Die Engellehre anhand der Schriften
der großen Theologen und des kirchlichen Lehramtes

Hl. Thomas von Aquin: Summa Theologiae

Hl. Thomas von Aquin: Summa Contra Gentiles

Die Gesamtheit der Theologie des Hl. Thomas besteht aus mehren Bänden. In der Wirklichkeit sind es fünf  Bände. In der Logik aber hat es der große Theologe in drei unterteilt:
1. Teil: Gottes Schöpfung und sein Wirken in der Schöpfung
2. Teil: Das menschliche Handeln: Dieser Teil ist wiederum unterteilt in 2 Unterteilen:
"1.Teil des 2.Teiles" : Das Wesen des Handelns an sich und
"2. Teil des 2 Teiles" : Die Tugenden, Urquelle des menschlichen Handelns
3. Teil: Gottes Handeln im einst menschlichen Christus und im verklärten Christus, der durch seine Sakramente wirkt. Dieser Teil ist ebenfalls unterteilt in
"3. Teil" und "Ergänzung"

 

 


Seine ganze Theologie hat der Theologe im Stil der einzelnen Fragestellung aufgebaut. Zuerst wird die Frage gestellt, dann  mit Gründen dagegen (1. 2. 3) beantwortet, darauf mit einem weiteren Grund dafür oder dagegen beantwortet (Anderseits), und schließlich mit einer Erörterung, der definiten ANTWORT, behandelt. Danach folgt noch die Entkräftung der nach der Fragestellung gegebenen negativen  Gründe (Zu 1. zu 2. zu 3. ...)

Die Engel finden sich in den  Fragen in der rechten Spalte:

1. Teil:
50. - 64. FRAGE: Die Engelwelt
50. FRAGE: Vom Wesen der Engel überhaupt
51. FRAGE: Das Verhältnis der Engel zu den Körpern
52.  FRAGE: Vom Verhältnis der Engel zum Ort
53.  FRAGE: Von der Ortsbewegung der Engel
54.  FRAGE: Von der Erkenntnis der Engel
55.  FRAGE: Von dem Erkenntnismittel der Engel
56.  FRAGE: Über die Erkenntnis der Engel im Bereich der unstofflichen Dinge
57.  FRAGE: Von der Erkenntnis der Engel hinsichtlich der stofflichen Dinge
58.  FRAGE: Von der Weise des Erkennens der Engel
59.  FRAGE: Vom Willen der Engel
60.  FRAGE: Von der Liebe oder Zuneigung der Engel
61.  FRAGE: Von der Hervorbringung der Engel zum Sein der Natur
62.  FRAGE: Von der Vollendung der Engel im Sein der Gnade und Herrlichkeit
63.  FRAGE: Von der Schlechtheit der Engel in bezug auf ihre Schuld
64.  FRAGE: Von der Strafe der bösen Geister
65. FRAGE, Artikel 3: Sind d. Körperdinge  unter Vermittlung d. Engel hervorgebracht?
65. FRAGE, Artikel  4 :Sind die Wesensformen der Körper von den Engeln?
75. FRAGE, Artikel 7: Ist die Seele von der selben Art wie der Engel?
88. FRAGE, Artikel 1: Kann die menschliche Seele d.  Stofflose durch diese selbst erkennen?
88. FRAGE, Artikel 2: Kann unser Verstand durch Stoffliches das Stofflose  erkennen?
90. FRAGE, Artikel 3: Ob die Vernunftseele unmittelbar von Gott hervorgebracht wurde
93. FRAGE, Artikel 3: Ob d. Engel vollkommener ein Ebenbild Gottes ist als d. Mensch
94. FRAGE, Artikel 2: Ob Adam im Unschuldsstande die Engel in ihrem Wesen geschaut hat
106-114 Von den Engeln in Wirkung auf die Schöpfung
106.  FRAGE: Wie ein Geschöpf das andere bewegt
107.  FRAGE: Von der Sprache der Engel
108.  FRAGE: Von den Stufen der Engel nach Rangfolgen und Chöre
109.  FRAGE: Von den Stufenordnungen der bösen Engel
110.  FRAGE: Das Walten der Engel über die körperliche Schöpfung
111.  FRAGE: Von der Einwirkung der Engel auf den Mensch
112.  FRAGE: Von der Sendung der Engel
113.  FRAGE: Vom Beschützeramt der guten Engel
114.  FRAGE: Von der Anfechtung der bösen Engel
2. Teil
Einzelaspekte der Engel in 1. Teil des 2. Teiles
3. FRAGE,  Artikel 7: Ob uns die Erkenntnis der Engel glücklich macht?
89. FRAGE,  Artikel 4: Ob ein guter oder schlechte Engel leicht sündigen kann?
98. FRAGE,  Artikel 3: Wurde das Alte Gesetz durch Engel gegeben?
Einzelaspekte der Engel in 2. Teil des 2. Teiles
5. FRAGE,  Artikel 1: Hatten Engel und Mensch in ihrer ursprünglichen Seinsweise Glauben?
5. FRAGE,  Artikel 2: Ist in den gefallenen Engeln (noch) Glaube?
25. FRAGE,  Artikel 10: Müssen wir die Engel aus der heiligen Liebe lieben?
25. FRAGE,  Artikel 11: Müssen wir die Dämonen aus heiliger Liebe lieben?
172. FRAGE,  Artikel 2: Ergeht die prophetische Offenbarung durch Engel?
3. Teil
Einzelaspekte der Engel in 3. Teil
8. FRAGE,  Artikel 4: Ist Christus als Mensch das Haupt der Engel?
11. FRAGE,  Artikel 4: War das eingegossene Wissen Christi geringer als das der Engel?
12 FRAGE,  Artikel 4: Hat Christus von den Engeln Wissen empfangen?
30. FRAGE,  Artikel 2: Musste der Maria die Botschaft durch einen Engel gebracht werden?
30. FRAGE,  Artikel 3: Musste der Engel bei der Verkündigung an Maria  sichtbar erscheinen?
36. FRAGE,  Artikel 5: Musste die Geburt Christi durch den Engel und den Stern verkündet w.?
59. FRAGE,  Artikel 5: Erstreckt sich die richterliche Gewalt Christi auf die Engel?
64. FRAGE,  Artikel 7: Können die Engel Sakramente spenden?
80. FRAGE,  Artikel 2: Kann nur der Mensch oder können auch die Engel dieses Sakrament geistig empfangen?
Einzelaspekte der Engel in  Ergänzung
16. FRAGE,  Artikel 3: Ist der Engel, der gute oder böse, für die Buße empfänglich?
76. FRAGE,  Artikel 2: Werden die Engel auf irgendeine Weise zur Auferstehung beitragen?
89. FRAGE,  Artikel 3: Müssen die Engel richten?
89. FRAGE,  Artikel 4: Vollstrecken die Dämonen ihr  Gerichtsurteil an den Verdammten?
95. FRAGE,  Artikel 4: Besitzen die Engel Brautgaben?
96. FRAGE,  Artikel 9: Gebührt den Engeln ein Siegeszeichen?
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aller Fragen: Sum. Theol.

 

ERSTER TEIL

106. FRAGE

WIE EIN GESCHÖPF DAS ANDERE BEWEGT

Hierauf betrachten wir, wie ein Geschöpf das andere bewegt. Diese Betrachtung wird dreigeteilt sein: Zuerst betrachten wir, wie die Engel bewegen, die rein geistige Geschöpfe sind [Fr. 100-114]; zweitens, wie die Körper bewegen [Fr. 115 u. 116]; drittens, wie die Menschen, die aus der geistigen und körperlichen Natur zusammengesetzt sind [Fr. 117-119].

Zum Ersten sind drei Dinge zu betrachten: erstens, wie ein Engel auf einen andern Engel einwirkt; zweitens, wie er auf die körperliche Schöpfung einwirkt [Fr. 110]; drittens, wie er auf die Menschen einwirkt [Fr. 11l-114].

Zum Ersten ist eine Betrachtung anzustellen über Erleuchtung [Fr. 106] und Sprache der Engel [Fr. 107], über ihre Ordnung zueinander, sowohl der guten [Fr. 108] wie der bösen Engel [Fr. 109].

Bezüglich der Erleuchtung ergeben sich vier Einzelfragen:
1. Bewegt ein Engel den Verstand des andern Engels durch Erleuchtung?
2. Bewegt ein Engel den Willen des anderen?
3. Kann ein niederer Engel einen höheren erleuchten?
4. Erleuchtet der höhere Engel den niederen über alles, was er erkennt?

1. ARTIKEL

Erleuchtet ein Engel den andern?

1. Die Engel besitzen schon jetzt dieselbe Seligkeit, die wir für die Zukunft erwarten. Dann aber wird kein Mensch den andern erleuchten, Jer 31, 34: ,,Nicht mehr wird einer fortan seinen Nächsten oder seinen Bruder lehren." Also erleuchtet auch jetzt kein Engel den andern.

2. Ein dreifaches Licht ist in den Engeln, das Licht der Natur, der Gnade und der Herrlichkeit. Der Engel aber wird erleuchtet durch das Licht der Natur vom Erschaffenden, durch das Licht der Gnade vom Rechtfertigenden, durch das Licht der Herrlichkeit vom Beseligenden, und das alles ist Gottes. Also erleuchtet kein Engel den andern.

3. Das Licht ist eine Art Form des Geistes. Der vernunftbegabte Geist aber ,,wird von Gott allein geformt, ohne Dazwischentreten eines Geschöpfes" (Augustinus). Also erleuchtet ein Engel nicht den Geist des andern.

ANDERSEITS sagt Dionysius: ,,Die Engel der zweiten Rangstufe werden gereinigt und erleuchtet und vervollkommnet durch die Engel der ersten Rangstufe."

ANTWORT: Ein Engel erleuchtet den andern. Zum Verständnis dessen ist zu bedenken, dass das Licht, sofern es dem Verstande zugehört, nichts anderes ist als eine Art Offenbarung der Wahrheit, nach Eph 5, 13: "Alles, was offenbar gemacht wird, ist Licht." Darum ,heißt erleuchten‘ nichts anderes als ,die 0ffenbarung der erkannten Wahrheit einem andern übermitteln‘; in diesem Sinn sagt der Apostel Eph 3, 8: ,,Mir, dem Geringsten aller Heiligen, ist diese Gnade verliehen worden, [darüber] zu erleuchten, welches da sei die Ordnung des Geheimnisses, das von Urzeiten an in Gott verborgen war". So sagt man also, ein Engel erleuchtet den andern, insofern er ihm eine Wahrheit offenbart, die er selbst erkennt. Darum sagt Dionysius: ,,Die Gottesgelehrten zeigen offenkundig, dass die glänzenden Scharen der himmlischen Wesen von den höchsten Geistern in den vergöttlichenden Wissenschaften unterrichtet werden."

Da aber zum Erkennen zwei Dinge zusammenwirken: die erkennende Kraft und die Ähnlichkeit des erkannten Dinges (105, 3), so kann in dieser zweifachen Beziehung ein Engel dem andern die von ihm erkannte Wahrheit zur Kenntnis bringen.
*Erstens, indem er dessen Erkenntniskraft stärkt. Gleichwie nämlich die Kraft eines unvollkommneren Körpers gestärkt wird aus der räumlichen Nähe eines vollkommneren Körpers, wie zum Beispiel das weniger Warme an Wärme zunimmt wegen der Nähe eines Wärmeren, so wird die Erkenntniskraft eines niederen Engels gestärkt durch die Hinwendung eines höheren Engels zu ihm. Dasselbe bewirkt nämlich in der Welt der Geister die Ordnung der Hinwendung, was in der Körperwelt die Ordnung der räumlichen Nähe bewirkt.
*Zweitens offenbart ein Engel dem andern die Wahrheit, ausgehend von einem Ähnlichkeitsbilde des erkannten Gegenstandes. Denn der höhere Engel nimmt die Kenntnis der Wahrheit auf in einem umfassenden Begriff, zu dessen Erfassung der Verstand des niederen Engels nicht ausreichen würde; diesem ist es vielmehr natürlich, die Wahrheit in Einzelerkenntnissen zu gewinnen. Der höhere Engel also zerlegt in gewisser Weise die Wahrheit, die er umfassend erkennt, damit sie vom niederen aufgenommen werden kann, und so legt er sie diesem zur Kenntnis vor. Wie auch bei uns die Lehrer das, was sie im großen Zusammenhang erfassen, auf vielfache Weise auseinander falten und: so der Fassungskraft der andern Rechnung tragen. Das deutet Dionysius an mit den Worten: ,,Ein jedes geistige Selbstandwesen zerteilt die ihm von einem gottähnlicheren geschenkte einfache Erkenntnis in umsichtiger Kraft und vervielfacht sie so, dass sich ein Sinnverwandtes ergibt, welches den Niederen aufwärts führt."

Zu 1. Alle Engel, sowohl die höheren wie die niederen, schauen unmittelbar Gottes Wesenheit. Und in Bezug darauf belehrt keiner den andern. Von dieser Lehre nämlich spricht Jeremias. Darum sagt er [ebd.]: ,,Nicht mehr wird fortan jemand seinen Bruder belehren und sagen: Erkenne den Herrn! Denn alle werden Mich erkennen, vom Kleinsten unter ihnen bis zum Größten." Die Wesensbilder der göttlichen Werke aber, die in Gott wie in der Ursache erkannt werden, erkennt Gott alle in sich selbst, weil Er sich selbst umfassend begreift; von den Gott schauenden Geschöpfen jedoch erkennt ein jedes in Gott um so zahlreichere Wesensbilder, je vollkommener es Ihn schaut. Darum erkennt der höhere Engel mehr in Gott von den Wesensbildern der göttlichen Werke als ein niederer Engel, und darüber erleuchtet er diesen. Und das ist es, was Dionysius meint: ,,Die Engel werden erleuchtet über die Wesensbilder alles Seienden."

Zu 2. Ein Engel erleuchtet den andern nicht dadurch, dass er ihm das Licht der Natur oder der Gnade oder der Herrlichkeit vermittelt, sondern indem er dessen natürliches Licht stärkt und ihm die Wahrheit offenbart über das, was zum Stand der Natur, der Gnade und der Herrlichkeit gehört (Antw.).

Zu 3. Der vernunftbegabte Geist wird unmittelbar von Gott geformt, sei es wie ein Nachbild vom Urbild, weil er nach keinem andern Bild als nach dem Bilde Gottes geschaffen ist; sei es wie das Erkennende von seiner letzten vollendenden Form, weil der geschaffene Geist immer als formlos anzusehen ist, solange er nicht der ersten Wahrheit selbst anhängt. Die anderen Erleuchtungen aber, welche von einem Menschen oder Engel kommen, sind gleichsam Ausrichtungen auf die letzte Form.

