erfordernissen richten. Daher kommt es, dass der Stetigkeit der Ausdehnung die Stetigkeit der Bewegung und dem Früher und Später in der Ausdehnung das Früher und Später der Ortsbewegung des Körpers entspricht (Aristoteles). — Der Engel aber ist nicht am Ort als mit ihm zusammen gemessen und von ihm gehalten ten, sondern mehr ihn haltend. Darum braucht die Ortsbewegung des Engels nicht mit dem Ort zusammen gemessen zu werden, noch braucht er sich nach dessen Erfordernissen zu richten, um die Stetigkeit von Seiten des Ortes zu wahren, sondern es ist eine nicht-stetige Bewegung. Da nämlich der Engel nur am Orte ist auf Grund der Berührung der Kraft (52, 1), kann notwendig die Ortsbewegung des Engels nichts anderes sein als die verschiedenen Berührungen verschiedener Orte, die aufeinanderfolgen und nicht zugleich sind. Denn der Engel kann nicht zugleich an mehreren Orten sein. (52, 2). Es ist aber nicht notwendig, dass solche Berührungen stetig sind.

Es kann jedoch in solchen Berührungen eine gewisse Stetigkeit gefunden werden. Denn nichts steht im Wege, dem Engel einen teilbaren Ort zu bestimmen auf Grund der Berührung durch seine Kraft (52, 2), wie dem Körper ein teilbarer Ort bestimmt wird auf Grund der Berührung durch seine Ausdehnung. Wie darum der Körper allmählich und nicht zugleich deut Ort verlässt, wo er früher war, und wie daraus die Stetigkeit in seiner Ortsbewegung herrührt, so kann auch der Engel den teilbaren Ort, wo ex früher war, allmählich verlassen und so wird seine Bewegung stetig sein. Er kann auch den ganzen Ort zugleich verlassen und auf einen ganzen Ort anderswo sich hinwenden, und so wird seine Bewegung nicht stetig sein.

Zu 1. Jene Beweisführung [des Obersatzes] versagt im Vorliegenden doppelt. Ersten nämlich, weil der Be weis des Aristoteles vom Unteilbaren der Größenordnung ausgeht, dem mit Notwendigkeit ein unteilbarer Ort entspricht. Das kann man vom Engel nicht sagen.
Zweitens, weil der Beweis des Aristoteles von der stetigen Bewegung ausgeht. Wenn nämlich die Bewegung nicht stetig wäre, könnte man sagen, dass etwas in Bewegung ist, während es am Ausgangspunkt sich befindet und während es sich am Zielpunkt befindet, weil die Aufeinanderfolge der verschiedenen Wo in bezug auf dasselbe Ding Bewegung heißen würde. Darum könnte von Bewegung gesprochen werden an jedem der Orte, wo das Ding wäre. Doch die Stetigkeit der Bewegung verhindert dies, weil offenbar kein Stetiges in seinem [Anfangs- oder] Endpunkt ist, denn die Linie ist nicht im Punkte. Darum kann das, was bewegt wird, nicht gänzlich in einem der Endpunkte sein, solange es bewegt wird, sondern teils im einen, teils im anderen. Sofern also die Bewegung des Engels nicht stetig ist, gilt der Beweis des Aristoteles in unserer Frage nicht. — Sofern aber die Bewegung des Engels als stetige angenommen wird, kann zugegeben werden, dass der Engel, während er in Bewegung ist, teils im Ausgangspunkt und teils im Zielpunkt ist; so allerdings, dass die Teilhaftigkeit nicht auf das Wesen des Engels, sondern auf den Ort bezogen wird. Denn im Anfang seiner stetigen Bewegung ist der Engel im ganzen teilbaren Ort, von welchem aus er die Bewegung beginnt; während er sich aber in der Bewegung selbst befindet, ist er bei dem Teil des ersten Ortes, den er verlässt, und bei dem Teil des zweiten Ortes, den er einnimmt. — Dass er aber imstande ist, die Teile zweier Orte einzunehmen, kommt ihm deshalb zu, weil er einen teilbaren Ort durch die Hinwendung seiner Kraft einzunehmen vermag, wie der Körper dies vermag durch die Hinwendung seiner Ausdehnung. Daraus folgt für den örtlich bewegbaren Körper, dass er der Ausdehnung nach teilbar ist, für den Engel aber, dass sich seine Kraft auf irgendein Teilbares hinwenden kann.

Zu 2. Die Bewegung eines in Anlage Befindlichen ist die Wirklichkeit des Unvollkommenen. Eine Bewegung aber, die nach Art der Hinwendung einer Kraft sich vollzieht, ist die Leistung eines in Wirklichkeit Befindlichen; denn die Kraft eines Dinges entspricht seinem In-Wirklichkeit-Sein.

Zu 3. Die Bewegung eines in Anlage Befindlichen hat statt wegen seiner Bedürftigkeit; die Bewegung eines in Wirklichkeit Befindlichen aber hat nicht statt wegen seiner eigenen Bedürftigkeit, sondern wegen der Bedürftigkeit eines anderen. Und auf diese Weise ist, wegen unserer Bedürftigkeit, der Engel in örtlicher Bewegung; Hebr 1, 14: ,,Alle sind dienende Geister, zur Dienstleistung ausgesandt um derentwillen, welche die Erbschaft des Heiles erlangen."

