Die Engellehre anhand der Schriften
der großen Theologen und des kirchlichen Lehramtes

Hl. Thomas von Aquin: Summa Theologiae

Hl. Thomas von Aquin: Summa Contra Gentiles

Die Gesamtheit der Theologie des Hl. Thomas besteht aus mehren Bänden. In der Wirklichkeit sind es fünf  Bände. In der Logik aber hat es der große Theologe in drei unterteilt:
1. Teil: Gottes Schöpfung und sein Wirken in der Schöpfung
2. Teil: Das menschliche Handeln: Dieser Teil ist wiederum unterteilt in 2 Unterteilen:
"1.Teil des 2.Teiles" : Das Wesen des Handelns an sich und
"2. Teil des 2 Teiles" : Die Tugenden, Urquelle des menschlichen Handelns
3. Teil: Gottes Handeln im einst menschlichen Christus und im verklärten Christus, der durch seine Sakramente wirkt. Dieser Teil ist ebenfalls unterteilt in
"3. Teil" und "Ergänzung"

 

 


Seine ganze Theologie hat der Theologe im Stil der einzelnen Fragestellung aufgebaut. Zuerst wird die Frage gestellt, dann  mit Gründen dagegen (1. 2. 3) beantwortet, darauf mit einem weiteren Grund dafür oder dagegen beantwortet (Anderseits), und schließlich mit einer Erörterung, der definiten ANTWORT, behandelt. Danach folgt noch die Entkräftung der nach der Fragestellung gegebenen negativen  Gründe (Zu 1. zu 2. zu 3. ...)

Die Engel finden sich in den  Fragen in der rechten Spalte:

1. Teil:
50. - 64. FRAGE: Die Engelwelt
50. FRAGE: Vom Wesen der Engel überhaupt
51. FRAGE: Das Verhältnis der Engel zu den Körpern
52.  FRAGE: Vom Verhältnis der Engel zum Ort
53.  FRAGE: Von der Ortsbewegung der Engel
54.  FRAGE: Von der Erkenntnis der Engel
55.  FRAGE: Von dem Erkenntnismittel der Engel
56.  FRAGE: Über die Erkenntnis der Engel im Bereich der unstofflichen Dinge
57.  FRAGE: Von der Erkenntnis der Engel hinsichtlich der stofflichen Dinge
58.  FRAGE: Von der Weise des Erkennens der Engel
59.  FRAGE: Vom Willen der Engel
60.  FRAGE: Von der Liebe oder Zuneigung der Engel
61.  FRAGE: Von der Hervorbringung der Engel zum Sein der Natur
62.  FRAGE: Von der Vollendung der Engel im Sein der Gnade und Herrlichkeit
63.  FRAGE: Von der Schlechtheit der Engel in bezug auf ihre Schuld
64.  FRAGE: Von der Strafe der bösen Geister
65. FRAGE, Artikel 3: Sind d. Körperdinge  unter Vermittlung d. Engel hervorgebracht?
65. FRAGE, Artikel  4 :Sind die Wesensformen der Körper von den Engeln?
75. FRAGE, Artikel 7: Ist die Seele von der selben Art wie der Engel?
88. FRAGE, Artikel 1: Kann die menschliche Seele d.  Stofflose durch diese selbst erkennen?
88. FRAGE, Artikel 2: Kann unser Verstand durch Stoffliches das Stofflose  erkennen?
90. FRAGE, Artikel 3: Ob die Vernunftseele unmittelbar von Gott hervorgebracht wurde
93. FRAGE, Artikel 3: Ob d. Engel vollkommener ein Ebenbild Gottes ist als d. Mensch
94. FRAGE, Artikel 2: Ob Adam im Unschuldsstande die Engel in ihrem Wesen geschaut hat
106-114 Von den Engeln in Wirkung auf die Schöpfung
106.  FRAGE: Wie ein Geschöpf das andere bewegt
107.  FRAGE: Von der Sprache der Engel
108.  FRAGE: Von den Stufen der Engel nach Rangfolgen und Chöre
109.  FRAGE: Von den Stufenordnungen der bösen Engel
110.  FRAGE: Das Walten der Engel über die körperliche Schöpfung
111.  FRAGE: Von der Einwirkung der Engel auf den Mensch
112.  FRAGE: Von der Sendung der Engel
113.  FRAGE: Vom Beschützeramt der guten Engel
114.  FRAGE: Von der Anfechtung der bösen Engel
2. Teil
Einzelaspekte der Engel in 1. Teil des 2. Teiles
3. FRAGE,  Artikel 7: Ob uns die Erkenntnis der Engel glücklich macht?
89. FRAGE,  Artikel 4: Ob ein guter oder schlechte Engel leicht sündigen kann?
98. FRAGE,  Artikel 3: Wurde das Alte Gesetz durch Engel gegeben?
Einzelaspekte der Engel in 2. Teil des 2. Teiles
5. FRAGE,  Artikel 1: Hatten Engel und Mensch in ihrer ursprünglichen Seinsweise Glauben?
5. FRAGE,  Artikel 2: Ist in den gefallenen Engeln (noch) Glaube?
25. FRAGE,  Artikel 10: Müssen wir die Engel aus der heiligen Liebe lieben?
25. FRAGE,  Artikel 11: Müssen wir die Dämonen aus heiliger Liebe lieben?
172. FRAGE,  Artikel 2: Ergeht die prophetische Offenbarung durch Engel?
3. Teil
Einzelaspekte der Engel in 3. Teil
8. FRAGE,  Artikel 4: Ist Christus als Mensch das Haupt der Engel?
11. FRAGE,  Artikel 4: War das eingegossene Wissen Christi geringer als das der Engel?
12 FRAGE,  Artikel 4: Hat Christus von den Engeln Wissen empfangen?
30. FRAGE,  Artikel 2: Musste der Maria die Botschaft durch einen Engel gebracht werden?
30. FRAGE,  Artikel 3: Musste der Engel bei der Verkündigung an Maria  sichtbar erscheinen?
36. FRAGE,  Artikel 5: Musste die Geburt Christi durch den Engel und den Stern verkündet w.?
59. FRAGE,  Artikel 5: Erstreckt sich die richterliche Gewalt Christi auf die Engel?
64. FRAGE,  Artikel 7: Können die Engel Sakramente spenden?
80. FRAGE,  Artikel 2: Kann nur der Mensch oder können auch die Engel dieses Sakrament geistig empfangen?
Einzelaspekte der Engel in  Ergänzung
16. FRAGE,  Artikel 3: Ist der Engel, der gute oder böse, für die Buße empfänglich?
76. FRAGE,  Artikel 2: Werden die Engel auf irgendeine Weise zur Auferstehung beitragen?
89. FRAGE,  Artikel 3: Müssen die Engel richten?
89. FRAGE,  Artikel 4: Vollstrecken die Dämonen ihr  Gerichtsurteil an den Verdammten?
95. FRAGE,  Artikel 4: Besitzen die Engel Brautgaben?
96. FRAGE,  Artikel 9: Gebührt den Engeln ein Siegeszeichen?
zurück zur Ausgangsseite aller Fragen: Sum. Theol.