2. ARTIKEL

Kann ein Engel den Willen eine andern bewegen?

1. Wie, Dionysius zufolge, ein ,Engel den andern erleuchtet, so reinigt und vervollkommnet er ihn auch, wie aus der oben (Art. 1, Anderseits) angeführten Stelle hervorgeht. Reinigung und Vervollkommnung aber scheinen sich auf den Willen zu beziehen; denn ,Reinigung‘ scheint ein Freiwerden von den Makeln der Schuld zu sein, die den Willen trifft, und ,Vervollkommnung‘ scheint sich zu ergeben aus der Erreichung des Zieles, das Gegenstand des Willens ist. Also kann ein Engel den Willen eines andern bewegen.

2. Dionysius sagt: ,,Die Namen der Engel bezeichnen ihre Eigenschaften." Die Seraphim aber heißen ,Entzündende‘ oder ,Glutbringende‘, und das geschieht durch Liebe, die dem Willen zugehört. Also bewegt ein Engel den Willen des andern.

Der Philosoph sagt, dass das höhere Strebevermögen das niedere bewegt. Wie aber der Verstand des höheren Engels höher ist, so auch sein Strebevermögen. Also scheint es, dass der höhere Engel den Willen eines andern Engels beeinflussen kann.

ANDERSEITS: Dem steht es zu, den Willen zu beeinflussen, dem es zusteht, zu rechtfertigen, denn die Gerechtigkeit ist die Rechtheit des Willens. Gott allein aber ist es, der rechtfertigt. Also kann ein Engel nicht den Willen des andern beeinflussen.

ANTWORT: Wie schon oben (105, 4) gesagt, wird der Wille auf doppelte Weise beeinflusst: Einmal von Seiten des Gegenstandes, sodann von Seiten des Vermögens selbst. Von Seiten des Gegenstandes bewegt einmal das Gute selbst, das Gegenstand des Willens ist, den Willen, wie das Erstrebbare das Strebevermögen bewegt; dann auch jener, der den Gegenstand zeigt, wer z. B. zeigt, dass irgend etwas ein Gut ist. Wie aber oben (105, 4) gesagt, bewegen zwar die anderen Güter irgendwie den Willen, aber nichts bewegt ausreichend den Willen, außer das Gut insgesamt, das Gott ist. Und dieses Gut zeigt allein Er selbst, so dass Er durch Seine Wesenheit von den Seligen geschaut wird; Er, der dem Moses, welcher sagte: ,,Zeige mir Deine Herrlichkeit", antwortete: ,,Ich will dir alles Gut zeigen" (Ex 33, 18 f.). Der Engel bewegt den Willen also nicht ausreichend, weder als Gegenstand noch als Weiser des Gegenstandes, sondern er neigt, wie ein liebewertes Gut, den Willen und wie einer, der die geschaffenen Güter, die auf Gott hingeordnet sind, offenbart. Und dadurch kann er zur Liebe der Geschöpfe oder Gottes hinneigen wie einer, der einen freundlichen Rat gibt.

Von Seiten des Vermögens selbst aber kann der Wille in keiner Weise bewegt werden außer von Gott. Denn die Tätigkeit des Willens ist eine Art Hinneigung des Wollenden zum Gewollten. Diese Hinneigung aber kann nur jener beeinflussen, der dem Geschöpf die Kraft zu wollen verliehen hat, wie auch allein jene Wirkursache die natürliche Hinneigung beeinflussen kann, welche imstande ist, die Kraft zu verleihen, auf die eine natürliche Hinneigung folgt. Es ist aber Gott allein, der dem Geschöpf das Vermögen verliehen hat zu wollen, denn Er allein ist der Urheber der geistigen Natur. Darum kann ein Engel den Willen eines andern nicht bewegen.

Zu 1. Nach der Art und Weise der Erleuchtung ist auch die Reinigung und Vervollkommnung aufzufassen. Und weil Gott erleuchtet, indem Er Verstand und Willen beeinflusst, darum reinigt Er von den Mängeln des Verstandes und des Willens und vervollkommnet Verstand und Willen in Richtung auf ihr Ziel hin. Die Erleuchtung des Engels aber wird [nur] auf den Verstand bezogen (Art. 1). Und darum wird auch die vom Engel vorgenommene Reinigung aufgefasst als Reinigung von der Unvollkommenheit des Verstandes, die im Nichtwissen besteht; die Vervollkommnung jedoch ist Vollendung in Richtung auf das Ziel des Verstandes, das die erkannte Wahrheit ist. Und so sagt Dionysius: ,,In der himmlischen Rangstufenordnung erfolgt die Läuterung in den nächstniederen Wesenheiten als eine Erleuchtung über Unbekanntes, die zu einem vollkommneren Wissen führt." So sagen wir, der Gesichtssinn des Leibes werde gereinigt, sofern die Dunkelheit verscheucht wird; erleuchtet, sofern er mit Licht durchflutet wird; vervollkommnet, sofern er zur Erkenntnis des Farbigen gelangt.

Zu 2. Ein Engel kann den andern zur Liebe Gottes führen, wie einer, der einen freundlichen Rat gibt (Antw.).

Zu 3. Der Philosoph spricht vom niederen sinnlichen Strebevermögen, das vom höheren geistigen Strebevermögen bewegt werden kann, weil es derselben Seelennatur angehört und weil das niedere Strebevermögen eine Kraft in einem leiblichen Lebenswerkzeug ist. Das ist bei den Engeln nicht der Fall.

3. ARTIKEL

Kann der niedere Engel den höheren erleuchten?

1. Die kirchliche Rangstufenordnung ist eine Ableitung und Darstellung der himmlischen, darum heißt auch das himmlische Jerusalem ,,unsere Mutter" [Gal 4, 26]. In der Kirche aber werden auch die Höheren von den Niederen erleuchtet und belehrt; 1 Kor 14, 31; ,,Ihr könnt alle nacheinander weissagen, damit alle lernen und alle ermahnt werden." Also können auch in der himmlischen Stufenordnung die Höheren von den Niederen erleuchtet werden.

2. Wie die Ordnung der körperlichen Wesen vom Willen Gottes abhängt, so auch die .Ordnung der geistigen Wesen. Gott aber ist bisweilen tätig vorbei an der Ordnung der körperlichen Wesen (105, 6). Also ist Er bisweilen auch tätig vorbei an der Ordnung der geistigen Wesen, indem Er die niederen erleuchtet ohne Vermittlung der nächsthöheren. So können also die niederen von Gott erleuchteten Engel die höheren erleuchten.

3. Ein Engel erleuchtet den andern, dem er sich zuwendet (Art 1). Da er aber in dieser Hinwendung frei ist, kann der höchste Engel sich dem niedersten zuwenden ohne die Vermittlung der dazwischenstehenden. Also kann er ihn unmittelbar erleuchten, und so kann dieser wieder die höheren erleuchten.

ANDERSEITS sagt Dionysius: ,Das ist ein unumstößlich festes Gesetz der Gottheit, dass das Niedere zu Gott zurückgeführt werde durch das Höhere!‘

ANTWORT: Die niederen Engel erleuchten niemals die höheren, sondern werden immer von diesen erleuchtet. Der Grund hierfür liegt darin, dass eine Ordnung der andern unterstellt ist wie eine Ursache der andern (105, 6). Wie also eine Ursache auf die andere hingeordnet ist, so die eine Ordnung auf die andere. Und darum ist es nicht sinnlos, wenn bisweilen etwas geschieht vorbei an der Ordnung der niedern Ursache mit Hinordnung auf die höhere Ursache; so wird in den menschlichen Angelegenheiten der Befehl des Statthalters übergangen, um dem Fürsten zu gehorchen. Und so kommt es, dass Gott vorbei an der Ordnung der körperlichen Natur in wunderbarer Weise etwas wirkt, um die Menschen zu Seiner Erkenntnis hinzuführen. Die Übergehung aber jener Ordnung, die den geistigen Wesen gebührt, gehört in keiner Weise zur Hinführung der Menschen zu Gott, denn die Tätigkeiten der Engel sind uns nicht offenbar wie die Tätigkeiten der sichtbaren Körper. Darum wird die Ordnung, die den geistigen Wesen zukommt von Gott nicht übergangen, so dass immer das Niedere durch das Höhere bewegt wird, und nicht umgekehrt.

Zu 1. Die kirchliche Rangstufenordnung ist eine gewisse Nachahmung der himmlischen, sie kommt aber dieser Ähnlichkeit nicht vollkommen nahe. Denn in der himmlischen Stufenordnung stammt das ganze Ordnungsgesetz aus der Annäherung an Gott. Darum sind diejenigen, die Gott näher sind, auch im Rang höher und im Wissen leuchtender, und darum werden die Höheren nie von den Niederen erleuchtet. In der kirchlichen Rangstufenordnung aber sind bisweilen diejenigen, die Gott in der Heiligkeit am nächsten sind, im Rang die untersten und im Wissen nicht ausgezeichnet; und andere ragen im einen Wissensgebiete hervor und versagen im anderen. Und darum können die Höheren von den Niederen Belehrung empfangen.

Zu 2. Wenn Gott etwas wirkt vorbei an der Ordnung der körperlichen Natur oder vorbei an der Ordnung der geistigen Natur, so ist das nicht dasselbe (Antw.). Darum gilt der Grund nicht.

Zu 3. Der Engel wendet sich durch seinen Willen hin zu einem andern, den er erleuchten will; der Wille des Engels aber wird immer geregelt durch das göttliche Gesetz, das die Ordnung der Engelwelt begründet hat.

4. ARTIKEL

Erleuchtet der höhere Engel den niederen über alles, was ihm bekannt ist?

1. Dionysius sagt, dass die höheren Engel ein umfassenderes Wissen haben, die niederen dagegen ein mehr besondertes und untergeordnetes. Nun aber ist im umfassenderen Wissen mehr enthalten als im besonderten. Also erkennen die niederen Engel durch die Erleuchtung von Seiten der höheren nicht alles, was die höheren Engel wissen.

2. Der Meister (Petrus Lombardus) sagt, dass die höheren Engel seit Urbeginn das Geheimnis der Menschwerdung erkannt haben; dass es den niedern aber unbekannt blieb, bis es sich erfüllt hatte. Wie Dionysius ausführt, scheint das enthalten zu sein in der Antwort, welche auf die Frage einiger, gleichsam unwissender Engel: ,,Wer ist jener König der Herrlichkeit?", andere, gleichsam wissende, geben: ,,der Herr der Heerscharen, Er ist der König der Herrlichkeit" [Ps 24 (23)]. Das aber wäre nicht der Fall, wenn die höheren Engel die niederen über alles erleuchteten; was sie selbst erkennen. Also erleuchten sie diese nicht über alles, was ihnen selbst bekannt ist.

3. Wenn die höheren Engel den niederen alles mitteilen, was sie erkennen, so bleibt den niederen nichts verborgen von dem, was die höheren erkennen. Also werden die höheren Engel in Zukunft die niederen nicht mehr erleuchten können. Das scheint sinnwidrig. Also erleuchten die höheren Engel die niederen nicht über alles.

ANDERSEITS sagt Gregor: ,,In jenem himmlischen Vaterlande besitzt keiner etwas für sich allein, wiewohl einige Gaben in auszeichnender Weise verliehen sind."

Und Dionysius sagt: ,,Eine jede himmlische Wesenheit, die ihr von einer höheren geschenkte Erkenntnis der niederen mit", wie aus der oben (Art. 1, Antw.) angeführten Stelle hervorgeht.

ANTWORT: Alle Geschöpfe nehmen so an der göttlichen Gutheit teil, dass sie das Gute, das sie haben, an andere weiter verströmen, denn es gehört zum Wesen des Guten, dass es sich anderen mitteilt. Und daher kommt es dass die körperlichen Wirkursachen ihre Ähnlichkeit an andere übertragen, soweit dies möglich ist. Je mehr also irgendwelche wirkende Wesen dazu berufen sind, an der göttlichen Gutheit teilzunehmen, um so mehr drängen sie dazu, Ihre Vollkommenheiten ,auf andere hinüberströmen zu lassen, soweit dies möglich ist. Darum ermahnt der heilige Petrus (1 Petr 4, 10) diejenigen, die an der göttlichen Gutheit durch Gnade teilhaben: ,,Dienet einander, ein jeder mit der Gnadengabe, wie er sie empfangen hat, als treuer Verwalter der vielgestaltigen Gnaden Gottes." Um soviel mehr lassen die heiligen Engel, die überschwänglich an der göttlichen Gutheit teilhaben, was immer sie von Gott empfangen, den ihnen Unterstellten zugute kommen. — Doch empfangen die niederen dies nicht in so erhabener Weise, wie es in den höheren verwirklicht ist. Und darum verbleiben die höheren stets in der höheren Ordnung und behalten ihre höhere Wissenschaft. Wie auch der Meister ein und dieselbe Sache umfassender erkennt als der Schüler, der von ihm lernt.

Zu 1. Das Wissen der höheren Engel heißt- umfassen der in Bezug auf die erhabenere Weise der Erkenntnis.

Zu 2. Das Wort des Meisters ist nicht so zu verstehen als ob die niederen Engel das Geheimnis der Menschwerdung überhaupt nicht gekannt hätten, sondern, dass sie es nicht so voll erkannten wie die höheren Engel, und dass sie in dieser Erkenntnis später Fortschritte machten, als das Geheimnis sich erfüllte.

Zu 3. Bis zum Tage des Gerichtes werden den höheren Engeln immerfort neue Erkenntnisse von Gott geoffenbart über das, was die Lenkung der Welt angeht und hauptsächlich das Heil der Erwählten. Darum bleibt immer noch etwas, worüber die höheren Engel die niederen erleuchten können.

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107. FRAGE

VON DER SPRACHE DER ENGEL

Hierauf ist eine Betrachtung anzustellen über die Sprache der Engel. Dazu ergeben sich fünf Einzelfragen:
1. Spricht ein Engel mit dem andern?
2. Spricht ein niederer Engel mit einem höheren?
3. Spricht der Engel mit Gott?
4. Hat der örtliche Abstand etwas zu bedeuten beim Sprechen des Engels?
5. Erkennen alle Engel das Gespräch eines Engels mit dem anderen?

1. ARTIKEL

Spricht ein Engel mit dem andern?

1. Gregor sagt, dass im Zustand der Auferstehung ,,die Leiblichkeit der Glieder den Geist eines jeden nicht vor den Augen des andern verbirgt". Um soviel weniger ist der Geist eines Engels vor den andern verborgen. Nun ist aber die Sprache dazu da, einem andern zu offenbaren, was im Geiste verborgen ruht. Also ist es nicht notwendig, dass ein Engel mit dem andern spricht.