2. ARTIKEL
Durchmisst der Engel den Zwischenraum?

1. Alles, was den Zwischenraum durchmisst, durchmisst zuerst den ihm gleichen Ort, und dann erst den größeren. Der dem Engel, welcher unteilbar ist, entsprechende Ort aber ist der punktartige Ort. Wenn also der Engel bei seiner Bewegung den Zwischenraum durchmisst, so müsste er bei seiner Bewegung unendlich viele Punkte zählen, was unmöglich ist.

2. Der Engel ist einfacheren Wesens als unsere Seele. Unsere Seele aber kann in ihrem Bewusstsein von einem Endpunkt an den anderen gelangen, ohne Zwischenräume zu durchmessen; so kann ich an Frankreich denken und nachher an Syrien, ohne an Italien zu denken, das dazwischen liegt. Also kann um so mehr der Engel von einem Endpunkt an den anderen gelangen ohne den Zwischenraum.

ANDERSEITS (3): Wenn der Engel von einem Ort zum andern in Bewegung ist, so befindet er sich, am Zielpunkt angelangt, nicht mehr in Bewegung, sondern die Veränderung hat schon stattgefunden. Allem Verändert-Sein aber geht das Verändert-Werden voraus; also war er irgendwo in Bewegung. Er war aber nicht in Bewegung, solange er im Ausgangspunkt war. Also war er in Bewegung, solange er im Zwischenraum war. Und so muss er den Zwischenraum durchmessen.

ANTWOR‘T: Wie oben gesagt (53, 1), kann die Ortsbewegung des Engels stetig oder nicht-stetig sein. Wenn sie also stetig ist, so kann der Engel nicht in Bewegung sein von einem Endpunkt zum anderen, ohne den Zwischenraum zu durchmessen, weil ,,der Zwischenraum das ist, wohin das, was in stetiger Veränderung ist, früher gelangt als das, wohin es zuletzt verändert wird" (Aristoteles). Denn die Ordnung des Früher und Später in der stetigen Bewegung richtet sich nach der Ordnung des Früher und Später in der Ausdehnung (Aristoteles).

Wenn aber die Bewegung des Engels nicht stetig ist, so ist es möglich, dass er von einem Endpunkt zum anderen gelangt, ohne die Zwischenräume zu durchmessen. Das wird aus folgendem klar. Zwischen zwei beliebigen Endorten sind nämlich unendlich viele mittlere Orte, sei es, dass man teilbare Orte annimmt oder unteilbare. Bei den unteilbaren ist das offensichtlich, denn zwischen zwei beliebigen Punkten sind unendlich viele Zwischenpunkte, da keine zwei Punkte ohne ein Mittleres aufeinanderfolgen (Aristoteles). — Bei den teilbaren Orten muss man notwendig dasselbe sagen. Und d es wird Bewegung aus der stetigen Bewegung irgendeines Körpers. Denn ein Körper wird von einem Orte zum anderen nur in der Zeit bewegt. In der gesamten Zeit aber, welche die Bewegung des Körpers bemisst, kann man nicht zwei Jetzt annehmen, in welchen der in Bewegung befindliche Körper nicht an zwei verschiedenen Orten wäre; denn wenn er an einem und demselben Orte in zwei Jetzt wäre, so würde folgen, dass er dort ruhte, da Ruhe nichts anderes heißt als jetzt und früher in demselben Orte sein:

Da also zwischen dem ersten und dem letzten Jetzt der Zeit, von welcher die Bewegung ihr Maß empfängt, un-endlich viele Jetzt sind, so müssen zwischen dem ersten Ort, von wo aus die Bewegung anfing, und dem letzten Ort, wo die Bewegung abgeschlossen wird, unendlich viele Orte sein. — Und das tritt auch sinnenfällig zu Tage. Es sei nämlich gegeben ein Körper von einer Eile Länge und der Weg, den er durchläuft, zwei Ellen; offen-sichtlich ist der erste Ort, von wo aus die Bewegung beginnt, eine Eile, und der Ort, wo die Bewegung abgeschlossen wird, die andere Eile. Es ist aber offensichtlich, dass er, wenn die Bewegung beginnt, allmählich die erste Eile verlässt und in die zweite eintritt. In dem Maße also, wie die Ausdehnung der Eile durch Teilung zerlegt wird, in dem Maße werden die Zwischenorte vervielfacht, weil ein jeder bezeichnete Punkt in der Ausdehnung der ersten Eile der Anfang eines Ortes ist, und ein bezeichneter Punkt in der Ausdehnung der zweiten Eile dessen Ende. Da nun die Ausdehnung ins Unendliche teilbar ist, und auch die Punkte der Möglichkeit nach in jeder Ausdehnung unendlich sind, so folgt, dass zwischen zwei beliebigen Orten unendlich viele Zwischenorte sind.

Das in Bewegung befindliche Ding bewältigt die unendliche Menge von Zwischenorten nur durch die Stetigkeit der Bewegung, denn wie die Zwischenorte unendlich viele sind der Möglichkeit nach, so muss man auch bei der stetigen Bewegung unendlich viele der Möglichkeit nach annehmen. — Wenn also die Bewegung nicht stetig ist, so werden alle Teile des Bewegungsverlaufes tatsächlich durchgezählt. Wenn nun irgendein in Bewegung befindliches Ding in einer nichtstetigen Bewegung ist, so folgt, dass es entweder nicht alle Zwischenorte durchläuft, oder tatsächlich unendlich viele Zwischenorte durchzählt, was unmöglich ist. Insofern demgemäß die Bewegung des Engels nicht stetig ist, durchläuft er nicht alle Zwischenorte.