DRITTER TEIL

8. FRAGE
DIE GNADE CHRISTI als Haupt der Kirche

4. ARTIKEL

Christus als Mensch das Haupt der Engel?

1. Haupt und Glieder gehören derselben Natur an. Nun war Christus nicht einer Natur mit den Engeln, sondern nur mit den Menschen: ,,Nicht die Engel nahm Er an, sondern Abrahams Samen" (Hebr 2,16). Also war Christus, sofern Er Mensch war, nicht Haupt der Engel.

2. Christus ist das Haupt derer, die Seinem Leib, der Kirche, angehören (Eph 1,23). Die Engel jedoch gehören der Kirche nicht an, weil die Kirche eine Gemeinschaft von Gläubigen ist, die Engel aber nicht den Glauben haben, denn sie wandeln nicht im Glauben, sondern im Schauen, sonst wären sie ,,in der Fremde, fern vom Herrn" (2 Kor 5,6+7). Also ist Christus als Mensch nicht Haupt der Engel.

3. Augustinus schreibt in seiner Erklärung zum Johannes-Evangelium: wie ,,das WORT, das seit Anbeginn beim Vater war", die Seelen lebendig macht, so macht "das WORT, das Fleisch geworden", die Leiber lebendig. Die Engel aber haben keinen Leib. Das fleischgewordene WORT ist Christus als Mensch. Also strömt den Engeln das Leben nicht von Christus, dem Menschen, zu, und so ist Er als Mensch nicht das Haupt der Engel.

ANDERSEITS heißt es in Kol 2,10: ,,. . . Er ist das Haupt aller Fürstentümer und Gewalten" Dasselbe gilt von allen anderen Engelchören. Also ist Er das Haupt der Engel.

ANTWORT: Wo nur ein Leib ist, ist auch nur ein Haupt. Nur gleichnisweise nennen wir auch eine Vielheit, deren verschiedene Tätigkeiten und Aufgaben auf ein [einziges] Ziel eingestellt sind, einen Leib. Nun sind aber offenbar Menschen wie Engel auf ein Ziel hingeordnet, auf die Herrlichkeit der Wonne in Gott. Daher gehören zum mystischen Leib der Kirche nicht nur die Menschen, sondern auch die Engel. Das Haupt dieser großen Schar aber ist Christus, weil Er Gott näher ist und an Seinen Gaben vollkommener teilhat als die Menschen und selbst die Engel; denn beide empfangen von Seiner Fülle: ,,Gott Vater hat Ihn (Christus) im Himmel zu Seiner Rechten gesetzt über alle Fürstentümer, Mächte, Gewalten, Herrschaften und jegliches Wesen dieser und der kommenden Welt" (Eph 1,20 ff). Und Psalm 8,8: "Alles hat Er Ihm zu Füßen gelegt." Aus diesem Grund ist Christus das Haupt beider, der Menschen und der Engel. Daher lesen wir bei Matthäus: ,,Engel traten herzu und dienten Ihm" (4, 11).

Zu 1. Der Strom, der sich von Christus auf alle Menschen ergießt, erreicht in erster Linie die Seelen. Durch die Seele kommen aber die Menschen mit den Engeln, zwar nicht der Art, wohl aber der Gattung nach in der Natur überein. Und auf Grund dieser Verwandtschaft kann Christus Haupt der Engel genannt werden, wenn auch diese Verwandtschaft [zwischen Menschen und Engeln] nicht auf den Leib erstreckt.

Zu 2. Die Kirche auf Erden ist die Gemeinschaft der Gläubigen, die im Himmel dagegen die Gemeinschaft der Schauenden. Nun war Christus Pilger und Schauer zugleich. Er ist daher das Haupt nicht nur der Gläubigen, auch der Schauenden; denn in Ihm ruht die Fülle Gnade und Herrlichkeit.

Zu 3. Augustin spielt an dieser Stelle auf die Ähnlichkeit an, die zwischen Ursache und Wirkung besteht; Körperliches wirkt auf Körperliches, Geistiges auf Geistiges. Doch vermag der Mensch Christus kraft Seiner göttlichen Natur, die eine geistige ist, nicht nur in den Geist-Seelen der Menschen als Ursache zu wirken, sondern auch in den reinen Geistern, den Engeln, auf Grund Seiner innigsten Verbindung mit Gott, d. h. auf Grund der Einheit in der Person.

nach oben

11. FRAGE
DAS WISSEN, EINGEDRÜCKT ODER EINGEGOSSEN IN DIE SEELE CHRISTI

4. ARTIKEL

War das ein gegossene Wissen Christi geringer als der Engel?

1. Das Maß der Vollkommenheit richtet sich nach dem, was vervollkommnet wird. Nun steht die Menschenseele ihrer Natur nach unter der Natur der Engel. Das eingegossene Wissen, von dem wir jetzt sprechen, soll aber die Seele Christi vervollkommnen. Folglich stand es allem Anschein nach vor dem zurück, was die Natur der Engel vervollkommnet.

2. Das Wissen der Seele Christi beruhte in gewisser Hinsicht auf vergleichendem und schlussfolgerndem Denken. Bei den Engeln dagegen ist dies ausgeschlossen. Also blieb das Wissen Christi hinter dem der Engel zurück.

3. Je freier vom Stoff, um so höher die Erkenntnis. Nun ist die Erkenntnis der Engel freier vom Stoff [d. h. reiner] als die der Seele Christi. Denn als Seinsvollkommenheit des Leibes bedarf die Seele zum Erkennen der Phantasiebilder — der Engel aber nicht. Folglich ist das Wissen der Engel höher als das der Seele Christi.

ANDERSEITS heißt es im Hebräerbrief (2,9): ,,Wir sehen Jesus, der nur für kurze Zeit unter die Engel erniedrigt war, um Seines Todleidens willen mit Ruhm und Ehre gekrönt." Daraus geht hervor, dass Christus bloß wegen Seines Leidens und Sterbens geringer als Engel genannt wird, nicht wegen Seines Wissens.