2. Es gibt eine doppelte Sprache, die innere, der zufolge jemand mit sich selbst spricht, und die äußere, der zufolge jemand mit einem andern spricht. Das äußere Sprechen erfolgt durch irgendein sinnenhaftes Zeichen, z. B. durch die Stimme oder durch Winken oder durch ein Glied des Körpers, z. B. Zunge oder Finger. Das alles kann auf die Engel nicht zutreffen. Also spricht ein Engel nicht mit dem andern.

3. Wer spricht, veranlasst den Hörenden, auf sein Sprechen acht zu haben. Man sieht aber nicht, wodurch ein Engel den andern zum Aufmerken veranlassen könnte. Denn das geschieht bei uns durch irgendein sinnenhaftes Zeichen. Also spricht ein Engel nicht zum andern.

ANDERSEITS heißt es im ersten Brief an die Korinther 13, 1: ,,Wenn ich mit den Zungen der Menschen und Engel spräche..

ANTWORT: Bei den Engeln gibt es eine Art Sprache; doch ist es, wie Gregor sagt, ,,angemessen, dass unser Geist über die Art und Weise körperlichen Sprechens sich hinausschwinge und bei den erhabenen und unbekannten Weisen des inneren Sprechens verweile". Um daher zu verstehen, wie ein Engel mit dem andern spricht, ist zu bedenken, dass der Wille — wie oben (82, 4) gesagt, als von den Tätigkeiten und Kräften der Seele die Rede war — den Verstand zu seiner Tätigkeit bewegt. Das Verstellbare aber ist im Verstande auf dreifache Weise:
einmal dem Gehaben oder dem Gedächtnis nach, wie Augustinus sagt;
zweitens als im Vollzug betrachtet und erfasst;
drittens als auf ein anderes bezogen. Es ist nun offensichtlich, dass das Verstehbare von der ersten in die zweite Stufe übergeführt wird auf Geheiß des Willens; darum wird bei der Begriffsbestimmung des Gehabens gesagt: ,,Wessen sich jemand bedient, wann er wil1." Desgleichen wird es von der zweiten Stufe zur dritten überführt durch den Willen, denn durch den Willen wird der Gedanke des Geistes auf ein anderes hingeordnet, z. B. um etwas zu tun oder einem andern kundzutun. — Wenn sich nun der Geist dazu hinwendet, das im Vollzug zu betrachten, was er im Gehaben besitzt, dann spricht er mit sich selbst, denn gerade der Gedanke des Geistes wird ,inneres Wort‘ genannt. Dadurch aber, dass der Gedanke im Geiste des Engels durch dessen Willen zur Offenbarung an einen andern bestimmt wird, wird das geistige Wort des einen Engels dem andern bekannt, und so spricht ein Engel zum andern. Denn zu einem andern sprechen ist nichts anderes als: das Wort des Geistes dem andern kundtun.

Zu 1. Bei uns wird das innere geistige Wort gleichsam durch ein doppeltes Hindernis verschlossen gehalten. Erstens durch den Willen selbst, der den Gedanken des Verstandes im Inneren zurückhalten oder nach außen wenden kann. Und so kann niemand den Geist eines andern sehen als Gott allein; 1 Kor 2, 11: ,,Was im Menschen ist, weiß niemand als der Geist des Menschen, der in ihm ist." — Zweiten s wird der Geist eines Menschen verschlossen gehalten vor einem andern Menschen durch die Grobstofflichkeit des Körpers. Wenn darum auch der Wille ein geistiges Wort zur Offenbarung für einen andern bestimmt, so wird dieses nicht sogleich vom andern erkannt, sondern er muss irgendein sinnenhaftes Zeichen anwenden. Und das meint Gregor, wenn er sagt: "Für fremde Augen stehen wir innerhalb des Geheimnisses des Geistes, gleichsam hinter der Wand des Körpers; wenn wir uns aber offenbaren wollen, schreiten wir gleichsam durch die Pforte der Zunge [= Sprache] hinaus, um, was wir innerlich sind, zu zeigen." Dieses Hindernis nun besteht beim Engel nicht. Sobald darum der eine seinen Gedanken offenbaren will, sofort gelangt der andere zu dessen Kenntnis.

Zu 2. Das äußere Sprechen, das mit der Stimme geschieht, ist für uns notwendig wegen des Hindernisses des Körpers. Darum kommt dies dem Engel nicht zu, sondern nur das innere Sprechen; dazu gehört nicht nur die innere Geburt des Wortes im Sprechen mit sich selbst, sondern auch die Hinordnung [dieses Wortes] durch den Willen zur Offenbarung an einen andern. So aufgefasst, wird in übertragenem Sinne die Kraft des Engels, wodurch er seinen Gedanken offenbart, ,,Zunge der Engel" genannt,

Zu 3. Was die guten Engel angeht, die sich immerfort gegenseitig im WORTE schauen, wäre es nicht nötig, ein Zeichen zum Aufmerken zu geben; denn ebenso wie der eine immer den andern sieht, so sieht er auch stets, was immer im andern auf ihn selbst hingeordnet ist. Weil sie aber auch im ursprünglichen Stande der Natur miteinander sprechen konnten, und weil die schlechten Engel auch jetzt miteinander sprechen, muss man sagen, dass, wie der Sinn vom Sinnfälligen, so auch der Verstand vom Verstehbaren bewegt wird. Wie also durch ein sinnfälliges Zeichen der Sinn zum Aufmerken veranlasst wird, so kann auch durch eine geistige Kraft der Geist des Engels zum Aufmerken veranlasst werden.

2. ARTIKEL

Spricht der niedere Engel mit dem höheren?

1. Zu 1 Kor 13, 1: ,,Wenn ich mit den Zungen der Menschen und Engel spräche" sagt die Glosse, die Sprache der Engel bestehe in Erleuchtungen, wodurch die höheren die niederen erleuchten. Die niederen aber erleuchten niemals die höheren (106, 3). Also können die niederen mit den höheren auch nicht sprechen.

2. ,Erleuchten‘ ist nichts anderes als: das, was einem offenkundig ist, einem andern offenbaren (106, 1). Das aber ist dasselbe wie ,sprechen‘. Also ist ,sprechen‘ und ,erleuchten‘ dasselbe, und so gilt dasselbe wie vorhin.

3. Gregor sagt: ,,Gott spricht zu den Engeln dadurch, dass Er ihren Herzen Seine unsichtbaren Verborgenheiten zeigt." Eben das aber ist ,erleuchten‘. Also ist alles Sprechen Gottes ein Erleuchten. Aus dem gleichen Grund ist jedes Sprechen des Engels ein Erleuchten. Also kann der niedere Engel in keiner Weise mit dem höheren sprechen.

ANDERSEITS haben nach der Auslegung von Dionysius die niederen Engel zu den höheren gesagt: ,,Wer ist jener König der Herrlichkeit?"

ANTWORT: Die niederen Engel können mit den höheren Engeln sprechen. Zum Verständnis dessen ist zu bedenken, dass jedes Erleuchten ein Sprechen ist, nicht aber jedes Sprechen ein Erleuchten. Denn das Sprechen eines Engels mit einem andern Engel heißt nichts anderes als seinen Gedanken durch den eigenen Willen darauf hinordnen, dass er den andern kund werde (107, 1). Das aber, was im Geist empfangen wird, kann auf einen doppelten Ursprung zurückgeführt werden, auf Gott selbst, der die Urwahrheit ist, und auf den Willen des Erkennenden, durch den wir etwas im Vollzug überdenken [Art. 1].

Weil nun die Wahrheit das Licht des Verstandes und die Regel aller Wahrheit Gott selbst ist, darum ist die Offenbarung dessen, was im Geist empfangen wird, insofern es von der Urwahrheit abhängt, sowohl Sprache als Erleuchtung zum Beispiel, wenn ein Mensch einem anderen sagt: Der Himmel ist von Gott erschaffen, oder: Der Mensch ist ein Sinnenwesen. Dagegen kann die Offenbarung dessen, was vom Willen des Erkennenden abhängt, nicht Erleuchtung genannt werden, sondern bloß Sprache; zum Beispiel, wenn einer zum andern sagt: Ich will dies lernen, ich will dies oder jenes tun. Der Grund dafür liegt darin, dass der geschaffene Wille nicht Licht, noch Richtschnur der Wahrheit ist, sondern [nur] teilhat am Lichte. Darum ist die Mitteilung dessen, was vom geschaffenen Willen stammt, sofern er ein geschaffener Wille ist, keine Erleuchtung. Denn es bedeutet keine Vervollkommnung meines Verstandes, zu wissen, was du willst oder erkennst, sondern bloß, was die Sache sagt.

Es ist nun offensichtlich, dass die Engel höhere und niedere heißen im Vergleich zu dem Ursprung, der Gott ist. Darum wird die Erleuchtung, welche von den Ursprung abhängt, der Gott ist, ausschließlich durch die höheren Engel zu den niederen weitergeleitet. In Bezug auf den Ursprung dagegen, welcher der geschaffene Wille ist, ist der Wollende selbst Erster und Höchster. Und darum wird die Offenbarung dessen, was den Willen betrifft, von dem Wollenden selbst weitergeleitet zu irgendwelchen andern. Und in Bezug darauf sprechen sowohl die Höheren mit den Niederen wie auch die Niederen mit den Höheren.

Daraus ergibt sich die Lösung Zu 1. und Zu 2.

Zu 3. Jedes Sprechen Gottes mit den Engeln ist eine Erleuchtung; denn da Gott die Richtschnur der Wahrheit ist, gehört das Wissen um das, was Gott will, zur Vervollkommnung und Erleuchtung des geschaffenen Geistes. Das gilt aber nicht vom Willen des Engels (Antw.).

3. ARTIKEL

Spricht der Engel mit Gott?

1. Die Sprache dient dazu, einem andern etwas zu offenbaren; der Engel aber kann Gott, der alles weiß, nichts offenbaren. Also spricht der Engel nicht mit Gott.

2. Sprechen heißt: ein geistiges Wort auf einen andern hinordnen (Art. 1). Der Engel aber wendet immerfort das Wort seines Geistes auf Gott hin. Wenn er also überhaupt mit Gott spricht, dann spricht er immer mit Gott, was dem einen oder anderen unrichtig scheinen könnte, da bisweilen der Engel mit einem Engel spricht. Es scheint also, dass der Engel nie mit Gott spricht.

ANDERSEITS heißt es Zach 1, 12: ,,Der Engel des Herrn antwortete und sprach: Herr der Heerscharen, wie lange noch wirst Du Dich Jerusalems nicht erbarmen?" Also spricht der Engel mit Gott.

ANTWORT: Das Sprechen des Engels erfolgt dadurch, dass ein Gedanke [= Wort] des Geistes auf einen andern hin geordnet wird (Art. 1 u. 2). Es kann nun etwas auf zweifache Weise auf ein anderes hingeordnet werden. Einmal so, dass es dem andern etwas mitteilt; so ist in den Naturdingen das Wirkmächtige auf das Empfangsfähige hingeordnet und in der menschlichen Sprache der Lehrer auf den Schüler. Und was das angeht, spricht der Engel in keiner Weise mit Gott, weder über das, was auf die Wahrheit, noch über das, was auf den geschaffenen Willen Bezug hat, weil Gott aller Wahrheit und alles Willens Ursprung und Schöpfer ist. — Sodann wird etwas auf ein anderes hingeordnet, um von ihm etwas zu empfangen, wie in den Naturdingen das Empfangsfähige hingeordnet ist auf das Wirkmächtige, und in der menschlichen Sprache der Schüler auf den Lehrer. Und auf diese Weise spricht der Engel mit Gott, indem er entweder den göttlichen Willen befragt über das, was zu tun ist, oder dessen Erhabenheit bewundert, die er niemals umfassend begreifen wird. In diesem Sinne sagt Gregor: ,,Die Engel sprechen mit Gott, indem sie sich über das, was sie in Sie selbst schauen, zu staunender Bewunderung [Gottes] emporschwingen."

Zu 1. Die Sprache ist nicht immer dazu da, einem andern etwas zu offenbaren, sondern wird bisweilen im Endergebnis darauf hingeordnet, dein Sprechendem selbst etwas zu offenbaren, so, wenn der Schüler vom Meister etwas erfragt.

Zu 2. Die Gespräche der Engel mit Gott, in welchen sie Ihn loben und bewundern, dauern ununterbrochen. In Gesprächen jedoch, in welchen sie Seine Wesenheit befragen über das, was zu tun ist, reden sie nur dann mit Ihm, wenn ein neuer Auftrag ihnen zur Ausführung gegeben wird, worüber sie eine Erleuchtung wünschen.

4. ARTIKEL

Hat räumliche Entfernung beim Sprechen der Engel etwas zu besagen?

1. Johannes von Damaskus sagt: ,,Wo der Engel ist, da wirkt er." Sprechen aber ist ein Wirken des Engels. Da nun der Engel an einem bestimmt umgrenzten Ort ist, scheint es, dass der Engel sich [nur] auf eine bestimmte Entfernung vernehmlich machen kann.

2. Das laute Rufen eines Sprechenden geschieht wagen der Entfernung des Hörenden. Jes 6, 3 heißt es aber von den Seraphim: ,,Einer rief zum andern hinüber." Also scheint es, dass die räumliche Entfernung beim Sprechen der Engel etwas zu besagen hat.

ANDERSEITS sprach, nach Lk 16, 24, der in die Hölle verschollene Reiche mit Abraham, ungehindert durch die räumliche Entfernung. Um so weniger kann also die räumliche Entfernung das Sprechen eines Engels mit dem andern behindern.

ANTWORT: Das Sprechen des Engels besteht in einer geistigen Tätigkeit (107, 1-3). Die geistige Tätigkeit das Engels aber ist gänzlich unabhängig von Raum und Zeit; denn auch unsere geistige Tätigkeit erfolgt unabhängig vom Hier und Jetzt, außer es sei beiläufig, wegen der Vorstellungsbilder, die es bei den Engeln nicht gibt. Bei dem aber, was gänzlich unabhängig ist von Raum und Zeit, wirkt weder ein Unterschied der Zeit noch ein Abstand des Raumes. Darum bildet beim Sprechen des Engels die räumliche Entfernung kein Hindernis.

Zu 1. Das Sprechen des Engels ist, wie gesagt (Art. 1), ein inneres Sprechen, das allerdings von einem anderen vernommen wird; darum erfolgt es im sprechenden Engel selbst, und folglich da, wo der sprechende Engel sich befindet. Wie aber die räumliche Entfernung nicht hindert, dass ein Engel den andern ,sehen‘ kann, so hindert sie auch nicht, dass er aufnimmt, was im andern auf ihn selbst hingeordnet ist, und das heißt sein Sprechen vernehmen.