Dieses In-Begung-Sein also von einem Endpunkt zum anderen ohne den Zwischenraum kann dem Engel zukommen, nicht aber dem Körper. Denn der Körper wird gemessen und gehalten vom Ort; darum muss er in seiner Bewegung den Gesetzen des Ortes folgen. Das Wesen des Engels aber ist dem Orte nicht unterworfen, als wäre es gehalten, sondern ist ihm überlegen als haltend. Darum liegt es in seiner Macht, sich zum Orte hinzuwenden, wie er will, ob er nun den Zwischenraum durchmisst oder nicht.

Zu 1. Der Ort des Engels wird nicht als ihm gleich angenommen auf Grund der Ausdehnung, sondern auf Grund der Berührung der Kraft; und so kann der Ort des Engels teilbar sein und braucht nicht immer punktartig zu sein. Trotzdem sind die Zwischenorte, auch die teilbaren, unendlich viele, wie gesagt wurde (Antwort); sie aber werden durchmessen durch die Stetigkeit der Bewegung (ebd.).

Zu 2. Solange der Engel in örtlicher Bewegung ist, wird seine Wesenheit auf verschiedene Orte hingewandt; die Wesenheit der Seele aber wird nicht auf die Dinge hingewandt, die sie denkt, vielmehr sind die gedachten Dinge in ihr. Darum gilt der Vergleich nicht.

Zu 3. Bei der stetigen Bewegung ist das Verändert-Sein nicht ein Teil der Bewegung, sondern deren Abschluß darum muss das In-Bewegung-Sein dem Verändert-Sein vorangehen. Und darum muss eine solche Bewegung einen Zwischenraum durchmessen. Bei der nicht-stetigen Bewegung aber ist das Verändert-Sein ein Teil, wie die Einheit ein Teil der Zahl ist; deshalb begründet die Aufeinanderfolge verschiedener Orte, auch ohne Zwischen räume, eine solche Bewegung.

3. ARTIKEL
Geht die Bewegung des Engels im Jetzt vor sich?

1. Je stärker die Kraft eines Bewegers ist, und je weniger das Bewegbare dem Beweger widersteht, um so schneller ist die Bewegung. Die Kraft des Engels aber, der sich selbst bewegt, übertrifft unverhältnismäßig die Kraft, welche einen Körper bewegt. Das Verhältnis der Geschwindigkeiten richtet sich nun nach der Verminderung der Zeit. Jedes Zeitmaß aber steht in einem Verhältnis zu jedem anderen Zeitmaß. Wenn sicb also ein Körper in der Zeit bewegt, so bewegt sich der Engel ins Jetzt.

2. Die Bewegung des Engels ist einfacher als irgendeine körperliche Veränderung. Es gibt aber eine gewisse körperliche Veränderung, welche ins Jetzt erfolgt wie die Erleuchtung, sowohl weil nichts im Nacheinander erleuchtet wird, wie die Erwärmung in Nacheinander vor sich geht, als auch weil der Strahl nicht früher zum Nahen gelangt wie zum Entfernten. Also geht um soviel mehr die Bewegung des Engels im Jetzt vor sich.

3. Wenn der Engel in der Zeit von einem Ort zum anderen sich bewegt, so ist es offenbar, das er im letzten Jetzt jener Zeitspanne am Endpunkt ist; in der ganze Zeitspanne vorher aber ist er entweder an dem unmittel bar vorhergehenden Ort, der als Ausgangspunkt angenommen wird, oder teils im einen und teils im anderen. Wenn aber teils im einen und teils im anderen, so folgt, dass er teilbar ist, was unmöglich ist. Also ist er in der ganzen vorhergehenden Zeitspanne im Ausgangspunkt Also ruht er dort, da Ruhen bedeutet, jetzt und früher am selben Ort sein (Art. 2). Und so folgt, dass er erst im letzten Jetzt der Zeit in Bewegung ist.

ANDERSEITS: Bei jeder Veränderung gibt es ein Früher und Später. Ein Früher und Später der Bewegung aber wird nach der Zeit gezählt. Also ist jede Bewegung in der Zeit, auch die Bewegung des Engels, da in ihr ein Früher und Später ist.

ANTWORT: Einige sagten, die Bewegung des Engels finde im Jetzt statt. Sie sagten nämlich, wenn der Engel von einem Ort zum anderen sich bewegt, ist er in der ganzen [dem letzten Jetzt] vorhergehenden Zeitspanne im Ausgangspunkt, im letzten Jetzt aber jener Zeitspanne ist er im Endpunkt. Es ist auch nicht notwendig, dass es einen Zwischenraum gebe zwischen zwei Endpunkten, wie es auch keine Zwischenspanne gibt zwischen der Zeit und einem Zeitabschluß. Zwischen zwei Jetzt der Zeit aber gibt es eine Zwischenspanne. Darum, sagen sie, darf man kein letztes Jetzt annehmen, währenddessen er im Ausgangspunkt war; wie es bei der Lichtstrahlung und bei der Wesenszeugung des Feuers keinen letzten Augenblick gibt, in welchem die Luft dunkel war oder in welchem der Stoff noch der Form des Feuers beraubt war. Sondern man muss eine letzte Zeitspanne annehmen, so dass im Endpunkt jener Zeitspanne das Licht in der Luft oder die Form des Feuers im Stoff ist. So heißen die Lichtstrahlung und die Wesenszeugung im Jetzt erfolgende Bewegungen.