ANTWORT: Das eingegossene Wissen der Seele Christi lässt sich von zwei Seiten betrachten. Die eine Betrachtungsweise gilt der Quelle dieses Wissens, die andere dem, der es empfängt. Nun leuchtet das geistige Licht, die Quelle, aus der der Seele Christi das eingegossene Wissen zuströmt, viel heller als das natürliche Licht der Engel. Und deshalb überragt das eingegossene Wissen der Seele Christi bei weitem das der Engel, sowohl durch die Fülle des Erkannten wie durch die Gewissheit der Erkenntnis. Was jedoch den betrifft, der es empfängt, so steht das eingegossene Wissen Christi unter dem der Engel. Denn die der Menschenseele natürliche Erkenntnisweise fordert die Hilfe der Phantasiebilder, sowie vergleichendes und schlussfolgerndes Denken.

Damit ist auch die Antwort auf die Einwände gegeben.

nach oben

12. FRAGE
DAS ERWORBENE ODER EMPIRISCHE WISSEN DER SEELE CHRISTI

4. ARTIKEL

Hat Christus von den Engeln Wissen empfangen?

1. Der Evangelist sagt von Christus: ,,Es erschien Ihm ein Engel und stärkte Ihn" (Lk 22,43). Eine solche Stärkung aber wird durch ermunternde Worte eines Lehrers vermittelt, wie von Job geschrieben steht: ,,Siehe, viele hast du unterwiesen und müde Hände gestärkt, den Strauchelnden erhielten deine Worte aufrecht" (4, 3+4). Also ist Christus von Engeln belehrt worden.

2. Dionysius Areopagita schreibt: ,,Ich sehe, dass selbst Jesus, der über alle himmlischen Wesen unendlich Erhabene, ohne sich zu wandeln, zu uns herabstieg und sich gehorsam den Weisungen unterwarf, die Gott Vater ihm durch Engel gab." Es scheint also, dass Christus sich an Anordnungen des göttlichen Gesetzes unterwerfen wollte, wonach den Menschen durch Vermittlung der Engel Belehrung zuteil wird.

3. Wie der menschliche Körper entsprechend seiner Natur dem Einfluss der Himmelskörper unterworfen ist, so der Menschengeist dem Einfluss der Himmelsgeister. Der Leib Christi war aber dem Einfluss der Himmelskörper unterworfen, denn Er litt unter der Hitze des Sommers, der Kälte des Winters sowie unter anderen äußeren Einflüssen, die auf das menschliche Sinnenleben wirken Also stand auch Sein menschlicher Geist den Erleuchtungen der himmlischen Geister offen.

ANDERSEITS schreibt Dionysius Areopagita, dass die höchsten Engel ,,an JESUS Fragen stellen, um Sein göttliches Wirken für uns zu erfahren: und JESUS selbst belehrt sie unmittelbar". Nun kann aber niemand zugleich lehren und lernen. Also wurde auch Christus nicht von den Engeln belehrt.

ANTWORT: Die menschliche Seele steht in der Mitte zwischen den reinen Geistern und den Körpern und wird daher gemäß dieser ihrer Natur auf zweifache Weise vollendet: *erstens durch ein Wissen, das sie aus den Sinnendingen schöpft, und *zweitens durch ein Wissen, das ihr von reinen Geistern auf dem Wege der Erleuchtung eingegeben wird. Durch beide Arten wurde die Seele Christi vollendet: aus der Sinnenwelt nahm sie das Erfahrungswissen, wofür das Licht des tätigen Verstandes hinreicht und keine Erleuchtung durch Engel erfordert ist; — von oben aber strömte ihr das eingegossene Wissen zu, das sie unmittelbar von Gott empfing. Denn wie die Seele Christi in einer alles Geschaffene überragenden Weise in der Einheit der Person mit dem WORT verbunden war, so wurde sie auch auf eine alle Menschen überragende Weise vom WORT selbst unmittelbar mit Wissen und Gnade erfüllt — und nicht durch Vermittlung der Engel; die ja selbst alles Wissen bei ihrer Erschaffung vom WORT empfangen haben (Augustinus).

Zu 1. Diese Stärkung durch einen Engel wurde dem Herrn] nicht als Belehrung zuteil; sie sollte nur die Wahrheit Seiner menschlichen Natur erkennen lassen. Darüber schreibt Beda: ,,Dass Engel Ihm gedient und Ihn gestärkt haben, wird nur erzählt, um Seine beiden Naturen zu beweisen. Denn der Schöpfer brauchte nicht den Schutz Seines Geschöpfes. Aber wie Er, menschgeworden, unsertwillen traurig wurde, so ließ Er sich auch .unsertwillen stärken." Damit soll in uns nur der Glaube an Seine Menschwerdung gefestigt werden.

Zu 2. Wenn sich Christus ,,nach den Weisungen der Engel richtete" (Dionysius), so galten diese nicht Seiner Person. Sie betrafen nur die Vorgänge, die mit Seiner Menschwerdung zusammenhingen, und die Betreuung Seiner Kindheit. Daher fügt Dionysius der obigen Stelle die Worte bei: ,,Durch Engel wird Joseph die Kunde, dass der Vater die Flucht JESU nach Ägypten und später Seine Heimkehr aus Ägypten nach Judäa angeordnet habe."

Zu 3. Der Sohn Gottes nahm einen leidensfähigen Körper (14,1), — aber eine an Wissen und Gnade vollendete Seele an. Daher war wohl Sein Leib dem Einfluss der Gestirne ausgesetzt, aber Seine Seele dem Einwirken der himmlischen Geister nicht unterworfen.

nach oben

30. FRAGE
DIE VERKÜNDIGUNG AN DIE SELIGE JUNGFRAU MARIA

2. ARTIKEL

Musste der allerseligsten Jungfrau die Botschaft durch einen Engel gebracht werden?

1. Den höchsten Engeln kommt die Offenbarung unmittelbar von Gott zu (Dionysins). Die Gottesmutter aber ist über alle Engel erhaben. Also scheint es, dass ihr das Geheimnis der Menschwerdung unmittelbar von Gott hätte verkündet werden sollen, und nicht durch einen Engel.