Zu 2. Jenes laute Rufen ist nicht von der Art eines körperlichen Lautes, den man der räumlichen Entfernung wegen anwendet; sondern es weist hin auf die große Bedeutung dessen, was gesagt wurde, oder auf die Stärke des Verlangens; in diesem Sinne sagt Gregor: ,,Um so weniger laut ruft ein jeder, je weniger Sehnsucht er hat"

5. ARTIKEL

Erkennen alle Engel das Gespräch eines Engels mit einem andern?

1. Dass nicht alle das Sprechen eines und desselben Menschen hören, macht die ungleiche räumliche Entfernung. Beim Sprachen des Engels aber hat die räumliche Entfernung nichts zu bedeuten (Art. 4). Also vernehmen alle Engel, wenn ein Engel mit dem andern spricht.

2. Alle Engel kommen überein in der Kraft der Erkenntnis. Wenn also der Gedanke des einen Geistes, der zu einem anderen hingeordnet wird, von dem einen erkannt wird, wird er aus dem gleichen Grunde auch von den andern erkannt.

3. Die Erleuchtung ist eine Art Sprechen (Art. 2). Die Erleuchtung eines Engels durch einen andern aber gelangt an alle Engel, denn Dionysius sagt: ,,Eine jede himmlische Wesenheit gibt die ihr verliehene Erkenntnis an die andern weiter." Also wird auch das Sprechen eines Engels mit dem anderen an alle weitergeleitet.

ANDERSEITS: Ein Mensch kann nur einem anderen allein sprechen. Also kann das um soviel mehr bei den Engeln der Fall sein.

ANTWORT: Der geistige Gedanke [= Wort] des einen Engels kann vom andern dadurch ,vernommen‘ werden, dass derjenige, der den Gedanken hat, diesen durch seinen Willen auf den andern hinordnet (Art. 1 u. 2). Es kann aber aus irgendeinem Grunde geschehen, dass etwas auf den einen hingeordnet wird und nicht auf den anderen. Darum kann es sein, dass der Gedanke des einen Engels von einem bestimmten Engel erkannt wird und nicht von den andern. Und so kann ein bestimmter Engel das Sprechen eines Engels mit dem andern wahrnehmen und die andern nicht, wobei nicht die räumliche Entfernung das Hindernis bildet, sondern die Anordnung von Seiten des Willens es so einrichtet.

Daraus ergibt sich die Antwort Zu 1. und Zu 2.

Zu 3. Die Erleuchtung hat das zum Gegenstand, was der Urwahrheit entströmt, die der gemeinsame [Erkenntnis-] Grund aller Engel ist. Darum sind die Erleuchtungen allen Engeln gemeinsam. Das Sprechen aber kann das betreffen, was auf den geschaffenen Willen als Ausgangsgrund hingeordnet ist, und das ist einem jeden einzelnen Engel [gesondert] zu eigen. Darum ist es nicht notwendig, dass solche Gespräche allen gemeinsam sind.

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108. FRAGE

VON DER STUFUNG DER ENGEL NACH RANGFOLGEN UND CHÖREN

Hierauf ist die Stufung der Engel nach Rangfolgen und Chören zu betrachten. Es ist nämlich schon gesagt worden, dass die höheren Engel die niederen erleuchten und nicht umgekehrt (106, 3).

Dazu ergeben sich acht Einzelfragen:
1. Sind alle Engel in einer einzigen Rangfolge?
2. Ist in einer Rangfolge nur ein einziger Chor?
3. Sind in einem Chor mehrere Engel?
4. Ist die Unterscheidung der Rangfolge und Chöre von Natur aus gegeben?
5. Von den Namen und Eigentümlichkeiten der einzelnen Chöre.
6. Vom Vergleich der Chöre untereinander.
7. Bleiben die Chöre bestehen nach dein Tag des Gerichtes?
8. Werden Menschen in die Chöre der Engel aufgenommen?

1. ARTIKEL

Gehören alle Engel einer einzigen Rangfolge an?

1. Da die Engel unter den Geschöpfen die höchsten sind, muss man sagen, dass ihre Ordnung die beste ist. Die beste Ordnung einer Vielheit ist aber dann gegeben, wenn sie unter einer einzigen Herrschaft zusammengefasst ist (Aristoteles) Da nun ,Rangfolge‘ nichts anderes ist als ,heilige Herrschaft‘, scheint es, dass alle Engel eine einzige Rangfolge bilden.

2. Dionysius sagt: ,,,Rangfolge‘ ist Ordnung, Wissen und Tat." Alle Engel aber kommen überein in der einen Hinordnung auf Gott, den sie erkennen und von dein sie in ihren Taten gelenkt werden. Also bilden alle Engel eine einzige Rangfolge.

3. Eine ,heilige Herrschaft‘, welche Hierarchie, ,Rangfolge‘ heißt, findet sich bei den Menschen und bei den Engeln. Alle Menschen aber sind in einer einzigen Hierarchie Rangfolge. Also sind auch alle Engel in einer einzigen Rangfolge.

ANDERSEITS unterscheidet Dionysius drei Rangfolgen der Engel.

ANTWORT: ,Rangfolge‘ ist ,heilige Herrschaft. Unter dem Namen der ,Herrschaft‘ aber ,werden zwei Dinge verstanden, nämlich der Herrscher selbst und die dem Herrscher zugeordnete Vielheit, Da es nun nur einen Gott gibt, der Herrscher ist nicht nur über alle Engel, sondern auch über die Menschen und alle Geschöpfe, deshalb gibt es nur eine Rangfolge, nicht nur aller Engel, sondern sogar der gesamten vernünftigen Schöpfung, die der heiligen Geheimnisse teilhaftig werden kann; nach dem Wort des hl. Augustinus: ,,Zwei Staaten gibt es, d. h. zwei Gemeinschaften, die eine unter den guten Engeln und Menschen, die andere unter den bösen." —Wird aber ,Herrschaft‘ aufgefasst von der unter einem Herrscher geordneten Vielheit her, so spricht man von einer einzigen Herrschaft, insofern diese Vielheit in ein und derselben Weise die Regierung des Herrschers aufnehmen kann. Was aber nicht in derselben Weise vom Herrscher gelenkt werden kann, gehört verschiedenen Herrschaftsbereichen an; so gibt es unter einem König verschiedene Gemeinwesen, welche durch verschiedene Gesetze und Beamte geleitet werden.

Es ist aber offensichtlich, dass die Menschen auf andere Weise die göttlichen Erleuchtungen empfangen als die Engel, denn die Engel empfangen sie in reiner Geistigkeit, die Menschen aber unter den Ähnlichkeiten der sinnfälligen Dinge (Dionysius). Und darum musste die menschliche Ordnung von der englischen (= engelhaften) unterschieden werden.

Und auf dieselbe Weise werden bei den Engeln drei Rangfolgen unterschieden. Es ist nämlich schon gesagt worden (55, 3), als von der Erkenntnis der Engel die Rede war, dass die höheren Engel eine umfassendere Erkenntnis der Wahrheit haben als die niedern. Diese hier gemeinte umfassende Erkenntnis kann aber nach drei Stufen in den Engeln unterschieden werden. Denn die Wesensgründe der Dinge, über welche die Engel erleuchtet werden, können auf dreierlei Weise betrachtet werden.
*Erstens, insofern sie von dem ersten allumfassenden Urgrund ausgehen, welcher Gott ist, und diese Weise kommt der ersten Rangfolge zu, die sich unmittelbar bis zu Gott hin erstreckt und ,,gleichsam in den Vorhöfen Gottes Aufstellung nimmt" (Dionysius).
*Zweitens, insofern diese Wesensgründe von den umfassenden, aber geschaffenen Ursachen abhängen, die schon irgendwie eine Vielheit bilden; und diese Weise kommt der zweiten Rangfolge zu.
*Dritten s, insofern diese Wesensgründe auf die Einzeldinge angewandt werden und von den eigenen Ursachen abhängen, und diese Weise kommt der untersten Rangfolge zu. Das wird umfassender klar werden, wenn von den einzelnen Chören die Rede ist [Art. 6]. So werden also die Rangfolgen von selten der [dem Herrscher] untergebenen Vielheit unterschieden.

Darum ist es offensichtlich, dass diejenigen im Irrtum sind und gegen die Absicht des Dionysius sprechen, die in den göttlichen Personen eine Rangfolge annehmen, die sie die überhimmlische nennen. Denn in den göttlichen Personen gibt es wohl eine Ordnung der Natur, nicht aber der Rangfolge.. Denn Dionysius sagt: ,,Die Ordnung der Rangfolge verlangt, ,dass es andere sind, welche geläutert, erleuchtet, vervollkommnet werden, und andere wieder, welche läutern, erleuchten und vervollkommnen." Es sei fern, dass wir dies bei den göttlichen Personen annehmen.

Zu 1. Jener Grund geht aus von der Herrschaft auf Seiten des Herrschers; denn es ist das beste, dass die Vielheit von einem einzigen Herrscher geleitet werde, wie der Philosoph an den angeführten Stellen will.

Zu 2. In Bezug auf die Erkenntnis Gottes selbst, den alle in derselben Weise, nämlich durch Seine Wesenheit, schauen, werden bei den Engeln keine Rangfolgen unterschieden, sondern in Bezug auf die [Erkenntnis der] Wesensgründe der geschaffenen Dinge (Antw.).

Zu 3. Alle Menschen gehören nur einer Art an, und ein und dieselbe Weise der Erkenntnis ist ihnen von Natur aus angeboren; so ist es aber nicht bei den Engeln. Darum ist es nicht der gleiche Grund.

2 ARTIKEL

Gibt es in einer Rangfolge mehrere Chöre?

1. Wird die begriffliche Bestimmung vervielfacht, so wird auch das begrifflich Bestimmte vervielfacht. ,Rangfolge‘ aber ist nach Dionysius Ordnung. Wo es also viele Ordnungen gibt, da gibt es nicht nur eine Rangfolge, sondern viele.

2. Verschiedene Chöre sind verschiedene Stufen. Die Stufen aber werden im geistlichen Leben begründet je nach den verschiedenen Gaben des Geistes. Bei den Engeln aber sind alte Geistesgaben gemeinsam, denn ,,keiner besitzt dort etwas für sich allein" [Lombardus]. Also gibt es keine verschiedenen Chöre der Engel.

3. In der kirchlichen Rangfolge werden die Ordnungen [Chöre] unterschieden nach den drei Tätigkeiten des Läuterns, Erleuchtens und Vervollkommnens. Denn der Stand der Diakone übt die Tätigkeit des Läuterns, der der Priester die des Erleuchtens, der der Bischöfe die des Vervollkommnens aus (Dionysius). Jeder Engel aber läutert, erleuchtet und vervollkommnet. Also gibt es keine Unterscheidung der Chöre hei den Engeln.

ANDERSEITS sagt der Apostel in Eph 1, 21: Gott stellte den Menschen Christus ,,über alte Herrschaft und Macht und Kraft und Gewalt", und das sind verschiedene Chöre der Engel; einige davon gehören zu ein und derselben Rangfolge (Art. 6)

ANTWOT: Wie gesagt (Art. 1), ist ein e Rangfolge eine [heilige] Herrschaft, das heißt eine unter der Lenkung eines Herrschers auf ein und dieselbe Weise geordnete Vielheit. Es wäre aber keine geordnete, sondern eine verworrene Vielheit, wenn in ihr nicht verschiedene Ordnungen [= Gemeinschaften] wären. Daher erfordert das Wesen einer Rangfolge die Verschiedenheit der Ordnungen. Diese Verschiedenheit der Ordnungen wird je nach den verschiedenen Aufgaben und Tätigkeiten betrachtet. So ist es klar, dass in einem Gemeinwesen verschiedene Ordnungen sind je nach den verschiedenen Tätigkeiten, denn ein anderer ist der Stand der Richter, ein anderer der Stand der Krieger, ein anderer der der Ackerbauer usw.

So viele Ordnungen jedoch in einem Gemeinwesen sein mögen, sie lassen sich alle auf drei zurückführen, insofern jede vollkommene Vielheit Anfang, Mitte und Ende hat. Darum findet sich auch in den Gemeinwesen eine dreifache Ordnung der Menschen, einige sind die Höchsten, wie die Adeligen, andere die Untersten, wie das gemeine Volk, wieder andere stehen in der Mitte, wie die ehrbare Bürgerschaft. So werden auch in jeder englischen (=engelhaften) Rangfolge Ordnungen [= Chöre] unterschieden je nach den verschiedenen Tätigkeiten und Ämtern, und diese ganze Verschiedenheit lässt sich auf eine Dreiheit zurückführen, auf ein Höchstes, Mittleres und Unteres. Und darum nimmt Dionysius in jeder Rangfolge drei Chöre an.

Zu 1. Von ,Ordnung‘ spricht man in doppeltem Sinn. Einmal vom Geordnet-sein selbst, das verschiedene Stufen unter sich begreift, und in diesem Sinne heißt die [ganze] Rangfolge ,Ordnung‘. Sodann heißt die einzelne Stufe ,Ordnung‘, und in diesem Sinne spricht man von mehreren Ordnungen [Chören] innerhalb einer Rangfolge.

Zu 2. In der Gesellschaft der Engel ist aller Besitz gemeinsam; doch besitzen einige Engel manche Güter in vollkommenerer Weise als andere. Ein jedes Gut ist aber in vollkommenerer Weise im Besitz dessen, der es mitteilen kann, als im Besitz dessen, der dies nicht kann; so ist das Warme vollkommener, das erwärmen kann, als das Warme, das dies nicht kann. Und besser besitzt der sein Wissen, der lehren kann, als der, der es nicht kann. Und um so vollkommener jemand eine Gabe mitteilen kann, auf einer um so höheren Stufe steht er, wie derjenige auf einer höheren Stufe des Lehramtes sich, befindet, der eine höhere Wissenschaft lehren kann. Und nach dieser Ähnlichkeit ist die Verschiedenheit der Chöre oder Ordnungen in den Engeln zu betrachten, je nach den verschiedenen Ämtern und Tätigkeiten.

Zu 3. Ein niederer Engel ist höher als der höchste Mensch unseres Stufenreiches. Mt 11,11: ,,Der Geringste im Himmelreich ist größer als er", nämlich als Johannes der Täufer, und doch ,,ist kein Größerer unter den von einer Frau Geborenen aufgestanden" als jener. Darum kann auch ein niederer Engel der himmlischen Rangfolge nicht nur läutern, sondern auch erleuchten und vollenden, und zwar auf höhere Weise als die Stände unseres [kirchlichen] Stufenreiches. So werden denn die himmlischen Chöre nicht nach dem Unterschied dieser Tätigkeiten unterschieden, sondern nach andern Unterschieden in den Tätigkeiten.

3. ARTIKEL

Sind in einem Chor mehrere Engel?