Aber das trifft in diesem Fall nicht zu. Das lässt sich so zeigen. Es gehört nämlich zum Begriff der Ruine, dass sich das Ruhende nicht anders jetzt und früher verhält; und darum ist das Ruhende in jedem Jetzt der die Ruhe bemessenden Zeit am selben Orte im ersten und im mittleren und im letzten Jetzt. Es gehört aber zum Begriff der Bewegung, dass das, was bewegt wird, sich anders jetzt und früher verhält, und darum befindet sich das Bewegbare in jedem Jetzt der die Bewegung bemessenden Zeit in einer jeweils verschiedenen Verfassung; darum muss es im letzten Jetzt eine Form haben, die es früher nicht hatte. Und so ist es klar, dass Ruhen während einer ganzen Zeitspanne in irgend etwas, z. B. in der Weißfarbigkeit, in ihr sein heißt in jedem Jetzt jener Zeitspanne; darum ist es nicht möglich, , dass etwas in der ganzen vorhergehenden Zeitspanne an einem Endpunkt ruhe und nachher im letzten Jetzt jener Zeitspanne am anderen Endpunkt sei. Doch ist das möglich bei der Bewegung, weil In-Bewegung-Sein während einer ganzen Zeitspanne Nicht-in-der-selben-Verfassung-Sein heißt für jedes Jetzt jener Zeitspanne. Also sind alle derartigen im Jetzt sich vollziehenden Veränderungen Endpunkte der stetigen Bewegung, wie die Zeugung der Endpunkt der Veränderung des Stoffes ist, und die Lichtstrahlung der Endpunkt der örtlichen Bewegung des erleuchtenden Körpers. — Die örtliche Bewegung des Engels aber ist nicht der Endpunkt irgendeiner anderen stetigen Bewegung, sondern hat durch sich selbst statt und hängt von keiner anderen Bewegung ab. Darum ist es unmöglich zu sagen, dass er während einer ganzen Zeitspanne an irgendeinem Orte sei und im letzten Jetzt an einem anderen Orte. Sondern man muss ein Jetzt angeben, in welchem er zuletzt an dem vorhergehenden Orte war. Wo aber viele Jetzt sind, die aufeinanderfolgen, dort ist mit Notwendigkeit auch Zeit, denn Zeit ist nichts anderes als die Zählung des Früher und Später in der Bewegung. So bleibt nur übrig dass die Bewegung des Engels in der Zeit sei. Und zwar in stetiger Zeit, wenn seine Bewegung stetig ist, in nicht-stetiger Zeit aber, wenn die Bewegung nicht stetig ist. Denn auf beiderlei Art und Weise kann die Bewegung des Engels vor sich gehenden (Art. 1). Die Stetigkeit der Zeit nämlich stammt ans der Stetigkeit der Bewegung (Aristoteles).

Jene Zeit aber, sei es eine stetige Zeit oder nicht, ist nicht dasselbe wie die Zeit, welche die Himmelsbewegung bemisst und wodurch alle Körperdinge bemessen werden, welche Veränderlichkeit haben aus der Himmelsbewegung. Denn die Bewegung des Engels hängt nicht ab von der Bewegung des Himmels.

Zu 1. Wenn die Zeit der Bewegung des Engels nicht stetig ist, sondern eine Art Nacheinander von verschiedenen Jetzt, so hat sie kein Verhältnis zu derjenigen Zeit, welche die Bewegung der Körper, die stetig ist, bemisst; denn sie ist nicht deren Wesens. Ist sie aber stetig, so steht sie zwar im Verhältnis, nicht auf Grund einer Entsprechung von Bewegendem und Bewegbarem, sondern wegen der Entsprechung der Ausdehnung, in welcher die Bewegung stattfindet — Und deswegen richtet sich die Schnelligkeit der Bewegung des Engels nicht nach der Stärke seiner Kraft, sondern nach der Bestimmung seines Willens.

Zu 2. Die Erleuchtung ist der Abschluss der Bewegung; und sie ist eine Veränderung, nicht aber eine örtliche Bewegung in dem Sinne, dass man das Licht früher zum Nahen als zum Entfernten gelangen lässt. Die Bewegung des Engels aber ist eine örtliche und ist nicht der Endpunkt einer Bewegung. Darum trifft der Vergleich nicht zu.

Zu 3. Jener Einwand geht aus von der stetigen Zeit. Die Zeit der Bewegung des Engels aber kann auch nicht etwas in der ganzen vorhergehenden Zeitspanne an einem Endpunkte stetig sein. Und so kann der Engel in dem einen Nu an einem Orte und in dem anderen Nu an einem anderen Ort sein, ohne dass eine Zwischenzeit vorhanden wäre. — Wenn aber die Zeit der Bewegung des Engels stetig ist, so durchmisst der Engel in der ganzen dem letzten Jetzt vorhergehenden Zeitspanne unendlich viele Orte (Art. 2). Er ist trotzdem teils in einem der stetigen Orte und teils in einem anderen, nicht als ob sein Wesen teilbar wäre, sondern weil seine Kraft hingewandt wird auf einen Teil des ersten Ortes und auf einen Teil des zweiten Ortes (Art. 1).

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54. FRAGE

VON DER ERKENNTNIS DER ENGEL

Nach der Betrachtung dessen, was zum Wesen des Engels gehört, gehen wir über zur Betrachtung seiner Erkenntnis. Diese Betrachtung wird vier Teile haben; denn erstens ist eine Untersuchung anzustellen über das, was zur Erkenntniskraft des Engels gehört, zweitens über das, was zu seinem Erkenntnismittel gehört, drittens über das, was von ihm erkannt wird, viertens über die Art und Weise ihres Erkennens.