2. Sollte die gewöhnliche Ordnung insofern gewahrt werden, als das Göttliche den Menschen durch Engel geoffenbart wird, dann musste entsprechend auch das Göttliche durch einen Mann an die Frau weitergeleitet werden; denn der Apostel sagt 1 Kor 14,34f: ,,Frauen sollen in der Gemeinde schweigen; wollen sie aber etwas erfahren. dann sollen sie zu Hause ihre Männer fragen." Also scheint es, das Geheimnis der Menschwerdung hätte der allerseligsten Jungfrau durch einen Mann angekündigt werden sollen, zumal [auch] Joseph, ihr Mann, darüber durch einen Engel unterrichtet wurde (Mt 1,20f).

3. Niemand vermag über etwas, was ihm selbst unbekannt ist, recht zu berichten. Nun kannten selbst die höchsten Engel das Geheimnis der Menschwerdung nicht im vollen Umfange. Deshalb sagt Dionysius, die Frage: ,,Wer ist es, der da kommt von Edom?" (Jes 63,1), müsse den Engeln in den Mund gelegt werden. Also scheint es, dass die Verkündigung der Menschwerdung in angemessener Weise nicht durch einen Engel überbracht werden konnte.

4. Außergewöhnliche Ereignisse sind durch außergewöhnliche Boten zu verkünden. Nun ist das Geheimnis der Menschwerdung das außergewöhnlichste Ereignis unter allen, die je durch Engel den Menschen verkündet wurden. Wenn es aber überhaupt durch einen Engel verkündet werden sollte, dann hätte es offenbar durch einen Engel des höchsten Chores geschehen müssen. Nun war aber Gabriel nicht aus dem höchsten Chor, sondern aus dem Chor der Erzengel, welcher der vorletzte ist. Deshalb singt die Kirche: ,,Wir wissen, dass der Erzengel Gabriel in der Kraft Gottes das Wort an dich richtete." Also war es nicht angemessen, dass eine solche [außergewöhnliche] Verkündigung durch den Erzengel Gabriel erfolgte.

ANDERSEITS heißt es Lk 1,26: ,,Gesandt ward der Engel Gabriel von Gott ...

ANTWORT: Es war angemessen, dass der Gottesmutter das Geheimnis der Menschwerdung Gottes durch einen Engel verkündet wurde, und zwar aus drei Gründen. *Erstens, damit auch darin die göttliche Anordnung gewahrt würde, nach der Göttliches durch die Vermittlung der Engel zu den Menschen gelangt. So sagt Dionysins: ,,Das göttliche Geheimnis der Milde Jesu haben zuerst die Engel erfahren; nachher ist durch sie die Gnade dieser Erkenntnis auf uns übergegangen. So belehrte der göttliche Gabriel den Zacharias, ein Prophet werde aus ihm hervorgehen; Maria aber darüber, wie in ihr durch Gottes Macht das Geheimnis Seiner unaussprechlichen Gestaltwerdung geschehen sollte."
*Zweitens war dies der Wiederherstellung des Menschen angemessen, die durch Christus geschehen sollte. Daher sagt Beda: ,,Es war ein passender Anfang der menschlichen Erneuerung, dass ein Engel von Gott zu der Jungfrau gesandt wurde, die durch die göttliche Geburt geheiligt werden sollte; denn die erste Ursache des menschlichen Verderbens war, dass die Schlange vom Teufel gesandt wurde, um die Frau durch den Geist des Hochmutes zu täuschen."
*Drittens entsprach dies auch der Jungfräulichkeit de Gottesmutter. Hieronymus sagt deshalb: ,,Mit Recht wird ein Engel zu der Jungfrau gesandt; denn immer ist die Jungfräulichkeit mit den Engeln verwandt. In der Tat ist Leben im Fleisch und nicht nach dem Fleisch nicht ein irdisches, sondern ein himmlisches Leben."

Zu 1. Die Gottesmutter stand über den Engeln kraft der Würde, zu der sie von Gott erwählt worden war. Was aber den Zustand des gegenwärtigen Lebens betrifft, stand sie unter den Engeln. Denn selbst Christus war wegen Seines dem Leiden unterworfenen Lebens ,,ein wenig unter die Engel erniedrigt" (Heb 2,9). Weil aber Christus gleichzeitig ,unterwegs‘ und doch schon am Ziel der Gottesschau war, brauchte Er, was die Erkenntnis der göttlichen Dinge angeht, nicht von einem Engel belehrt zu werden. Die Gottesmutter war aber noch nicht am Ziele der Gottesschau, und deshalb musste sie über die göttliche Empfängnis durch Engel unterrichtet werden.

Zu 2. Augustinus sagt, die allerseligste Jungfrau Maria sei nach glaubwürdigem Urteil von einigen allgemein gültigen Gesetzen ausgenommen gewesen, denn ,,die in einem völlig unversehrten Schoß Christus vom Heiligen Geist empfing, hat weder mehrmals geboren, noch stand sie unter des Mannes", d. h. des Gatten, ,,Gewalt". Deshalb sollte sie nicht durch einen Mann über das Geheimnis der Menschwerdung unterrichtet werden, sondern durch einen Engel. Daher ist sie auch vor Joseph unterrichtet worden; denn sie erhielt Kunde davon vor der Empfängnis, Joseph jedoch erst nachher.

Zu 3. Wie aus dem angeführten Zeugnis des Dionysius hervorgeht, haben die Engel das Geheimnis der Menschwerdung gekannt. Doch fragen sie in dem Verlangen, mehr über Christus zu erfahren, nach den Gründen dieses Geheimnisses, die für jeden geschaffenen Geist unfassbar sind. Daher sagt- Maximus:‘ ,,Dass die Engel die bevorstehende Menschwerdung wussten, darüber besteht kein Zweifel. Dagegen war ihnen die unerforschliche Empfängnis des Herrn verborgen geblieben und die Art und Weise, wie Er ganz im Vater, ganz in allen Dingen blieb und zugleich auch im Kämmerlein der Jungfrau war.

Zu 4. Manche sind der Ansicht, dass Gabriel zum höchsten Chor gehörte, weil Gregor sagt: ,,Es gehörte sich, dass der höchste Engel kam, die höchste Botschaft zu überbringen."

Jedoch kann man daraus noch nicht schließen, dass er der höchste von allen Engelchören, sondern [der höchste] unter den Boten Gottes war; er gehörte nämlich zur Ordnung der Erzengel. Daher nennt ihn auch die Kirche ,Erzengel‘, und Gregor selbst sagt: ",Erzengel‘ werden genannt, die größte Ereignisse verkünden." Es ist also einigermaßen glaubwürdig, dass er der höchste im Chor der Erzengel ist. Und sein Name entspricht, wie auch Gregor sagt, seiner Aufgabe: ,,Gabriel" nämlich ,,heißt ,Kraft Gottes‘. Durch die Kraft Gottes sollte also verkündet werden, dass der Herr der- Heerscharen, der da mächtig ist im Streite [vgl. Ps 24 (23),8+10], gekommen war, mit den Mächten der Lüfte zu kämpfen".

nach oben

3. ARTIKEL

Musste der Engel bei der Verkündigung der Jungfrau körperlich sichtbar erscheinen?