1. Wie schon (50, 4) gesagt, sind alle Engel ungleich untereinander. Das aber heißt einer Ordnung (Chor) zugehörig, was gleich ist. Also sind nicht mehrere Engel in einem Chor.

2. Wenn etwas zureichend geschehen kann durch einen, so ist es überflüssig, dass es durch viele geschieht. Das aber, was zu einem einzigen Engelamt gehört, kann zureichend durch einen einzigen Engel geschehen. Und dies geschieht desto eher, je vollkommener ein Engel ist im Vergleich zu einem Himmelskörper, wo doch schon durch die eine Sonne zureichend geschieht, was Aufgabe der Sonne ist. Wenn also die Chöre nach den Ämtern unterschieden werden (Art. 2), so ist es überflüssig, dass mehrere Engel in einem Chor sind.

3. Wie schon gesagt, sind alle Engel ungleich. Wenn also mehrere Engel in einem einzigen Chor sind, etwa drei oder vier, so kommt der niederste des höheren Ranges mehr überein mit dem höchsten des niederen Ranges, als mit dem höchsten seines eigenen Chores. Und so scheint er einem bestimmten Chor zusammen mit diesem Engel nicht enger anzugehören als zusammen mit jenem. Also sind nicht mehrere Engel in einem einzigen Chor.

ANDERSEITS heißt es in Jes 6, 3: ,, Die Seraphim riefen einander zu-" Also gibt es in dem einen Chor der Seraphim mehrere Engel.

ANTWORT: Wer bestimmte Dinge vollkommen kennt, kann bis in die kleinsten Einzelheiten sowohl ihre Tätigkeiten wie auch ihre Kräfte wie auch ihre Naturen unterscheiden. Wer sie aber unvollkommen kennt, kann nur im allgemeinen unterscheiden, und diese Unterscheidung erfolgt auf Grund einer geringeren Zahl von Merkmalen. So unterscheidet der, welcher die Naturdinge unvollkommen erkennt, ihre Ordnungen im allgemeinen, indem er die Himmelskörper der einen Ordnung zuteilt, der andern Ordnung die niedern unbelebten Körper, wieder einer andern die Pflanzen und wieder einer andern die Tiere. Wer aber die Naturdinge vollkommener erkennen würde, der könnte noch bei den Himmelskörpern mehrere Ordnungen unterscheiden, und auch bei den einzelnen Bereichen der andern [Gattungen].

Wir aber erkennen die Engel und ihre Ämter unvollkommen (Dionysius). Darum können wir die Ämter und Chöre der Engel nur im allgemeinen unterscheiden, und nach dieser Erkenntnisweise werden viele Engel in einem Chor zusammengefasst. Wenn wir aber die Ämter der Engel und ihre Unterscheidung vollkommen erkennen würden, so würden wir vollkommen wissen, wie ein jeder Engel sein eigenes Amt hat und seine Stellung in der Schöpfung, noch viel eher als jeder Stern, wenn uns das auch verborgen bleibt.

Zu 1. Alle Engel eines Chores sind in gewisser Weise gleich auf Grund der gemeinsamen Ähnlichkeit, der zufolge sie in einen Chor geordnet wurden. Schlechthin aber sind sie nicht gleich. Darum sagt Dionysius, dass man in einem und demselben Engelchor Erste, Mittlere und Letzte annehmen muss.

Zu 2. Jener besondere Unterschied der Chöre und Ämter, auf Grund dessen jeder Engel sein besonderes Amt und seine besondere Stellung hat, ist uns unbekannt.

Zu 3. Wie auf einer Oberfläche, welche teils weiß und teils schwarz ist, zwei Teile, die an der Grenze von weiß und schwarz liegen, auf Grund ihrer Lage mehr übereinkommen als zwei andere weiße Teile, jedoch weniger übereinkommen auf Grund ihrer Farbigkeit, so kommen zwei Engel, welche am Übergang zweier Chöre aufgestellt sind, untereinander mehr überein auf Grund der Naturverwandtschaft, als einer dieser Engel mit andern aus seinem eigenen Chor, weniger jedoch auf Grund der Eignung zu den gleichen Ämtern. Und diese Eignung erstreckt sich bis zu einer gewissen Grenze.

4. ARTIKEL

Liegt die Unterscheidung von Rangfolgen und Chören in der Natur der Engel?

1. Rangfolge heißt ,heilige Herrschaft‘, und zu deren Begriffsbestimmung sagt Dionysius ,,Das Gott-förmige schafft Ähnlichkeit, soweit es möglich ist." Heiligkeit und Gottähnlichkeit aber ist in den Engeln von Gnade, nicht von Natur. Also ist die Unterscheidung von Rangfolgen und Chören bei den Engeln von Gnade, nicht von Natur.

2. Die Seraphim heißen ,,Glühende" oder ,,Entzündende" (Dionysius). Das scheint aber der Gottesliebe eigen zu sein, die nicht von Natur, sondern von Gnade kommt, denn ,,sie wird ausgegossen in unsere Herzen durch den heiligen Geist, der uns gegeben ist" (Röm 5,5). ,,Dies aber geht nicht nur heilige Menschen an, sondern kann auch von den heiligen Engeln gesagt werden", wie Augustinus bemerkt. Also sind die Chöre bei den Engeln nicht von Natur gegeben, sondern von der Gnade her.

Das kirchliche Stufenreich, ist geformt nach dem Bild des himmlischen. Die Stände unter den Menschen aber kommen nicht von Natur, sondern sind Geschenk der Gnade, denn es kommt nicht von Natur, dass einer Bischof ist, ein anderer Priester, ein anderer wieder Diakon. Also kommen auch bei den Engeln die Chöre nicht von Natur, sondern von Gnade.

ANDERSEITS sagt der Meister (Lombardus): ,, ,Chor‘ wird bei den Engeln eine Vielheit himmlischer Geister genannt, die unter sich durch ein Geschenk der Gnade ähnlich sind, wie sie auch in der Teilnahme an natürlichen Gaben übereinkommen." Also erfolgt die Unterscheidung der Chöre bei den Engeln nicht nur auf Grund der frei geschenkten Gaben, sondern auch auf Grund der Natur-gaben.

ANTWORT: Der Lenkungsplan, der die Ordnung einer unter einer Herrschaft stehenden Vielheit bedeutet, richtet sich nach seinem Verhältnis zum Ziel. Das Ziel der Engel aber lässt sich unter doppeltem Gesichtspunkt betrachten.
*Einmalmit Rücksicht auf die Befähigung ihrer Natur, die darauf ausgeht, Gott in natürlicher Erkenntnis und Liebe zu erkennen und zu lieben. Und im Hinblick auf dieses Ziel werden die Chöre der Engel unterschieden auf Grund ihrer natürlichen Gaben.
*Sodann lässt sich das Ziel des Engelheeres auffassen, insofern es ihre natürliche Befähigung übersteigt; und so liegt es in der Schau der göttlichen Wesenheit und in der wandellosen Freude an Seiner Gutheit. Zu diesem Ziel können sie nur durch die Gnade gelangen. Darum werden im Hinblick auf dieses Ziel bei den Engeln Chöre unterschieden, und zwar im Sinne der Vollendung auf Grund der freigeschenkten Gaben, im Sinne der Ausrichtung auf Grund der natürlichen Gaben, weil den Engeln die freigeschenkten Gaben nach der Fassungskraft ihrer Naturanlage gegeben worden sind, was bei den Menschen nicht der Fall ist (62, 6). Darum werden bei den Menschen lediglich auf Grund der freigeschenkten Gaben Stände unterschieden und nicht auf Grund der Natur.

Daraus ergibt sich die Antwort auf die Einwände.

5. ARTIKEL

Sind die Chöre der Engel zutreffend benannt?

1. Alle himmlischen Geister heißen sowohl ,Engel‘ wie auch ,himmlische Kräfte‘. Gemeinsame Namen aber werden unzutreffend einigen [besonderen Chören] zugeeignet. Also ist es nicht sinnvoll, wenn der eine Chor ,Chor der Engel‘ und der andere ,Chor der Kräfte‘ genannt wird.

2. Herr sein ist Gott eigen: ,,Wisset, dass der Herr selbst Gott ist" (Ps 100 [99], 3). Also wird ein bestimmter Chor der himmlischen Geister unzutreffend ,,Herrschaften" genannt.

3. Der Name ,Herrschaft‘ hat offenbar einen Zusammenhang mit Lenkung. Desgleichen auch der Name der ,Fürstentümer‘ und ,Mächte‘. Also werden diese drei Namen unzutreffend drei [verschiedenen] Chören beigelegt.

4. ,Erzengel‘ heißt soviel wie ,fürstliche Engel‘. Also darf dieser Name keinem andern Chor beigelegt werden als dem Chor der ,Fürstentümer‘.

5. Die ,Seraphim‘ werden benannt nach der Glut, die zur Gottesliebe gehört; die ,Cherubim‘ jedoch nach der Wissenschaft. Gottesliebe aber und Wissenschaft sind allen Engeln gemeinsame Gaben. Also dürfen diese Namen nicht besonderen Chören eigen sein.

6. ,Throne‘ bedeutet ,Sitze‘. Es heißt aber von Gott, Er habe Seinen ,Sitz‘ im vernunftbegabten Geschöpf, das Ihn erkennt und liebt. Also darf der Chor der ,Throne‘ nicht unterschieden sein vom Chor der ,Cherubim‘ und ,Seraphim‘. — So scheint es also, dass die Chöre der Engel unzutreffend benannt sind.

ANDERSEITS steht das Ansehen der Heiligen Schrift dagegen, welche sie so benennt. Denn der Name Seraphim‘ wird genannt bei Jes 6, 2; der Name ,Cherubim‘ bei Ezechiel 1 [Kap. 10, 15 u 20]; der Name ,Throne‘ in Kol 1, 16; die ,Herrschaften‘, ,Kräfte‘, ,Mächte‘ und ,Fürstentümer‘ sind angegeben in Eph 1, 21; der Name ,Erzengel‘ ist angegeben im Brief des Apostels Judas, Vers 9; und endlich die Namen der ,Engel‘ an vielen Stellen der Schrift.

ANTWORT: Bei der Benennung der englischen Chöre muss man beachten, dass ,,die besonderen Namen der einzelnen Chöre ihre Eigentümlichkeiten bezeichnen", wie Dionysius sagt. Um aber zu sagen, was die Eigentümlichkeit eines jeden Chores ist, muss man bedenken, dass bei geordneten Dingen etwas in dreifacher Weise vorkommen kann, entweder als Eigentümlichkeit oder in Übersteigerung oder durch Teilhabe. Als Eigentümlichkeit aber heißt das in einem Ding gegeben, was seiner eigenen Natur vollangeglichen und angemessen ist. In Übersteigerung, wenn das, was einem zugeschrieben wird, weniger ist als das Wesen, dem es zugeschrieben wird, und doch jenem Wesen in einer gewissen Übersteigerung zukommt, wie das ausgeführt wurde von alten Namen, die Gott zugeschrieben werden. Durch Teilnahme endlich, wenn das, was einem Ding zugeschrieben wird, sich nicht in vollem Ausmaß darin findet, sondern nur annäherungsweise. So heißen heilige Menschen im Sinn der Teilnahme ,Götter‘. — Soll also ein Ding benannt werden durch einen Namen, der dessen Eigentümlichkeit bezeichnet, so darf es nicht benannt werden nach dem, woran es unvollkommen teilnimmt, noch nach dem, was es in Übersteigerung besitzt, sondern nach dem, was ihm gleichsam vollangeglichen ist. So wird z.B. wer dem Menschen den ihm wesenseigentümlichen Namen geben will, ihn ,vernunftbegabtes Selbstandwesen‘ nennen, nicht aber ,einsichtbegabtes Selbstandwesen‘, was der eigentümliche Name des Engels ist, weil die einfache Einsicht dem Engel als Wesenseigentümlichkeit zukommt, dem Menschen aber durch Teilnahme. Man darf ihn auch nicht ,sinnenbegabtes Selbstandwesen‘ nennen, denn das ist ein Name, der dem Tier wesenseigentümlich ist; denn der Sinn ist weniger als das, was dem Menschen wesenseigentümlich ist, und kommt dem Menschen in Übersteigerung zu vor allen anderen Sinnenwesen.

So muss man also bei den Chören der Engel beachten, dass alle geistigen Vollkommenheiten allen Engeln gemeinsam sind und dass alle überreicher vorhanden sind in den höheren Engeln als in den niederen. Da aber auch bei den Vollkommenheiten selbst eine Stufenordnung besteht, so wird die höhere Vollkommenheit dem höheren Chor als Wesenseigentümlichkeit zugesprochen, dem niederen aber als Teilhabe; umgekehrt wird die niedere Vollkommenheit der niederen Ordnung als Wesenseigentümlichkeit zugesprochen, der höheren in Übersteigerung. So wird also der höhere Chor nach der höheren Vollkommenheit benannt.

So erklärt Dionysius die Namen der Chöre auf Grund der Übereinstimmung mit ihren geistigen Vollkommenheiten. — Gregor dagegen scheint bei der Erklärung dieser Namen mehr die äußeren Dienstleistungen ins Auge zu fassen. Denn er sagt: ,, ,Engel‘ heißen die, welche weniger Bedeutsames melden; ,Erzengel‘ die, welche höchste Geheimnisse künden; ,Kräfte‘ die, durch welche Wunder geschehen ,Mächte‘ die, durch welche die widerstreitenden Mächte zurückgehalten werden; ,Fürstentümer‘ die, welche den guten Geistern vorstehen."

Zu 1. ,Engel‘ ist ,Bote‘. Alle himmlischen Geister also heißen, sofern sie Künder der göttlichen Dinge sind, ,Engel‘. Die höheren Engel aber haben eine Art Vorrang bei dieser Verkündigung, nach welchem die höheren Chöre benannt werden. Die unterste Ordnung der Engel dagegen hat keinen Vorrang über die allgemeine Art der Verkündigung hinaus; darum wird dieser Chor von der einfachen Verkündigung her benannt.. Und so bleibt der gemeinsame Name gleichsam dem untersten Chor als wesenseigentümlicher Name vorbehalten, wie Dionysius sagt. — Oder man kann sagen, dass der unterste Chor in besonderem Sinn Chor der ,Engel‘ heißt, weil sie uns unmittelbar Kunde bringen.