Zum Ersten ergeben sich fünf Einzelfragen.
1. Ist das Verstehen des Engels sein Wesen?
2. Ist das Sein des Engels sein Verstehen?
3. Ist sein Wesen seine Verstehenskraft?
4. Ist in den Engeln wirkender und empfangender Verstand?
5. Ist in ihnen irgendeine andere Erkenntniskraft als der Verstand?

1. ARTIKEL
Ist das Verstehen des Engels sein Wesen?

1. Der Engel ist erhabener und einfacher als der wirkende Verstand der Seele. Das Wesen des wirkenden Verstandes aber ist seine Tätigkeit, wie aus Aristoteles und seinem Erklärer hervorgeht. Also ist um so mehr das Wesen des Engels seine Tätigkeit, welche Verstehen ist.

2. Der Philosoph sagt, ,,die Tätigkeit des Verstandes ist Leben". Da aber ,,für die Lebewesen Am-Leben-sein Sein ist" (Aristoteles) scheint es, dass das Leben die Wesenheit ist. Also ist die Tätigkeit des Verstandes die Wesenheit des verstehenden Engels.

3. Wenn die Endglieder eins sind, unterscheidet sich das Mittelglied nicht von ihnen, weil ein Endglied vom anderen größeren Abstand hat als das Mittelglied. Im Engel aber sind der Verstand und das Verstandene eins, wenigstens soweit er seine Wesenheit versteht. Also ist das Verstehen, das als Mittelglied zwischen dem Verstand und dem verstandenen Ding steht, dasselbe wie das Wesen des verstehenden Engels.

ANDERSEITS unterscheidet sich die Tätigkeit eines Dinges mehr von seinem Wesen als dessen Sein selbst. Aber keines geschaffenen Dinges Sein ist sein Wesen, denn das ist bloß Gott eigen (44, 1; 3, 4 u. 7, 1 Zn 3 n. 7, 2). Also ist weder des Engels noch sonst eines anderen Geschöpfes Tätigkeit sein Wesen.

ANTWORT: Es ist unmöglich, dass die Tätigkeit des Engels oder irgendeines anderen Geschöpfes sein Wesen sei. Denn die Tätigkeit ist im eigentlichen Sinne die Vollzugswirklichkeit der Kraft, wie das Sein die Vollzugswirklichkeit des Wesens oder der Wesenheit ist. Es ist aber unmöglich, dass etwas, das nicht reine Wirklichkeit ist, sondern etwas von Anlage beigemischt hat, seine eigene Vollzugswirklichkeit sei, denn die Vollzugswirklichkeit widerstreitet der Angelegtheit. Gott allein aber ist reine Wirklichkeit. Also ist in Gott allein Sein Wesen Sein eigenes Sein und Wirken.

Außerdem, wenn das Verstehen des Engels sein Wesen wäre, so müsste das Verstehen des Engels in sich gründen. Das in sich gründende Verstehen aber kann nur eines sein, wie auch sonst irgendein in sich gründendes Allgemeines [nur eines sein kann]. Somit würde das Wesen eines Engels weder vom Wesen Gottes, das das in sich gründende Verstehen selbst ist, noch vom Wesen eines anderen Engels unterschieden werden.

Wenn auch der Engel selbst sein Verstehen wäre, könnte es keine Stufen geben im mehr oder weniger vollkommenen Verstehen, da es diese Stufengrade nur gibt wegen der verschiedenen Teilnahme am Verstehen selbst.

Zu 1. Wenn gesagt wird, der wirkende Verstand ist seine Tätigkeit, so ist das eine Aussage nicht auf Grund der Wesenheit, sondern auf Grund der Mitfolge; weil, wenn sein Wesen in Vollzug steht, ihm, soweit es an ihm liegt, die Tätigkeit sofort mitfolgt. Das ist nicht so beim empfangenden Verstande, der erst Tätigkeiten setzt, nachdem er in Vollzug gesetzt wurde.

Zu 2. Leben verhält sich nicht in der Weise zu Am-Leben-Sein wie die Wesenheit zum Sein, sondern wie Laufen zu Am-Laufen-Sein, wovon das eine die Tat in der Form des Allgemeinen, das andere die Tat in der Form des unmittelbar Wirklichen bezeichnet. Darum folgt nicht, dass, wenn Am-Leben-Sein gleich Sein ist, Leben die Wesenheit sei. — Allerdings wird gelegentlich Leben als Wesenheit genommen, wenn z. B. Augustinus sagt, dass ,,Gedächtnis und Insicht und Wille eine einzige Wesenheit, ein einziges Leben sind". So aber wird es nicht vom Philosophen genommen, wenn er sagt, dass ,,die Tätigkeit des Verstandes Leben ist".

Zu 3. Eine Tätigkeit, die auf etwas Äußeres übergeht, ist in Wirklichkeit ein Mittelglied zwischen dem Tätigen und dem die Tätigkeit empfangenden Träger. Die Tätigkeit aber, welche im Tätigen verbleibt, ist nicht in Wirklichkeit ein Mittelding zwischen dem Tätigen und dem Gegenstand, sondern bloß der Bezeichnungsweise nach; in Wirklichkeit folgt sie der Vereinigung des Gegenstandes mit dem Tätigen. Daraus nämlich, dass das Erkannte eins wird mit dein Erkennenden, folgt das Erkennen, welches gleichsam eine von beiden verschiedene Wirkung ist.

2. ARTIKEL
Ist das Verstehen des Engels dessen Sein?

1. Am-Leben-Sein ist für lebende Wesen Sein" (Aristoles). Verstehen aber ist eine Art Am -Leben-Sein. Also ist das Verstehen des Engels dessen Sein.