1. ,,Erhabener ist die geistige Schau als die körperliche", schreibt Augustinus, und gerade sie entspricht dem Engel am ehesten. Denn in der geistigen Schau sieht man den Engel in der ihm eigenen Wesenheit, in der körperlichen Schau dagegen nur in einer angenommenen körperlichen Gestalt. Wie es sich aber ziemte, dass zur Verkündigung der göttlichen Empfängnis der höchste Bote kam, ebenso scheint es geziemend gewesen zu sein, dass die höchste Art des Schauens angewandt worden wäre. Es scheint also, dass der Verkündigungsengel in geistiger Schau der Jungfrau erschien.

2. Auch die Schau der Vorstellungskraft scheint höher zu stehen als die körperliche. Denn die Vorstellungskraft ist ein höheres Vermögen als die der [äußeren] Sinne. Nun ,,erschien der Engel Joseph im Traum", in einem Gesicht der Vorstellungskraft also, wie aus Mt 1,20 und 2,13+19 hervorgeht. Also hätte er offenbar auch der allerseligsten Jungfrau in einer Schau der Vorstellungskraft, nicht in einer körperlichen Schau sichtbar werden sollen.

3. Die körperliche Schau eines geistigen Wesens macht die Schauenden erschrecken; deshalb singt man auch von der Jungfrau: ,,Und die Jungfrau erbebte vor dem Licht." Aber besser wäre es gewesen, wenn ihr Geist vor einer solchen Erschütterung bewahrt geblieben wäre. Also war diese Ankündigung durch eine körperlich sichtbare Gestalt nicht angemessen.

ANDERSEITS lässt Augustinus in einer Predigt die allerseligste Jungfrau sprechen: ,,Es kam zu mir der Erzengel Gabriel, leuchtenden Antlitzes, mit glänzendem Gewand und wunderbar in seinem Schreiten." Das kann sich aber nur auf eine körperliche Schau beziehen. Also ist der Engel bei der Verkündigung der allerseligsten Jungfrau körperlich sichtbar erschienen.

ANTWORT: Der Engel erschien bei der Verkündigung der Gottesmutter körperlich sichtbar. Und dies war angemessen, *erstens mit Rücksicht auf das, was verkündet wurde. Gabriel war nämlich gekommen, die Menschwerdung des unsichtbaren Gottes anzukündigen. Daher war es auch entsprechend, dass zur Ankündigung dieses Geschehens ein unsichtbares Geschöpf eine Gestalt annahm, in der es sichtbar werden konnte, zumal auch alle [sichtbaren] Erscheinungen des Alten Bundes auf die Erscheinung hingeordnet sind, in der Gottes Sohn im Fleisch erschien.
*Zweitens war es der Würde der Gottesmutter entsprechend, die nicht nur im Geiste, sondern in ihrem leiblichen Schoß den Gottessohn empfangen sollte. Deshalb mussten nicht nur ihr Geist, sondern auch ihre körperlichen Sinne durch die Erscheinung des Engels gestärkt werden.
*Drittens entsprach es der Gewissheit der Botschaft. Denn, was den Augen zugänglich ist, erfassen wir mit größerer Sicherheit als das, was wir uns nur vorstellen. Deswegen sagt auch Chrysostomus, der Engel sei der Jungfrau nicht im Traum, sondern sichtbar erschienen: ,,Weil sie nämlich eine so große Botschaft vom Engel empfing, bedurfte sie vor einem solchen Geschehnis einer besonders eindrucksvollen Erscheinung.

Zu 1. Die geistige Schau überragt die der Vorstellungskraft oder die körperliche für sich allein genommen. Aber Augustinus selbst sagt, die Weissagung, die einer Schau des Geistes und der Vorstellungskraft zugleich entspringt, sei erhabener als eine solche, die nur auf einer von beiden gründet.‘ Die allerseligste Jungfrau aber empfing nicht nur eine körperliche Schau, sondern auch eine geistige Erleuchtung. Deshalb war eine solche Erscheinung erhabener.

Noch erhabener freilich wäre für sie die geistige Schau des Engels in der ihm eigenen Natur gewesen. Der Stand des Erdenpilgers lässt aber nicht zu, einen Engel in seiner Wesenheit zu schauen.

Zu 2. Die Vorstellungskraft ist gewiss eine höhere [Erkenntnis-]Fähigkeit als der äußere Sinn; weil jedoch der Sinn Ursprung der menschlichen Erkenntnis ist, so liegt in ihm die höchste Gewissheit; denn die ersten Erkenntnisse müssen immer die gewissesten sein. Deshalb hatte Joseph, dem der Engel im Traum erschien, keine so hohe Erscheinung wie die allerseligste Jungfrau.

Zu 3. Ambrosius schreibt: ,,Wir sind verwirrt und geraten außer uns, wenn uns die Begegnung mit einer höheren Macht überwältigt" Das gilt aber nicht nur von der körperlichen Schau, sondern auch von einer Schau der Vorstellungskraft. Deshalb heißt es Gen 15,12: ,,Als die Sonne unterging, überkam Abraham ein tiefer Schlaf. Zugleich überfielen ihn Schrecken und große Finsternis." Jedoch schadet eine solche Erschütterung dem Menschen nicht so sehr, dass darum die Erscheinung des Engels unterbleiben müsste. Und zwar *erstens deshalb, weil gerade dadurch, dass der Mensch über sich selbst erhoben wird — und das steigert seine Würde —, sein niederer Teil geschwächt wird, was die oben erwähnte Erschütterung hervorruft. So erzittert auch das Äußere, wenn sich die natürliche Wärme ins Innere zurückzieht. — *Zweitens, weil ,,der Engel bei seiner Erscheinung, da er die menschliche Natur kennt, zunächst ihre Verwirrung beruhigt" (Origenes). Deswegen sagt er sowohl zu Zacharias als auch zu Maria, als sie erschrecken: ,,Fürchte dich nicht!" Darum ,,ist die Unterscheidung der guten und der bösen Geister nicht schwer" — so heißt es in der Lebensbeschreibung des hl. Antonius; ,,wenn nämlich auf das Erschrecken Freude folgt, dann sollen wir wissen, dass die Hilfe vom Herrn kam. Denn die Ruhe der Seele ist ein Zeichen für die Gegenwart Seiner Erhabenheit. Wenn aber der eingeflößte Schrecken andauert, dann ist es der Feind, der erschienen ist."