,Kraft‘ aber kann doppelt verstanden werden. *Einmal im Sinne des Gemeinsamen insofern die ,Kraft‘ in der Mitte steht zwischen Wesenheit und ,Tätigkeit, und so gefasst heißen alle himmlischen Geister ,Kräfte‘, wie sie auch ,himmlische Wesenheiten‘ heißen. *sodann, insofern der Name eine Art Übersteigerung der Stärke besagt, und so gefasst ist es der wesenseigentümliche Name eines Chores. Darum sagt Dionysius: ,,Der Name ,Kräfte‘ besagt eine Art männliche und unerschütterte Stärke", *erstens in bezug auf alle göttlichen Tätigkeiten, die ihnen zukommen; *zweitens in bezug auf die Entgegennahme des Göttlichen. Und so bezeichnet der Name die Eigenschaft, dass sie ohne jede Furcht die göttlichen Aufgaben, die ihnen zufallen, in Angriff nehmen, und das scheint zur Stärke des Geistes zu gehören.

Zu 2. Dionysius sagt: ,, ,Herrschaft‘ wird zum Lobe in einmaliger Weise von Gott ausgesagt im Sinn der Übersteigerung; die göttlichen Wahrsprüche [= Schriften] jedoch nennen im Sinne der Teilhabe die vornehmeren Chöre ,Herrschaftsgewaltige‘; durch diese [vornehmeren Chöre] nehmen die niederen seine [=Gottes] Gaben entgegen." Darum sagt Dionysius weiter: Der Name der ,Herrschaften‘ bedeutet *erstens ,,eine gewisse Freiheit, die jeder Dienstbarkeit niedrigen Standes und aller Abhängigkeit der Fußwanderer [wie das gewöhnliche Volk unterjocht wird] ,und aller tyrannischen Unterdrückung [wie sie bisweilen sogar die Adeligen zu erdulden haben] entrückt ist". *Zweitens bedeutet er ,,ein gewisses ernstes und unbeugsames Herrschertum, das sich zu keiner niedrigen Tat herbeilässt, noch zu einer Tat, wie sie die Unterdrückten und von ihren Zwingherren Geknechteten [erdulden müssen]". Drittens bedeutet der Name ,,das Streben und die Teilhabe an der wahren Herrschaft, wie sie in Gott ist". — Und desgleichen [viertens] bedeutet der Name jedes Chores eine Teilhabe dessen, was in Gott ist, wie der Name der ,,Kräfte" eine Teilhabe an der göttlichen Kraft bedeutet, und so bei den andern.

Zu 3. Die Namen ,Herrschaft‘, ,Macht‘, ,Fürstentum‘ haben eine verschiedenartige Beziehung zur Lenkung. Denn es ist ausschließlich dem Herrn vorbehalten, Befehle zu geben über das, was zu tun ist. Darum sagt Gregor: ,,Einige Heeressäulen der Engel heißen, weil ihnen die übrigen im Gehorsam unterworfen sind, ,Herrschaften‘." —Der Name ,Macht‘ dagegen bedeutet eine Art Anordnung ,,Wer der Macht widersteht, widersteht der Anordnung Gottes" (Röm 13, 2). Und darum sagt Dionysius, dass der Name ,Macht‘ eine bestimmte Anordnung bedeutet, sowohl in bezug auf die Übernahme der göttlichen Aufträge wie auch in bezug auf die göttlichen Tätigkeiten, welche die höheren auf die niederen ausüben, Indem sie diese zur Höhe empor führen. Es ist also das ,Amt des Chores der ,Mächte‘, anzuordnen, was von den untergebenen zu tun ist. — ,Fürst‘ sein aber heißt nach dem Wort Gregors: ,,der Erste sein unter den andern", so dass sie gleichsam die Ersten sind bei der Ausführung des Befohlenen. Und darum sagt Dionysius: ,,Der Name ,Fürstentümer‘ bedeutet ,Führeramt‘ in heiliger Ordnung." Diejenigen nämlich, welche andere führen und als Erste unter diesen gehen, heißen im eigentlichen Sinn Fürsten: ,,An der Spitze ziehen die Fürsten, es schließen sich an die Psalmensänger" (Ps 68 [67], 26).

Zu 4. Die ,Erzengel‘ stehen nach Dionysius in der Mitte zwischen den Fürstentümern und den Engeln. Die Mitte aber scheint, mit dem einen Ende verglichen, das andere Ende zu sein, insofern sie an der Natur beider Enden teilnimmt. So ist das Laue im Vergleich zum Warmen kalt, im Vergleich zum Kalten warm. So heiße,, auch die Erzengel gleichsam ,fürstliche Engel‘, weil sie im Hinblick auf die Engel Fürsten sind, im Hinblick auf die ,Fürstentümer‘ aber Engel. — Nach Gregor aber heißen sie darum ,Erzengel‘, weil sie einzig dem Chor der Engel vorangestellt sind, gleichsam als die Boten großer Dinge. Die ,Fürstentümer‘ aber haben ihren Namen daher, dass sie all jenen himmlischen Kräften vorangestellt sind, die göttliche Aufträge auszuführen haben.

Zu 5. Der Name der ,Seraphim‘ wird gegeben nicht wegen der Liebe allein, sondern wegen des Überschwangs der Liebe, den das Wort ,Glut‘ oder ,flammende Lobe‘ besagt. Darum erklärt Dionysius den Namen der Seraphim auf Grund der Eigenschaften des Feuers, in welchem eine Übersteigerung der Wärme statt hat. Im Feuer können wir nun dreierlei betrachten. *Erstens die Bewegung, die aufwärts geht und eine stetige ist. Dadurch wird versinnbildet, dass sie unabdrängbar zu Gott hingetrieben werden. *Zweitens seine wirkmächtige Kraft, die Hitze. Diese findet sich allerdings nicht so einfachhin im Feuer, sondern mit einer gewissen Heftigkeit, weil das Feuer in seiner Wirkung alles restlos durchglüht und bis ins Letzte vordringt, und außerdem mit einer gewissen überschäumenden Wildheit. Und durch diese Merkmale wird eine ähnliche Tätigkeit der Engel versinnbildet, welche sie auf die niederen Engel mit Macht ausüben, wobei sie diese zu einer ähnlichen Glut entfachen und sie ganz und gar durch diese flammende Lohe läutern. *Drittens wird im Feuer seine Klarheit betrachtet, und das bedeutet, dass diese Art Engel in sich selbst ein unauslöschliches Licht tragen und dass sie andere vollkommen erleuchten.

Desgleichen wird auch der Name der ,Cherubim‘ gegeben wesen einer Übersteigerung des Wissens, darum wird er gedeutet als ,Fülle des Wissens‘. Das erklärt Dionysius in vierfacher Hinsicht: *Erstens in bezug auf die vollkommene Schau Gottes, *Zweitens in bezug auf die volle Aufnahme des göttlichen Lichtes, *Drittens in bezug darauf, dass sie in Gott selbst die von Gott abgeleitete Schönheit der Schöpfungsordnung schauen, *Viertens in bezug darauf, dass sie aus der Fülle einer solchen Erkenntnis heraus diese überschwänglich an andere verschenken.

Zu 6. Der Chor der ,Throne‘ hat einen auszeichnenden Vorrang vor den niederen Chören darin, dass sie unmittelbar in Gott die Sinngehalte der göttlichen Werke erkennen können. Die ,Cherubim‘ aber haben den auszeichnenden Vorrang des Wissens, die ,Seraphim‘ den der Liebesglut. Und wenn auch in diesen zweien der dritte Vorrang eingeschlossen ist, so sind doch nicht in dem Vorrang der Throne die zwei anderen eingeschlossen. Und darum wird der Chor der Throne unterschieden von den Chören der Cherubim und Seraphim. Denn das ist allen gemeinsam, dass der Vorrang des niederen enthalten ist im Vorrang des höheren, nicht aber umgekehrt.

Dionysius erklärt den Namen der Throne gemäß einer Übereinstimmung mit wirklichen Thronsesseln. Dabei lassen sich vier Dinge erwähnen: *Erstens die Lage, weil die Thronsessel über dem Boden erhaben sind. Und so sind gerade die Engel, welche ,Throne‘ heißen, bis zu der Höhe erhoben, dass sie in Gott unmittelbar die Wesensbilder der Dinge erkennen. *Zweitens lässt sich bei wirklichen Thronsesseln ihre Festigkeit betrachten, weil der auf ihm Sitzende festen Halt gewinnt. Hier aber ist es umgekehrt, denn die Engel selbst gewinnen durch Gott ihre Festigkeit. *Drittens nimmt der Thronsessel den Sitzenden auf, und dieser kann auf ihm getragen werden. So nehmen diese Engel Gott in sich selbst auf und tragen Ihn gleichsam zu den niederen Engeln. *Viertens die Gestalt, denn der Thronsessel ist auf einer Seite offen, um den Sitzenden aufzunehmen. So sind auch diese Engel durch ihre Bereitschaft offen, Gott aufzunehmen und Ihm zu dienen.

6. ARTIKEL

Ist die Stufenordnung der Chöre richtig angegeben?

1. Der Stand der Würdenträger scheint der höchste zu sein. Herrschaften, Fürstentümer und Mächte aber besitzen schon von ihrem Namen her einen Vorrang der Würde. Also müssen diese Chöre unter allen die höchsten sein.

2. Je näher ein Chor hei Gott ist, um so höher ist er. Der Chor der Throne aber scheint Gott am nächsten zu sein, denn nichts ist dem Thronenden näher verbunden als sein Thron. Also ist der Chor der Throne der höchste.

3. Das Wissen ist früher als die Liebe, und der Verstand scheint höher zu sein als der Wille. Also scheint auch der Chor der Cherubim höher zu sein als der Chor der Seraphim.

4. Gregor setzt die Fürstentümer über die Mächte. Also sind sie nicht unmittelbar über die Erzengel gestellt, wie Dionysius sagt.

ANDFBSEITS setzt Dionysius i der ersten Rangfolge die Seraphim als Erste, die Cherubim als Mittlere, die Throne als Letzte; in der mittleren Rangfolge die Herrschaften als Erste, die Kräfte als Mittlere, die Mächte als Letzte; in der untersten Rangfolge die Fürstentümer als Erste, die Erzengel als Mittlere, die Engel als Letzte.

ANTWORT: Die Stufen der englischen Chöre geben Gregor und Dionysius in bezug auf die übrigen übereinstimmend, in bezug auf die Fürstentümer und Kräfte verschieden an. Dionysius nämlich stellt die Kräfte unter die Herrschaften und über die Mächte, die Fürstentümer aber unter die Mächte und über die Erzengel. Gregor dagegen setzt die Fürstentümer zwischen Herrschaften und Mächte, die Kräfte wiederum zwischen Mächte und Erzengel. Und jede dieser Zuteilungen kann sich stützen auf das Ansehen des Apostels. Im Epheserbrief (1, 20 f.) zählt er die mittleren Chöre in aufsteigender Folge auf mit den Worten: Gott hat Ihn, nämlich Christus, gesetzt ,,zu Seiner Rechten in Himmelshöhen, über alle Fürstentümer und Mächte und Kräfte und Herrschaften"; hierbei setzt er die Kräfte zwischen Mächte und Herrschaften, was der Zuteilung Dionysius entspricht. Anderseits zählt er im Kolosserbrief (1, 16) dieselben Chöre in absteigender Folge auf mit den Worten: ,,Seien es Throne, seien es Herrschaften, Fürstentümer oder Mächte, alles ist durch Ihn und in Ihm geschaffen"; dabei stellt er die Fürstentümer in die Mitte zwischen Herrschaften und Mächte, was der Zuteilung Gregors entspricht.

Sehen wir zuerst nach dem Zuteilungsgrund des Dionysius. Dabei ist zu beachten, dass, wie oben (Art. 1) gesagt, die erste Rangfolge die Wesensbilder der Dinge aufnimmt, wie sie in Gott selbst sind; die zweite in den allumfassenden Ursachen, die dritte auf Grund der näheren Bestimmung in Richtung auf besondere Wirkungen. Und weil Gott das Ziel nicht nur der Dienste der Engel, sondern auch der ganzen Schöpfung ist, so gehört zur ersten Rangfolge die Betrachtung des Zieles, zur mittleren die umfassende Anordnung dessen, was geschehen soll, zur letzten die Ingangsetzung des Planes, welche die Ausführung des Werkes darstellt; denn diese drei Stücke finden sich offensichtlich in jedweder Tätigkeit. Darum hat Dionysius der von den Namen der Chöre ihre Eigentümlichkeiten ableitet, jene Chöre in die erste Rangfolge gesetzt, deren Namen [ihnen] beigelegt werden im Hinblick auf Gott (1.), nämlich die Seraphim, Cherubim und Throne. Jene Chöre dagegen, deren Namen eine gewisse Lenkung (2.) oder Planung im großen bezeichnen, hat er in die mittlere Rangfolge versetzt, nämlich die Herrschaften, Kräfte und Mächte. Jene Chöre hinwieder, deren Namen die Ausführung (3.) des Werkes anzeigen, hat er in die dritte Rangfolge versetzt, nämlich die Fürstentümer, Engel und Erzengel.

(1.) In bezug auf das Ziel nun lassen sich drei Dinge herausstellen; *erstens: man stellt eine Erwägung an über das Ziel; *zweitens : man erwirbt eine vollkommene Kenntnis des Zieles; *drittens : man richtet seine Absicht darauf; das zweite verhält sich wie ein Zusatz zum ersten und das dritte [wie ein Zusatz] zu beiden. Und weil Gott das Ziel der Geschöpfe ist wie der Feldherr das Ziel des Heeres (Aristoteles), so kann etwas dieser Ordnung Ähnliches im menschlichen Leben beobachtet werden. Denn es gibt Menschen, die das Vorrecht besitzen, dass sie von sich aus vertraulich mit dem König oder Feldherrn verkehren können; andere wieder haben über dies hinaus das Vorrecht, dass sie auch seine Geheimnisse kennen; wieder andere wohnen obendrein immer in seiner Nähe, gleichsam als seine Hausgenossen. Und entsprechend dieser Ähnlichkeit können wir die Anordnung der Chöre der ersten Rangfolge auffassen. Denn die Throne sind dazu erhoben, Gott vertraulich in sich selbst aufzunehmen, insofern sie die Wesensbilder der Dinge unmittelbar in Ihm selbst erkennen können, was das Besondere der ganzen ersten Rangfolge ist. Die Cherubim hingegen erkennen in über alles erhabener Weise die göttlichen Geheimnisse. Die Seraphim endlich zeichnen sich in dem aus, was das Höchste von allem ist, nämlich in der Vereinigung mit Gott. So wird also von dem, was der ganzen Rangfolge gemeinsam ist, der Chor der Throne benannt, so wie von dem, was allen himmlischen Geistern gemeinsam ist, der Chor der Engel benannt wird.

(2.) Zum Begriff der Lenkung aber gehören [wiederum] drei Stücke. Das *Erste ist die Bestimmung dessen, was zu tun ist, das ist das Besondere der Herrschaften. Das *Zweite ist die Gewährung der Vollmacht zur Ausführung, das betrifft die Kräfte. Das *Dritte ist die Bestimmung der Art und Weise, wie das, was vorgeschrieben oder bestimmt wurde, ausgeführt werden kann, damit einige es vollziehen, und das betrifft die Mächte.