2. Wie sich Ursache zu Ursache verhält, so Wirkung in Wirkung. Die Form aber, durch die der Engel Dasein hat, ist dieselbe wie die Form, durch die er, wenigstens sich selbst, verstellt. Also ist sein Verstellen dasselbe wie sein Sein.

ANDERSEITS: Das Verstehen des Engels ist seine Bewegung (Dionysius). Sein aber ist keine Bewegung. Also ist das Sein des Engels nicht sein Verstehen.

ANTWORT: Die Tätigkeit des Engels ist nicht dessen Sein, wie auch nicht die Tätigkeit irgendeines Geschöpf es. Denn doppelt ist die Gattung der Tätigkeit (Aristoteles) eine, die auf ein Äußeres übergeht und dieses zum Empfangen bringt, wie Brennen, Schneiden; eine andere aber, die nicht auf ein Äußeres übergeht, sondern mehr im Wirkenden selbst verbleibt, wie Empfinden, Verstehen und Wollen; denn durch eine Tätigkeit solcher Art wird nicht etwas Äußeres verändert, sondern das Ganze wird im Wirkenden selbst gewirkt. Bei der ersten Tätigkeit also ist es offenbar, dass sie nicht das Sein des Wirkenden sein kann. Denn das Sein des Wirkenden wird als etwas innerhalb des Wirkenden selbst sich Vollziehendes bezeichnet; eine solche Tätigkeit dagegen ist Ausfluss des Wirkenden in das, was empfangen hat. Die zweite (Art von) Tätigkeit aber schließt in ihrem Begriff eine Unendlichkeit entweder schlechthin oder in bestimmter Hinsicht ein. Schlechthin nämlich wie das Erkennen, dessen Gegenstand das Wahre ist, und wie das Wollen, dessen Gegenstand das Gute ist, die beide mit dem Sein vertauschbar sind; und so stehen Erkennen und Wollen an sich genommen in einem Verhältnis zu allen Dingen, und beide empfangen ihre Artbestimmtheit vom Gegenstand. In bestimmter Hinsicht unendlich aber ist das Empfinden, welches in einem Verhältnis zu allen sinnenfälligen Dingen steht, wie der Gesichtssinn zu allen sichtbaren Dingen. Das Sein eines jeden Geschöpfes aber ist festgelegt auf eines nach Gattung und Artbestimmtheit; das Sein Gottes allein ist schlechthin unendlich und alles in sich umfassend, wie Dionysius sagt. Darum ist das göttliche Sein allein Sein Verstehen und Sein Wollen.

Zu 1. Am-Leben-Sein wird bisweilen genommen für das Sein selbst des Lebewesens, bisweilen aber für die Tätigkeit des Lebens, durch welche nämlich gezeigt wird, dass etwas lebendig ist. Und nach dieser Auffassungsweise sagt der Philosoph, dass Verstehen eine Art Am-Leben-Sein ist. An jener Stelle unterscheidet er nämlich die verschiedenen Stufen der Lebewesen nach den verschiedenen Tätigkeiten des Lebens.

Zu 2. Die Wesenheit des Engels selbst ist der Grund seines ganzen Seins, nicht aber der Grund seines ganzen Verstehens, weil er nicht alles verstehen kann durch eine Wesenheit. Und darum wird die Wesenheit ihrer Eigentümlichkeit nach, insofern sie eine solche Wesenheit ist, mit dem Sein des Engels selbst in Beziehung gesetzt. Mit seinem Verstehen aber wird sie in Beziehung gesetzt auf Grund des umfassenderen Gegenstandes, nämlich des Wahren oder des Seienden. Und so ist es klar, dass sie, obzwar sie ein und dieselbe Form bleibt, doch nicht unter demselben Gesichtspunkt Ursprung des Seins und des Verstehens ist. Und darum folgt nicht, dass im Engel Sein und Verstehen dasselbe ist.

3. ARTIKEL
Ist das Verstehensvermögen des Engels seine Wesenheit?

1. Geistesgrund und Verstand bezeichnen das Verstehensvermögen. Dionysius aber bezeichnet an verschiedenen Stellen seiner Bücher die Engel selbst als ,Verstände‘ und ,Geistesgründe‘ Also ist der Engel sein Verstehensvermögen.

2. Wenn das Verstehensvermögen im Engel etwas ist außerhalb seiner Wesenheit, so muss es eine Eigenschaft sein; denn das nennen wir Eigenschaft eines Dinges, was außerhalb seines Wesenskernes ist. Nun aber ,,kann eine einfache Form nicht Träger sein", wie Boethius sagt. Mithin wäre der Engel keine einfache Form, was gegen das Vorausgeschickte ist.

3. Augustinus sagt, dass Gott die Engelsnatur ,,nahe bei sich", den ersten Stoff aber ,,nahe beim Nichts" erschaffen hat. Daraus ist ersichtlich, dass der Engel einfacher ist als der erste Stoff, weil Gott näher. Der erste Stoff. aber ist sein eigenes Vermögen. Also ist um so mehr der Engel sein eigenes Verstehensvermögen.

ANDERSEITS sagt Dionysius, dass die Engel ,,eingeteilt werden nach Wesen, Kraft und Tätigkeit". Also ist in ihnen etwas anderes die Wesenheit, etwas anderes die Kraft und etwas anderes die Tätigkeit.