Das Erschrecken der Jungfrau entsprach aber auch ihrer jungfräulichen Scheu. Denn, wie Ambrosius sagt: ,,Es ist der Jungfrau eigen, zu erheben und bei jedem Eintreten eines Mannes zu bangen sowie jede Anrede eines Mannes zu scheuen."

Manche dagegen meinen, die allerseligste Jungfrau wäre an Erscheinungen von Engeln gewöhnt gewesen und daher nicht über den Anblick des Engels erschrocken, sondern aus Verwunderung über das, was er ihr kündete, da sie von sich so erhabene Dinge nicht dachte. Deshalb schreibt auch der Evangelist nicht, dass sie bei der Erscheinung des Engels erschrocken sei, sondern ,,bei seinen Worten" (Lk 1,29)

nach oben

36. FRAGE
DIE OFFENBARUNG DES [NEU-]GEBORENEN CHRISTUS

5. ARTIKEL

Musste die Geburt Christi durch den Engel und den Stern verkündet werden?

1. Die Engel sind Geistwesen. ,,Er schuf Seine Engel als Geister" (Ps 103,4). Nun wurde aber Christus dem Fleisch nach und nicht Seiner geistigen Wesenheit nach geboren. Also durfte Er nicht durch Engel verkündet werden.

2. Größer ist die Verwandtschaft der Gerechten mit den Engeln als mit irgendeinem anderen Wesen, nach dem Psalmwort (33,8): ,,Der Engel Gottes umschwebt schützend alle, die ihn fürchten, und errettet sie." Nun wurde aber den Gerechten, Simeon und Anna, Christi Geburt nicht durch Engel kundgetan. Also durfte sie auch den Hirten nicht durch Engel verkündet werden.

3. Ebenso durfte sie auch nicht den Magiern durch einen Stern kundgetan werden. Dies scheint nämlich die in ihrem Irrtum zu bestärken, die der Meinung sind, die Gestirne beherrschten die Geburtstunde der Menschen. Gelegenheiten zu sündigen muss man aber den Menschen ersparen. Demnach war es nicht entsprechend, dass die Geburt Christi durch einen Stern verkündet wurde.

4. Nur ein zuverlässiges Zeichen kann etwas kundmachen. Ein Stern scheint aber kein zuverlässiges Zeichen für die Geburt Christi zu sein. Also geschah die Verkündigung der Geburt Christi nicht in entsprechender Weise.

ANDERSEITS lesen wir in Dtn 32,4: ,,Gottes Werke sind vollkommen." Eine derartige Ankündigung ist aber ein Werk Gottes. Also geschah sie durch entsprechende Zeichen.

ANTWORT: Will man jemand etwas durch Begriffe klarmachen, so kann es nur durch bereits Bekanntes geschehen. Ebenso kann man jemand etwas nur durch solche Zeichen klarmachen, die ihm bereits vertraut sind. Nun ist es offenbar gerechten Männern etwas Vertrautes und Gewohntes, durch innere Eingebung des Heiligen Geistes, nämlich durch den Geist der Weissagung, belehrt zu werden, ohne eine Bestätigung in sichtbarer Form. Andere dagegen, die in körperlichen Dingen befangen sind, werden durch Sinnfälliges zu Geistigem hingeleitet. Die Juden waren jedoch gewohnt, einen göttlichen Bescheid durch Engel zu empfangen; auf diese Art hatten sie auch das Gesetz erhalten: ,,Ihr habt das Gesetz durch den Dienst der Engel empfangen" (Apg 7,53). Die Heiden dagegen und vor allem Sternkundige hatten die Gewohnheit, den Lauf der Gestirne zu beobachten. Deswegen wurde den Gerechten, nämlich Simeon und Anna, die Geburt Christi durch eine innere Eingebung des Heiligen Geistes verkündet: ,,Es war Simeon vom Heiligen Geist geoffenbart worden, er würde den Tod nicht schauen, bevor er den Gesalbten des Herrn gesehen hätte" (Lk 2,26). Den Hirten und Magiern dagegen, die in körperlichen Dingen befangen waren, wurde die Geburt Christi durch sichtbare Erscheinungen verkündet. Und weil die Geburt Christi nicht etwas rein Irdisches, sondern in gewissem Sinn etwas Himmlisches war, wurde sie beiden durch himmlische Zeichen bekannt gemacht. So sagt auch Augustinus in einer Predigt zum Fest der Erscheinung: ,,Die Engel wohnen im Himmel, und die Gestirne schmücken ihn: deswegen verkündet der Himmel durch beide die Herrlichkeit Gottes."

Es ist also verständlich, dass den Hirten, als Juden, bei denen häufig Engel erschienen waren, die Geburt Christi durch Engel bekannt gemacht, den Magiern aber, denen die Beobachtung der Himmelskörper vertraut war, durch einen Stern angezeigt wurde: ,,Der Herr ließ sich zu ihnen herab und wollte sie durch Vertrautes berufen" (Chrysostomus). — Es gibt jedoch noch einen anderen Grund. Denn, wie Gregor sagt, ,,musste den Juden als Vernunftwesen gleichfalls ein vernünftiges Wesen, d.h. ein Engel, Verkünder sein. Die Heiden hingegen werden, weil sie sich der Vernunft nicht zu bedienen wussten, nicht durch ein Wort, sondern durch Zeichen zur Erkenntnis Gottes geführt. Und wie Prediger den Herrn, als Er bereits sprach, den Heiden verkündeten, so predigten Ihn, als Er noch nicht sprach, die stummen Elemente." — Noch einen dritten Grund gibt es: Wie Augustinus [Papst Leo] in einer Predigt zum Feste der Erscheinung sagt, ,,wurde Abraham eine zahllose Nachkommenschaft verheißen, die nicht durch den Samen des Fleisches, sondern aus der Fruchtbarkeit des Glaubens erstehen sollte. Deshalb wurde sie auch mit der Menge der Sterne verglichen, damit man eine himmlische Nachkommenschaft erwarte." Und die Heiden, ,,die in den Sternen vorgebildet waren, wurden deshalb durch den Aufgang eines neuen Gestirnes angetrieben", zu Christus zu kommen, durch den sie zu Kindern Abrahams werden.