(3.) Die Ausführung aber der Engelsdienste besteht in der Kundmachung der göttlichen Dinge. Bei der Ausführung eines jeden Auftrages sind es einige gleichsam, die den Anstoß zur Tätigkeit geben und die andern führen, so im Gesang die Vorsänger und im Krieg diejenigen, welche die andern lenken und heimführen, und dies betrifft die Fürstentümer. Andere wieder sind es, welchen die schlichte Ausführung zufällt, und das betrifft die Engel. Die übrigen nehmen eine Mittelstellung ein, und das geht die Erzengel an (Art. 5).

Diese Zuteilung der Chöre stellt sich als angemessen heraus. Denn immer ist das Höchste der niederen Ordnung dem Niedersten der höheren Ordnung benachbart So sind die niedersten Tiere wenig entfernt von den Pflanzen. Die erste Ordnung nun ist die der göttlichen Personen, welche ihren Abschluss findet im Heiligen Geist, der die LIEBE im Hervorgang ist; Ihm ist der höchste Chor der ersten Rangfolge benachbart, der benannt wird nach der flammenden Lohe der Liebe. Der unterste Chor der ersten Rangfolge ist der Chor der Throne, die durch ihren Namen eine gewisse Nachbarschaft haben mit den Herrschaften, denn Throne heißen nach Gregor diejenigen, ,,durch die Gott Seine Gerichte vollstreckt"; denn sie nehmen die göttlichen Erleuchtungen auf in Anpassung an ihre Aufgabe, die zweite Rangfolge unmittelbar zu erleuchten, der die Verteilung der göttlichen Dienste eigen ist. Der Chor der Mächte steht wiederum dem Chor der Fürstentümer nahe, denn da es das Amt der Mächte ist, den Untergebenen einen Tätigkeitsplan vorzulegen, wird dieser Tätigkeitsplan sofort mit dem Namen der Fürstentümer bezeichnet, welche die ersten sind bei der Ausführung der göttlichen Dienste [dritte Rangfolge], da sie den Vorrang haben in der Lenkung der Völker und Reiche, was das Erste und Hauptsächlichste bei den göttlichen Diensten ist; denn ,,das Wohl des Volkes ist göttlicher als das Wohl des einzelnen Menschen" (Aristoteles). Darum heißt es bei Daniel 10, 13: ,,Der Fürst [= Schutzgeist] des Perserreiches widerstand mir".

Auch die Verteilung der Chöre, wie Gregor sie annimmt hat ihre Angemessenheit. Denn da die Herrschaften das bestimmen und vorschreiben, was sich auf die göttlichen Dienste bezieht, so werden die ihnen unterstellten Chöre verteilt nach der Verteilung derjenigen, denen gegenüber diese göttlichen Dienste vollzogen werden. Augustinus sagt aber: "Die Körper werden in einer bestimmten Ordnung gelenkt, die niederen durch die höheren, und alle durch die geistige Schöpfung, und der böse Geist durch den guten Geist." Also heißt der erste Chor nach den Herrschaften der Chor der Fürstentümer, welche auch über gute Geister die Herrschaft ausüben. hierauf die Mächte, durch welche die bösen Geister ferngehalten werden, wie durch die irdischen Mächte die Missetäter ferngehalten werden (Röm 13, 3 f.). Nach diesen kommen die Kräfte, die über die körperliche Natur Macht haben durch das Wirken von Wundern. Nach diesen kommen die Engel und Erzengel, welche den Menschen entweder große Dinge verkünden, die über den Verstand hinausgehen, oder Geringes, was im Bereich der [natürlichen] Vernunft liegt.

Zu 1. Es ist für die Engel wichtiger, Gott unterworfen zu sein, als den niederen Dingen vorzustehen; dazu leitet dieses sich von jenem ab. Und darum sind die Chöre, welche ihren Namen von der Vorrangstellung haben, nicht die höchsten, sondern eher die Chöre, welche ihren Namen haben von ihrer Hinkehr zu Gott.

Zu 2. Jene Nähe zu Gott, die mit dem Namen der Throne angedeutet ist, kommt auch den Cherubim den Seraphim zu, und zwar in erhabenerer Weise (Antw.).

Zu 3. Erkenntnis hat statt, insofern das Erkannte im Erkennenden ist; Liebe aber, insofern der Liebende mit dem geliebten Ding eins wird. Die höheren Geschöpfe sind nun in edlerer Weise in sich selbst als [durch Erkenntnis] in den niederen Geschöpfen; die niederen Geschöpfe dagegen sind [durch Erkenntnis] in edlerer Weise in dem höheren Geschöpf als in sich selbst. Und darum ist die Erkenntnis, welche die niederen Geschöpfe zum Gegenstand hat, erhabener als die Liebe zu ihnen; die Liebe zu den höheren Geschöpfen dagegen, und besonders zu Gott, ist erhabener als ihre Erkenntnis.

Zu 4. Wenn jemand sorgfältig die Verteilung der Chöre betrachtet, wie sie Dionysius und Gregor annehmen, unterscheiden sie sich in wenig oder nichts, sobald man sie von der Sache her sieht. Denn Gregor erklärt den Namen ,Fürstentümer‘ damit, dass sie ,,den guten Geistern vorstehen", und das kommt den ‚Kräften‘ zu, sofern unter dem Namen der ,Kräfte‘ eine gewisse Stärke verstanden wird, die den niederen Geistern bei der Ausübung der göttlichen Dienste nachdrückliche Wirksamkeit verleiht. Ihrerseits wieder scheinen die ‚Kräfte‘ bei Gregor dasselbe zu sein wie die ‚Fürstentümer‘ bei Dionysius. Denn das ist das erste bei den göttlichen Diensten, Wunder zu wirken; denn dadurch wird der Botschaft der Erzengel und Engel der Weg bereitet.

7. ARTIKEL

Bleiben die Chöre nach dem Tage des Gerichtes?

1. Der Apostel sagt in 1 Kor 15, 24, Christus werde jedes ,Fürstentum‘ und jede ,Macht‘ aufheben, wenn er das Reich Gott und dem Vater übergeben hat. Das wird sein bei der letzten Vollendung [der Welt]. Aus demselben Grund werden in jenem Zustand alle anderen Chöre aufgehoben werden.

2. Es gehört zum Amt der englischen Chöre, zu läutern, zu erleuchten und zu vollenden. Nach dem Tag des Gerichtes aber wird kein Engel mehr einen andern läutern, erleuchten oder vollenden, weil sie im Wissen keine weiteren Fortschritte machen. Also würden die Chöre der Engel ohne Sinn fortdauern.

3. Der Apostel sagt in Hebr 1, 14 von den Engeln: ,,Alle sind dienende Geister, zum Dienste gesandt für die, welche das Erbe des Heiles erlangen." Daraus geht hervor, dass die Ämter der Engel darauf hingeordnet sind, die Menschen zum Heile zu führen. Alle Auserwählten aber werden bis zum Tage des Gerichtes ihr Heil erlangt haben. Also dauern die Ämter und Chöre der Engel nicht fort nach dem Tag des Gerichtes.

ANDERSEITS heißt es in Richt 5, 20: ,,Die Sterne bleiben in ihrer Ordnung und in ihrem Lauf"; das wird auf die Engel gedeutet. Also werden die Engel mit ihren Chören immer bestehen bleiben.

ANTWORT: Bei den Chören der Engel lassen sich zwei Dinge betrachten, die Unterscheidung der Rangstufen und die Ausübung der Ämter. Die Unterscheidung der Rangstufen erfolgt bei den Engeln nach dem Unterschied der Gnade und der Natur (Art. 4). Und beiderlei Unterschied wird bei den Engeln immer bleiben. Denn der Unterschied der Natur könnte nur dann von ihnen genommen werden, wenn sie vernichtet würden; aber auch der Unterschied der Herrlichkeit wird immer in ihnen bleiben, je nach dem Unterschied des voraufgegangenen Verdienstes.

Die Ausübung der Engelämter dagegen wird nach dem Tage des Gerichtes in einer Hinsicht bleiben, in anderer Hinsicht aufhören. Sie wird aufhören, sofern ihre Ämter darauf hingeordnet sind, andere zu ihrem Ziel zu führen; sie wird fortdauern, soweit es nach der endgültigen Erreichung des Zieles noch Sinn hat. So sind auch die Aufgaben der Heereseinheiten verschieden in der Schlacht und im Siege.

Zu 1. Die ,Fürstentümer‘ und ,Mächte‘ werden bei jener endgültigen Vollendung aufgehoben werden, sofern sie andere zum Ziel führen, denn wenn das Ziel erreicht ist, ist es nicht mehr notwendig, auf das Ziel hinzustreben. Und dieser Grund lässt sich ersehen aus den Worten des Apostels: ,,Wenn Er das Reich Gott und dem Vater übergeben hat.. .,,, das heißt, wenn Er die Gläubigen hingeführt hat zur Wonne in Gott selbst.

Zu 2. Die Tätigkeiten der Engel, die sie andern Engeln gegenüber ausüben, sind zu betrachten nach der Ähnlichkeit mit den geistigen Tätigkeiten, die in uns sind. Es finden sich nun in uns viele geistige Tätigkeiten, die geordnet sind auf Grund des Ordnungsverhältnisses von Ursache und Verursachten; so wenn wir zum Beispiel durch viele Mitteglieder stufenweise zu einer einzigen Schlussfolgerung gelangen. Es ist aber offensichtlich, dass die Erkenntnis der Schlussfolgerung abhängig ist von sämtlichen vorausgehenden Mitgliedern, nicht nur bei der Erwerbung neuen Wissens, sondern auch bei der Bewahrung des Wissens. Ein Zeichen dafür ist dies: Wenn jemand irgendeines der vorausgehenden Mitglieder vergessen würde, so könnte er wohl eine Meinung oder einen Glauben von der Schlussfolgerung haben, nicht aber ein Wissen, da die Ordnung der Ursachen nicht mehr gewusst wäre. -So hängt also die Erkenntnis der niederen Engel, da sie die Wesensbilder der göttlichen Werke durch das Licht der höheren empfangen, vom Licht der höheren ab, und nicht nur hinsichtlich der Erwerbung neuen Wissens, sondern auch hinsichtlich der Bewahrung des Wissens. Wenn also die niederen Engel nach dem Jüngsten Gericht auch nicht zunehmen in der Erkenntnis irgendwelcher Dinge, so ist damit nicht, ausgeschlossen, dass sie von den höheren erleuchtet werden.

Zu 3. Wenn auch nach dem Tag des Gerichtes die Menschen nicht längerhin durch den Dienst der Engel zum Heil geführt werden können, so werden doch jene, welche dann das Heil erlangt haben werden, durch die Ämter der Engel Erleuchtung empfangen.

8. ARTIKEL

Werden Menschen in die Chöre der Engel aufgenommen?

1. Die menschliche Rangfolge (Hierarchie) steht unterhalb der untersten der himmlischen Rangfolgen, wie diese unterste unter der mittleren und die mittlere unter der ersten steht. Die Engel der untersten Rangfolge aber werden nie in die mittlere oder in die erste aufgenommen. Also werden auch die Menschen nicht in die Chöre der Engel aufgenommen.

2. Den Chören der Engel kommen gewisse Ämter zu, z.B. schützen, Wunder wirken, böse Geister fernhalten und ähnliches, was den Seelen der Heiligen nicht zuzukommen scheint. Also werden sie nicht in die Chöre der Engel aufgenommen.

3. Wie die guten Engel zum Guten anleiten, so leiten die bösen Geister zum Bösen an. Es ist aber irrig, zu sagen, dass die Seelen der bösen Menschen in böse Geister verwandelt werden, denn das verwirft Chrysostomus. Also scheint es auch nicht, dass die Seelen der Heiligen in die Chöre der Engel versetzt werden.

ANDERSEITS sagt der Herr in Mt 22, 30 von den Heiligen: ,,Sie werden sein wie die Engel Gottes im Himmel."

ANTWORT: Wie oben (Art. 4 u. 7) gesagt, werden die Chöre der Engel unterschieden sowohl nach der Naturanlage wie nach den Gnadengaben. Wenn also die Chöre der Engel nur betrachtet würden nach den Rangstufen ihrer Natur, so könnten die Menschen in keiner Weise in die Chöre der Engel aufgenommen werden, weil der Unterschied der Naturen immer bleiben wird. Diesen Unterschied hatten manche im Auge, wenn sie annahmen, dass die Menschen in keiner Weise zur Gleichheit der Engel erhoben werden könnten. Das aber ist irrig, denn es widerspricht der Verheißung Christi, der Lk 20, 36 sagt, dass die Söhne der Auferstehung den Engeln im Himmel gleich sein werden. Denn das, was aus der Natur stammt, spielt die Rolle der stofflichen Grundlage im Aufbau der Chorzugehörigkeit; das Vollendende aber stammt aus dem Geschenk der Gnade, die von der Freigebigkeit Gottes abhängt, nicht von der Ordnung der Natur. Und darum können Menschen durch das Geschenk der Gnade eine solche Herrlichkeit verdienen, dass sie den Engeln gleichgestellt werden, je nach den Rangstufen der Engel. Und das bedeutet das Aufgenommen werden von Menschen in die Chöre der Engel.

Manche sagen jedoch, es würden nicht alle, welche gerettet werden, in die Chöre der Engel aufgenommen, sondern nur die jungfräulichen oder vollkommenen Menschen; die anderen würden einen eigenen Chor bilden, welcher der gesamten Gemeinschaft der Engel gleichsam als der andere Teil gegenübergestellt sei. — Das aber ist gegen Augustinus, welcher sagt: Es werden nicht zwei Gemeinschaften von Menschen und von Engeln sein, sondern eine; ,,denn ihrer aller Seligkeit ist: dem einen Gott anhangen"

Zu 1. Die Gnade wird den Engeln gegeben nach dem Verhältnis ihrer natürlichen Gaben; so ist es jedoch nicht bei den Menschen (Art. 4; 57, 6: Bd. 4). Wie darum die niederen Engel nicht versetzt werden können in die naturgegebene Rangstufe der höheren Engel, so auch nicht in die auf Gnade beruhende. Die Menschen dagegen können zu der auf Gnade beruhenden Stufe aufsteigen, nicht aber zu der Naturgegebenen.