ANTWORT: Weder beim Engel noch bei irgendeinem Geschöpf ist die tätige Kraft oder das tätige Vermögen seine Wesenheit. Das wird aus folgendem klar. Da das Vermögen im Hinblick auf den Akt ausgesagt wird, muss nach der Verschiedenheit der Akte auch die Verschiedenheit der Vermögen sich richten. Darum heißt es, dass einem eigentümlichen Vermögen ein eigentümlicher Akt entspricht. In allem Geschaffenen aber unterscheidet sich die Wesenheit von ihrem Sein und wird zu ihr in Beziehung gesetzt wie Anlage zur Wirklichkeit (Art. 1; 44, 1). Die Wirklichkeit nun, zu der die tatfähige Anlage in Beziehung gesetzt wird, ist die Tätigkeit. Im Engel aber ist erstehen und Sein nicht dasselbe, noch ist irgendeine andere Tätigkeit in ihm oder in irgendeinem anderen Geschöpf dasselbe wie dessen Sein. Darum ist die Wesenheit des Engels nicht sein Verstehensvermögen, noch die Wesenheit irgendeines Geschöpfes dessen Tätigkeitsvermögen.

Zu 1. Der Engel wird ,Verstand‘ und ,Geistesgrund‘ gennannt, weil sein ganzes Erkennen verstandhaft ist. Die Erkenntnis aber der Seele ist teils verstandhaft, teils sinnhaft.

Zu 2. Jene einfache Form, welche reine Wirklichkeit ist, kann nicht Träger irgendwelcher Eigenschaft sein, denn der Träger verhält sich zur Eigenschaft wie die Anlage zur Verwirklichung. Und solcher Art ist allein Gott. Und von solcher Form redet ebendort Boethius. —Die einfache Form aber, welche nicht ihr Sein ist, sondern sich zu ihm verhält wie die Anlage zur Verwirklichung, kann Träger einer Eigenschaft sein, und besonders der Eigenschaft, welche die Art begleitet, denn eine solche Eigenschaft gehört zur Form. (Die Eigenschaft aber, welche dem Einzelwesen eigen ist und nicht die ganze Art begleitet, begleitet den Stoff, welcher der Vereinzelungsgrund ist.) Und eine solche einfache Form ist der Engel.

Zu 3. Das Vermögen des Stoffes ist hingeordnet auf das Sein des Wesens selbst, nicht aber das Tätigkeitsvermögen; dieses nämlich ist hingeordnet auf das Sein der Eigenschaft. Darum gilt der Vergleich nicht.

4. ART I K EL
Ist im Engel ein wirkender und empfangender Verstand?

1. Der Philosoph sagt, ,,wie in jeder Natur etwas ist, wodurch sie alles werden kann, und etwas, wodurch sie alles machen kann, so auch in der Seele". Der Engel aber ist eine Natur. Also ist in ihm wirkender und empfangender Verstand.

2. Aufnehmen ist das Eigentümliche des empfangen den Verstandes, Erleuchten aber das Eigentümliche des wirkenden Verstandes (Aristoteles). Der Engel aber nimmt Erleuchtung an von dem ihm übergeordneten und erleuchtet den ihm untergeordneten. Also ist in ihm wirkender und empfangender Verstand.

ANDERSEITS ist in uns der Verstand wirkend und empfangend durch Beziehung zu den Vorstellungsbildern; und zwar werden diese zum empfangenden Verstand in Beziehung gesetzt wie die Farben zum Gesichtssinn, zum wirkenden Verstand wie die Farben zum Licht (Aristoteles). Im Engel aber gibt es dies nicht. Also ist im Engel der Verstand nicht wirkend und empfangend.

ANTWORT: Die Notwendigkeit, einen empfangenden Verstand in uns zu setzen, ist begründet in unserer Befindlichkeit: denn wir sind nicht immer wirklich Erkennende, wohl in der Anlage dazu. Daher ist es nötig, dass es eine gewisse Fähigkeit gibt, welche dem Verstehen selbst vorgängig, in der Anlage auf das Verstehbare ist; doch wird sie in dessen Wirklichkeit hineingeführt, wenn einer wissend wird, und darüber hinaus, wenn er betrachtet. Und diese Fähigkeit heißt empfangender Verstand. —Die Notwendigkeit aber, einen wirkenden Verstand anzunehmen, liegt darin, dass die Naturen der stofflichen Dinge, die wir verstehen, nicht außerhalb der Seele stofflos und wirklich verstehbar vorhanden sind; sondern sie sind außerhalb der Seele da, nur verstehbar der Anlage nach. Und darum ist es nötig, dass es irgendeine Fähigkeit gibt, die jene Naturen zu wirklich verstehbaren macht, und diese Fähigkeit heißt in uns ,,wirkender Verstand".

Beiderlei Notwendigkeit fehlt bei den Engeln. Denn weder sind sie irgendwann bloß in der Möglichkeit erkennend bezüglich dessen, was sie natürlicherweise erkennen, noch sind ihre erkennbaren Gegenstände nur Möglichkeit erkennbar, sondern sie sind in Wirk1ichkeit erkennbar; denn sie erkennen ursprünglich und hauptsächlich die unstofflichen Dinge, wie später erhellen wird (Fr. 56 u. 57). Und darum kann es in ihnen den wirken den und den empfangenden Verstand nicht geben, es sei denn etwa in übertragenem Sinne [vgl. Zu 2].

Zu 1. Der Philosoph setzt voraus, dass jene zwei bei jeder Natur im Bereich des Entstehens und Vergehens vorhanden sind, wie die Worte selbst beweisen. Im Engel aber entsteht kein Wissen, sondern es ist von Natur aus da. Darum ist es nicht nötig, bei ihm wirkenden und empfangenden Verstand anzunehmen.