Zu 1. Nur was an und für sich verborgen ist, bedarf einer Enthüllung, nicht aber, was an sich schon offenbar ist. Die Menschheit dessen, der geboren wurde, war aber offenbar, Seine Gottheit dagegen war verborgen, und deshalb wurde jene Geburt ganz entsprechend durch Engel verkündet, die Diener Gottes sind. Daher erschien der Engel auch in strahlendem Glanz, um anzuzeigen, dass der Neugeborene ,,der Abglanz der Herrlichkeit des Vaters" sei [vgl. Hebr 1,3].

Zu 2. Gerechte bedürfen nicht einer sichtbaren Erscheinung von Engeln, sondern wegen ihrer Vollkommenheit genügt für sie eine innere Eingebung des Heiligen Geistes.

Zu 3. Der Stern, der die Geburt Christi verkündete, entzog allem Irrtum den Boden. Denn wie Augustinus gegen Faustus schreibt, ,,hat noch kein Sterndeuter das Schicksal der Neugeborenen derart unter den Einfluss der Sterne gestellt, dass er behauptet hätte, einer von den Sternen habe bei der Geburt eines Menschen seine gewohnte Bahn verlassen und sei zu dem Neugeborenen hingewandert", wie dies bei dem Stern der Fall war, der die Geburt Christi ankündigte. Dadurch wird also der Irrtum derer nicht bestätigt, ,,die glauben, das Los der neugeborenen Menschen sei von der Stellung der Sterne abhängig, die aber nicht der Meinung sind, die Ordnung der Sterne könne bei der Geburt eines Menschen geändert werden".

Ebenso ist es auch, wie Chrysostomus sagt, ,,nicht die Aufgabe der Sternkunde‘ von den Sternen die Geburt eines Menschen zu erfahren, sondern aus der Stunde der Geburt Künftiges vorherzusagen. Die Magier aber erkannten nicht die Zeit der Geburt, um aus der Stellung der Sterne in diesem Augenblick die Zukunft zu erkennen, sondern eher umgekehrt".

Zu 4. Nach dem Bericht des Chrysostomus kann man in manchen unechten Schriften von einem Volk im fernen Osten an den Ufern des Weitmeeres lesen, das eine Schrift namens Seth besitzt, in der von dem Stern und den Geschenken die Rede ist. Dieses Volk beobachtete sorgfältig den Aufgang dieses Sternes, indem es zwölf kundige Männer aufstellte, die voll Andacht zu bestimmten Zeiten auf einen Berg stiegen. Dort sahen sie später den Stern, der in sich die Gestalt eines Knäbleins einschloss und über sich das Bild eines Kreuzes trug.
Man kann aber auch mit dem Buch ,,Fragen des Neuen und Alten Testamentes" sagen: ,,Jene Magier folgten der Weisung Balaams: ,Ein Stern wird aus Jakob aufgehen‘ (Nm 24,17). Als sie deshalb einen Stern außerhalb der gewöhnlichen Ordnung erblickten, erkannten sie in ihm jenen, den Balaam als den Verkünder des Königs der Juden vorausgesagt hatte".
Eine dritte Antwort gibt Augustinus in einer Predigt zum Fest der Erscheinung: ,,Durch eine Weissagung bereits aufmerksam geworden, erfuhren die Magier von Engeln", dass der Stern die Geburt Christi anzeige. Und es scheint sehr wahrscheinlich, dass dies gute Engel waren, ,,da [die Magier] in der Anbetung Christi bereits ihr Heil suchten".
Schließlich sagt Papst Leo in einer Predigt zum Feste der Erscheinung: ,,Außer dem Glanz, der das leibliche Auge traf, erleuchtete ein noch hellerer Strahl der Wahrheit ihre Herzen, und das war ein Strahl des Glaubens."

nach oben

59. FRAGE
DIE RICHTERLICHE GEWALT CHRISTI

6. ARTIKEL

Erst reckt sich die richterliche Gewalt Christi auf die Engel?

1. Die guten und die bösen Geister sind am Anfang der Welt gerichtet worden, als die einen durch die Sünde stürzten und die andern in der Seligkeit befestigt wurden. Die aber gerichtet sind, brauchen nicht noch einmal gerichtet zu werden. Also erstreckt sich die richterliche Gewalt Christi nicht auf die Engel.

2. Es ist nicht Aufgabe ein und desselben, zu richten und gerichtet zu werden. Die Engel aber kommen, um mit Christus zu richten; nach Mt 25,31: "...wenn der Menschensohn in Seiner Herrlichkeit kommen wird und alle Seine Engel mit Ihm." Also scheinen die Engel nicht von Christus gerichtet werden zu sollen.

3. Die Engel stehen höher als die andern Geschöpfe. Wenn also Christus nicht nur Richter der Menschen, sondern auch der Engel ist, dann wird Er aus dem gleichen Grunde Richter für alle Geschöpfe sein. Das scheint aber falsch zu sein, da das der Vorsehung Gottes eigen ist. Darum heißt es in Job 34,13: ,,Wen anders hat Er über die Erde gesetzt? Oder wen hat Er über die Erde gestellt, die Er erschaffen hat?" Also ist Christus nicht der Richter der Engel.

ANDERSEITS sagt der Apostel in 1 Kor 6,3: ,,Wisst ihr nicht, dass wir Engel richten werden‘?" Die Heiligen aber werden nur durch die Machtvollkommenheit Christi richten. Also besitzt noch viel mehr Christus richterliche Gewalt über die Engel.

ANTWORT: Die Engel unterstehen der richterlichen Gewalt Christi nicht nur bezüglich Seiner göttlichen Natur, sofern Er das WORT Gottes ist, sondern auch auf Grund Seiner menschlichen Natur. Das ergibt sich aus drei Gründen. *Erstens nämlich aus der engen Verbindung der angenommenen Natur mit Gott; denn, wie es Heb 2,16 heißt, ,,Er nimmt niemals Engel an, sondern den Samen Abrahams hat Er angenommen". Darum ist die Seele Christi mehr von der Wahrheit des WORTES Gottes erfüllt als irgendeiner der Engel. Deshalb erleuchtet sie auch die Engel (Dionysius). Somit hat Er über sie zu richten.
*Zweitens, weil die menschliche Natur in Christus durch die Erniedrigung im Leiden verdiente, über die Engel erhöht zu werden, so dass ,,sich im Namen Jesu jedes Knie beugt derer, die im Himmel, auf Erden und unter der Erde sind" (Phil 2,10). Darum hat Christus auch richterliche Gewalt über die guten und bösen Geister. Zum Zeichen dafür heißt es in Offb 7,11: ,,Die Engel standen alle rings um den Thron."
*Drittens auf Grund der Tätigkeit, die sie [die Engel] bei den Menschen ausüben, deren Haupt Christus in besonderer Weise ist. Darum heißt es in Heb 1,14: ,,Sie alle sind dienende Geister, zum Dienste ausgesandt um derer willen, die das Erbe des Heiles erlangen."