Zu 2. Die Engel stehen der Naturordnung zufolge zwischen uns und Gott. Darum werden nach allgemeinem Gesetz nicht nur die menschlichen Angelegenheiten durch sie verwaltet, sondern auch alle Körperdinge. Die heiligen Menschen aber sind auch nach diesem Leben derselben Natur wie wir. Darum verwalten sie nach allgemeinem Gesetz nicht die menschlichen Angelegenheiten und ,,,mischen sich auch nicht in die Dinge der Lebenden ein", wie Augustinus sagt im Buch ,Von der Sorge für die Toten‘. Doch wird es auf besondere Anordnung hin bisweilen manchen Heiligen, sowohl Lebenden wie Toten, gewährt, derartige Aufgaben zu erfüllen durch Wunderwirken, Fernhaltung der bösen Geister oder ähnliches, wie Augustinus in demselben Buche sagt.

Zu 3. Es ist kein Irrtum, dass Menschen zu den Strafen der bösen Geister herabversetzt werden; aber, manche haben irrigerweise angenommen, die bösen Geister seien nichts anderes als die Seelen der Verstorbenen. Und das verwirft Chrysostomus.

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109. FRAGE

VON DER STUFENORDNUNG DER BÖSEN ENGEL

Hierauf ist die Stufenordnung der bösen Engel zu betrachten. Dazu ergeben sich vier Einzelfragen:

1. Gibt es Chöre bei den bösen Geistern?
2. Gibt es bei ihnen einen Vorrang?
3. Erleuchtet einer den anderen?
4. Sind sie einem Vorrang der guten Engel unterworfen?

1. ARTIKEL

Gibt es Chöre bei den bösen Geistern?

1. Ordnung gehört zum Begriff des Guten, wie auch Maß und Gestalt (Augustinus). Umgekehrt gehört Unordnung zum Begriff des Bösen. In den guten Engeln aber ist nichts ungeordnet. Also gibt es bei den schlechten Engeln keine Ordnungen [Chöre].

2. Die englischen [=engelhaften] Chöre sind unter irgendeiner heiligen Rangfolge zusammengefasst. Die bösen Geister aber sind nicht unter einer heiligen Rangfolge, die eine ,heilige Herrschaft‘ darstellt [108, 1], da sie aller Heiligkeit bar sind. Also gibt es bei den bösen Geistern keine Chöre.

3. Die bösen Geister sind aus den einzelnen Chören der Engel herausgestürzt, wie man gewöhnlich sagt. Wenn man also sagt, dass bestimmte böse Geister aus irgendeinem Chor seien, weil sie aus diesem bestimmten Chor herausgestürzt sind, so müssten ihnen, wie es scheint, die Namen dieser einzelnen Chöre beigelegt werden. Sie werden aber nirgends ,Seraphim‘ oder ,Throne‘ oder ,Herrschaften‘ genannt. Also sind sie, aus dem gleichen Grunde, überhaupt. nicht in irgendeinem der Chöre.

ANDERSEITS sagt der Apostel in Eph 6, 12: ,,Unser Kampf geht gegen die 'Fürsten‘ und ,Mächte‘, gegen die Weltbeherrscher dieser Finsternis."

ANTWORT: Wie schon (108, 4; 7; 8) gesagt, kann man einen Engelchor betrachten nach der Rangstufe sowohl der Natur wie auch der Gnade. Die Gnade hat nun einen doppelten Stand, einen unvollkommenen, den des Verdienens, und einen vollkommenen, den der vollendeten Herrlichkeit. Betrachtet man also die Engelchöre in bezug auf ihre Vollendung in der Herrlichkeit, so sind die bösen Geister weder jetzt in Engelchören noch sind sie jemals darin gestanden. Betrachtet man sie aber in bezug auf den Stand der noch unvollkommenen Gnade, so waren die bösen Geister zwar einmal in den Engelchören, sind aber aus ihnen herausgestürzt, entsprechend der oben (62, 3) vorgetragenen Lehre, wonach alle Engel in der Gnade geschaffen wurden. Betrachtet man sie dagegen in bezug auf ihre Naturanlage, so befinden sie sich noch immer in Chören geordnet, weil sie die ihnen verliehenen natürlichen Gaben nicht verloren haben, wie Dionysius sagt.

Zu 1. Gutes kann sich vorfinden ohne Böses, Böses aber kann es nicht geben ohne Gutes. Darum stehen die bösen Geister, sofern sie eine gute Natur haben, in einer Ordnung.

Zu 2. Die Ordnung der bösen Geister ist, von Seiten Gottes her betrachtet, der die Ordnung erlassen hat, heilig, denn Er bedient sich der bösen Geister um Seiner selbst willen. Von Seiten des Willens der bösen Geister her betrachtet ist sie nicht heilig, weil sie ihre Natur zum Bösen missbrauchen.

Zu 3. Der Name ,Seraphim‘ wird beigelegt wegen der Glut der Liebe, der Name der ,Throne‘ wegen der göttlichen Einwohnung, der Name der ,Herrschaften‘ besagt eine gewisse Freiheit, und all dies ist der Sünde entgegengesetzt. Darum werden den sündigen Engeln solche Namen nicht beigelegt.

2. ARTIKEL

Gibt es unter den bösen Geistern einen Vorrang?

1. .Jeder Vorrang hat irgendeine Ordnung der Gerechtigkeit zum Grunde. Die bösen Geister aber sind gänzlich aus der [Ordnung der] Gerechtigkeit abgestürzt. Also gibt es bei ihnen keinen Vorrang.

2. Wo kein Gehorsam und keine Unterwerfung ist, da ist auch kein Vorrang. Diese [Tugenden] können aber ohne Eintracht nicht sein, die es bei den bösen Geistern nicht gibt; nach Spr 13, 10: ,,Unter den Stolzen ist immer Streit". Also gibt es bei den bösen Geistern keinen Vorrang.

3. Wenn es bei ihnen irgendwelchen Vorrang gibt, so gehört das entweder zu ihrer Natur oder zu ihrer Schuld, beziehungsweise Strafe. Es gehört aber nicht zu ihrer Natur, denn Unterwerfung und Knechtschaft stammen nicht aus der Natur, sondern folgen erst aus der Sünde. Es gehört auch nicht zur Schuld oder Strafe, denn sonst wären die höheren bösen Geister, die mehr gesündigt haben, den niederen unterworfen. Also gibt es keinen Vorrang bei den bösen Geistern.

ANDERSEITS sagt die Glosse zu 1 Kor 15, 24 [,Wenn Er alle Herrschaft vernichtet hat‘] ,,Solange die Welt dauert, sind Engel den Engeln, Menschen den Menschen und böse Geister den bösen Geistern vorangestellt."

ANTWORT: Da die Tätigkeit sich nach der Natur des Dinges richtet, müssen auch die Tätigkeiten aller geordneten Naturen untereinander geordnet sein. Das ist offensichtlich bei den Naturdingen; weil nämlich die niederen Körper der natürlichen Ordnung nach unter den Himmelskörpern stehen, darum sind auch ihre Bewegungen den Tätigkeiten und Bewegungen der Himmelskörper unterworfen [115, 3]. Aus dem (Art. 1) Gesagten geht aber hervor, dass einige bösen Geister, der natürlichen Ordnung nach, andern unterstellt sind. Darum sind auch ihre Tätigkeiten den Tätigkeiten der höheren unterstellt. Und das ist es, was das Wesen der Vorrangstellung ausmacht, dass nämlich die Tätigkeit des Untergebenen der Tätigkeit des Ranghöheren unterstellt ist. So erfordert also die natürliche Anordnung der bösen Geister, dass es bei ihnen einen Vorrang gibt. — Dies entspricht auch der göttlichen Weisheit, welche nichts im Weltall in Unordnung gelassen hat, ,,die da [vielmehr] reicht von einem Ende bis zum andern voll Kraft, und voll Milde alles stellt an seinen Platz", wie es in Weish 8, 1 heißt.

Zu 1. Die Vorrangstellung der bösen Geister ist nicht etwa gegründet auf ihre eigene Gerechtigkeit, sondern auf die Gerechtigkeit des altes ordnenden Gottes.

Zu 2. Die Eintracht der bösen Geister, auf Grund deren die einen den andern gehorchen, stammt nicht etwa aus Freundschaft, die sie unter sich hätten, sondern aus ihrer gemeinsamen Bosheit, auf Grund deren sie die Mensche hassen und sich der Gerechtigkeit Gottes widersetzen Denn es ist eine Eigenart schlechter Menschen, zur Ausübung ihrer eigenen Bosheit sich denen anzuschließen und zu unterwerfen, die sie für mächtiger ansehen.

Zu 3. Die bösen Geister sind auf Grund ihrer Natur ungleich, darum gibt es bei ihnen einen natürlichen Vorrang. Das ist bei den Menschen nicht der Fall, da sie von Natur aus gleich sind. Dass aber die niederen bösen Geister höheren unterworfen sind, gereicht den höheren nicht zum Nutzen, sondern eher zu ihrem Schaden, denn, da Böses tun ein Zeichen größten Elends ist, ist der Vorrang im Bösen ein Zeichen größeren Elends.

3. ARTIKEL

Gibt es bei den bösen Geistern Erleuchtung?

1. Erleuchtung besteht in der Offenbarung der Wahrheit. Ein böser Geist aber kann dem andern Wahrheit offenbaren, weil die höheren stärker sind durch die Kraft ihres natürlichen Wissens. Also können die höheren bösen Geister die niederen erleuchten.

2. Ein Körper, der Überfluss hat an Licht, kann einen Körper, dem es an Licht mangelt, beleuchten, wie die Sonne den Mond. Die höheren Geister nun nehmen im Überfluss teil am natürlichen Licht [des Verstandes]. Also scheint es, dass die höheren bösen Geister die niederen erleuchten können.

ANDERSEITS ist Erleuchtung verbunden mit Läuterung und Vollendung (106, 1 u. 2). Läutern aber kommt den bösen Geistern nicht zu; nach Sir 34, 4: ,,Was kann vom Unreinen Reines kommen ?" Also kommt ihnen auch Erleuchten nicht zu.

ANTWORT: Bei den bösen Geistern kann es keine Erleuchtung im eigentlichen Sinn geben. Denn Erleuchtung im eigentlichen Sinn ist eine Offenbarmachung der Wahrheit (107, 2), insofern sie eine Beziehung hat zu Gott, der jeden Verstand erleuchtet. Eine andere Form der Offenbarung der Wahrheit kann in der Sprache liegen, so wenn ein Engel einem andern seinen Gedanken offenbart. Die Verkehrtheit der bösen Geister aber hat das Eigentümliche, dass der eine den andern nicht auf Gott hinordnen will, sondern ihn eher von der göttlichen Ordnung abzubringen sucht. Und darum erleuchtet kein böser Geist den andern, doch kann der eine dem andern seine Gedanken durch die Sprache zur Kenntnis bringen.

Zu 1. Nicht jede beliebige Offenbarung der Wahrheit hat die Eigenart der Erleuchtung, sondern, nur die genannte (Antw.).

Zu 2. In bezug auf das, was sich auf die natürliche Erkenntnis erstreckt, braucht es weder bei den Engeln noch bei den bösen Geistern eine Offenbarung der Wahrheit, denn sogleich von Anfang ihres Daseins an haben sie alles erkannt, was zur natürlichen Erkenntnis gehört. Darum kann die größere Fülle natürlichen Lichtes, das in den höheren bösen Geistern lebt, kein Grund sein für Erleuchtungen.

4. ARTIKEL

Haben die guten Engel einen Vorrang über die bösen?

1. Der Rang der Engel richtet sich hauptsächlich nach den Erleuchtungen. Da die bösen Engel aber Finsternis sind, werden sie von den guten nicht erleuchtet. Also haben die guten Engel keinen Vorrang über die bösen.

2. Es scheint auf eine Nachlässigkeit des Obern zurückzugehen, was durch die Untergebenen schlecht besorgt wird. Die bösen Geister aber tun viel Schlechtes. Wenn sie also dem Vorrang der guten Engel unterworfen sind, so scheint es bei den guten Engeln Nachlässigkeit zu geben. Das ist ungereimt.

3. Der Vorrang der Engel richtet sich nach der Ordnung der Natur (Art. 2). Wenn aber die bösen Geister aus den einzelnen Chören gestürzt sind, wie man gewöhnlich sagt, so sind viele bösen Geister der Naturordnung nach vielen guten Engeln überlegen. Also haben die guten Engel keine Vorrangstellung über alle bösen Engel.

ANDERSEITS sagt Augustinus: ,,Der fahnenflüchtige und sündige Lebensgeist wird durch den vernünftigen, frommen und gerechten Lebensgeist beherrscht." Und Gregor sagt: ,, ,Mächte‘ heißen diejenigen Engel, deren Botmäßigkeit die feindlichen Kräfte unterworfen sind."

ANTWORT: Die ganze Vorrangordnung ruht zuerst und ursprünglich in Gott, und an dieser Ordnung nehmen die Geschöpfe teil, je mehr sie sich Gott nähern, denn jene Geschöpfe, die vollkommener und Gott näher sind, haben Einfluss auf die andern. Die größte Vollkommenheit aber, eine Vollkommenheit, auf Grund deren man Gott am nächsten kommt, besitzen diejenigen Geschöpfe, welche sich Gottes freuen, wie zum Beispiel die heiligen Engel. Dieser Vollkommenheit sind die bösen Geister beraubt. Und darum haben die guten Engel einen Vorrang über die bösen; diese werden durch jene beherrscht.

Zu 1. Durch die heiligen Engel wird den bösen Geistern vieles aus den göttlichen Geheimnissen offenbart, da es die göttliche Gerechtigkeit erfordert, dass durch die bösen Geister einiges geschieht, sei es zur Bestrafung der Gottlosen oder zum Ansporn der Guten; so machen im Menschenleben die Beisitzer des Richters dessen Urteilsspruch den Schergen offenbar. Derartige Offenbarungen also sind, von den offenbarenden Engeln her gesehen, Erleuchtungen, weil sie diese auf Gott hinordnen. Von Seiten der bösen Geister aber sind es keine Erleuchtungen, weil sie diese nicht auf Gott hinordnen, sondern auf die Ausübung ihrer eigenen Bosheit.

Zu 2. Die heiligen Engel sind Diener der göttlichen Weisheit. Wie darum die göttliche Weisheit zulässt, dass Böses geschieht durch böse Engel oder Menschen, um des Guten willen, das sie daraus herleitet, so halten auch die guten Engel die bösen nicht gänzlich davon ab, Schaden anzurichten.

Zu 3. Der Engel, welcher der Naturordnung nach zu den niederen gehört, hat einen Vorrang vor den bösen Geistern, wenn sie ihm auch in der Naturordnung überlegen sind, weil die Kraft der göttlichen Gerechtigkeit, der die guten Engel anhangen, stärker ist als die natürliche Kraft der Engel. So gilt schon bei den Menschen: ,,Der geistige Mensch beurteilt alles" (1 Kor 2, 15). Und der Philosoph sagt: ,,Der Tugendhafte ist Regel und Maß aller menschlichen Handlungen."

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