Zu 2. Es ist Aufgabe des wirkenden Verstandes, nicht etwa einen anderen erkennenden, sondern die in Möglichkeit erkennbaren Dinge zu erleuchten, insofern er diese durch Loslösung [von ihren stofflichen Bedingungen] zu wirklich erkennbaren macht Sache des empfangenden Verstandes hingegen ist es, in der Anlage zu sein in bezug auf die natürlich erkennbaren Dinge, und bisweilen in Erkenntnisvollzug übergeführt zu werden. Wenn darum ein Engel den anderen erleuchtet, so gehört das nicht zur Aufgabe des wirkenden Verstandes. Es gehört auch nicht zur Aufgabe des empfangenden Verstandes, dass er Erleuchtungen übernatürlicher Geheimnisse erhält, deren Erkenntnis gegenüber er bisweilen in Möglichkeit sich befindet. — Wenn aber jemand dies wirkenden und empfangenden Verstand heißen will, so ist das in übertragenem Sinne gesprochen. Auf Benennungen aber ist kein Gewicht zu legen.

5. ARTIKEL
Ist in den Engeln nur die Erkenntnis des Verstandes?

1. Augustinus sagt, in den Engeln ist ,,Leben, welches versteht und empfindet". Also ist in ihnen ein Sinnesvermögen.

2. Isidor sagt, dass die Engel vieles kennen durch Erfahrung. Erfahrung aber entsteht aus vielen Erinnerungen (Aristoteles). Also ist ist in Ihnen auch ein Erinnerungsvermögen.

3. Dionysius sagt, dass in den bösen Geistern ein widernatürliches Vorstellungsvermögen ist. Das Vorstellungsvermögen aber gehört zur Einbildungskraft. Also gibt es in den bösen Geistern Einbildungskraft, und mit demselben Grund auch in den Engeln, denn sie sind derselben Natur.

ANDERSEITS sagt Gregorius, ,,der Mensch empfindet mit den Tieren und versteht nur den Engeln".

ANTWORT: Ist unserer Seele sind gewisse Kräfte, deren Tätigkeiten durch leibliche Werkzeuge ausgeübt werden, und derartige Kräfte sind Leistungen gewisser Teile des Leibes, wie die Sehkraft im Auge und das Gehör im Ohr. Manche Kräfte unserer Seele aber gibt es, deren Tätigkeiten durch leibliche Werkzeuge nicht au geübt werden, wie der Verstand und der Wille, und solche sind nicht Leistungen irgendwelcher Teile des Leibes. — Die Engel aber haben keine Leiber, welche ihnen von Natur aus geeint wären (51, 1). Darum können ihnen von den Kräften der Seele nur Verstand und Wille zukommen.

Und so sagt auch der Erklärer, dass die ,,stofffreien Wesen nach [der Einteilung von] Verstand und Wille betrachtet werden". — Und das stimmt mit der Ordnung des Alls überein, dass die obersten verständlichen Geschöpfe gänzlich verstehensfähig seien und nicht bloß teilweise wie unsere Seele. — Und darum werden auch die Engel ,Verstände‘ oder ,Geistgründe‘ genannt (Art. 3 Zu 1).

Zu den Einwänden lässt sich doppelt antworten. Einmal, dass jene Beweisstellen der Auffassung jener zufolge sprechen, welche annahmen, dass Engel und böse Geister Leiber haben, die ihnen von Natur aus geeint sind. Dieser Auffassung bedient sich Augustinus öfters in seinen Büchern, wenn er sie auch nicht zu versichern beabsichtigt, weshalb er sagt, ,,dass über diese Untersuchung nicht viel Mühe zu verlieren ist" [vgl. 51, 3 Zu 6].

In anderer Weise lässt sich sagen, dass jene und ähnliche Beweisstellen zu verstehen sind nach einer gewissen Ähnlichkeit. Denn da der Sinn im eigenen Sinnesbereich eine sichere Wahrnehmung hat, so liegt es im Sprachgebrauch, dass man auch auf Grund einer sicheren Wahrnehmung des Verstandes sagt, wir ,,empfinden" etwas. Darum heißt sie auch ,,Sententia". — Erfahrung hingegen kann den Engeln zugeschrieben werden auf Grund der Ähnlichkeit der erkannten Dinge, wenn auch nicht auf Grund der Ähnlichkeit der Erkenntniskraft. Denn bei uns liegt dann Erfahrung vor, wenn wir Einzeldinge durch Sinnesvermögen erkennen. Die Engel aber erkennen zwar die Einzeldinge (57, 2), nicht aber durch ,,ein Sinnesvermögen . Doch kann ein Gedächtnis in den Engeln angenommen werden, insofern es bei Augustinus für den Geistgrund angenommen wird, wenn es ihnen auch nicht zukommen kann, insofern es als Teil der Sinnenseele angenommen wird.— Ähnlich ist zu sagen, dass ein widernatürliches Vorstellungsvermögen bösen Geistern zugeschrieben wird deswegen, weil ihre aufs Tun gerichtete Einschätzung des wahren Guten falsch ist; bei uns aber kommt eine Täuschung im eigentliches Sinne erst zustande auf Grund des Vorstellungsvermögens, durch welches wir bisweilen den Ähnlichkeiten der Dinge anhängen wie den Dingen selbst, wie das bei den Schlafenden und Geistesgestörten offensichtlich ist.

 

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