Sie unterstehen aber dem Gerichte Christi **einmal in bezug auf die Anordnung dessen, was sie tun. Diese Anordnung geschieht nämlich auch durch den Menschen Christus, dem "die Engel dienten" (Mt 4,11) und den die bösen Geister baten sie in die Schweine fahren zu lassen (Mt 8,31).

**Zum zweiten [unterstehen sie dem Gerichte Christi] bezug auf die anderen außerwesentlichen Belohnungen der guten Engel. Das sind die Freuden, die sie über das Heil der Menschen empfinden; nach Lk 15,10: ,,Freude herrscht bei den Engeln Gottes über einen Sünder, der Buße tut." Und auch in bezug auf die außerwesentlichen Strafen der Geister, mit denen diese entweder hier gequält oder dort in der Hölle eingeschlossen werden. Und auch das gehört zum [Gerichts-]Bereich des Menschen Christus. Darum heißt es in Mk 1,24, dass ein böser Geist schrie: ,,Was haben wir mit Dir zu schaffen, Jesus von Nazareth? Bist Du gekommen, um uns zu verderben?"

**Zum dritten in bezug auf die wesentliche Belohnung der seligen Engel, welche die ewige Seligkeit ist, und in bezug auf die wesentliche Strafe der bösen, welche die ewige Verdammung ist. Aber das geschieht seit Anfang der Welt durch Christus als WORT Gottes.

Zu 1. Dieser Beweisgrund geht aus von dem Gericht in bezug auf den wesentlichen Lohn und die hauptsächliche Strafe.

Zu 2. Augustinus sagt: Wenngleich ,,der geistige Mensch alles beurteilt", so wird doch er von der Wahrheit selbst beurteilt. Obgleich deshalb die Engel als Geistwesen richten, so werden sie doch von Christus als der WAHRHEIT gerichtet.

Zu 3. Christus steht das Gericht nicht nur zu über die Engel, sondern auch über die Verwaltung der ganzen Schöpfung. Wenn nämlich Gott nach Augustinus das Niedere in einer bestimmten Ordnung durch das Höhere lenkt, dann muss man sagen, dass alles durch die Seele Christi gelenkt wird, da sie über jedem Geschöpf steht. Darum sagt auch der Apostel in Heb 2,5: ,,Denn nicht Engeln hat Gott die zukünftige Welt unterworfen", d. h. ,,sie ist dem unterworfen, ,von dem wir sprechen‘, nämlich Christus" (Glosse).
Darum hat Gott aber keinen ,,andern über die Welt gesetzt" [Job 34,13]. Denn ein und derselbe ist Gott und Mensch; der Herr Jesus Christus.

nach oben

64. FRAGE
DIE BEGRÜNDUNGEN DER SAKRAMENTE

7. ARTIKEL

Können die Engel Sakramente spenden?

1. Alles, was der niedere Diener kann, kann auch der höhere, wie alles, was der Diakon kann, auch der Priester kann, aber nicht umgekehrt. Nun sind aber in der hierarchischen Ordnung höhere Diener als irgendwelche Menschen (Dionysius). Da nun die Menschen bei der Sakramentenspendung Diener sein können, scheinen es die Engel noch viel mehr zu können.

2. Die heiligen Menschen werden in Mt 22,30 mit den Egeln auf gleiche Stufe gestellt. Nun können aber einige Heilige, die im Himmel sind, bei den Sakramenten Dienste ausüben; denn das sakramentale Mal ist unaustilgbar. Also scheinen auch die Engel im Heiligtum Dienste leisten zu können.

3.. Der Teufel ist das Haupt der Bösen, und die Bösen sind seine Glieder. Nun können aber die Sakramente durch Böse gespendet werden. Also wohl auch durch böse Geister.

ANDERSEITS heißt es in Hebr 5,1: ,,Jeder Hohepriester, der Reihe der Menschen entnommen, wird aufgestellt die Menschen in dem, was auf Gott bezogen ist." Nun sind aber weder die guten noch die bösen Engel aus der Reihe der Menschen. Also werden dieselben nicht aufgestellt als Diener in dem, was auf Gott bezogen ist, d.h. bei den Sakramenten.

ANTWORT: Die ganze Kraft der Sakramente wird Leiden Christi hergeleitet, welches Christus zukommt, sofern Er Mensch ist. Ihm sind die Menschen der Natur nach gleichförmig, nicht aber die Engel. Es heißt vielmehr von. Ihm auf Grund Seines Leidens, Er sei ,,um ein Weniges unter die Engel gestellt" (Hebr 2,9). Deshalb ist Sakramentenspendung und Sakramentendienst Sache der Menschen und nicht der Engel.

Es. ist jedoch zu beachten: Wie Gott Seine Kraft nicht so an die Sakramente gebunden hat, dass Er nicht auch ohne Sakramente die Wirkung der Sakramente mitteilen könnte, so hat Er auch Seine Kraft nicht so an die Diener der Kirche gebunden, dass Er nicht auch den Engeln die Kraft verleihen könnte, Sakramentendienst zu versehen. Weil nun die guten Engel Boten der Wahrheit sind, so müsste man, wenn ein sakramentaler Dienst von guten Engeln vollzogen würde, diesen für gültig ansehen, weil es dann sicher mit Gottes Willen geschehen würde; so heißt es, dass manche Kirchen durch den Dienst der Engel geweiht worden seien. Wenn jedoch böse Geister, welche ,,Geister der Lüge" sind (1 Kön 22,22f.) einen sakramentalen Dienst vornehmen würden, dürfte man ihn nicht für gültig halten.

Zu 1. Was die Menschen auf weniger erhabene Weise tun, nämlich durch sinnenfällige Sakramente, die ihrer Natur angepasst sind, das tun die Engel als höher-gestellte Diener auf erhabenere Weise, indem sie nämlich — nach Dionysius — unsichtbar ,,reinigen, erleuchten und vervollkommnen".

Zu 2. Die Heiligen im Himmel sind den Engeln gleich hinsichtlich der Teilhabe an der Herrlichkeit, nicht aber hinsichtlich der Beschaffenheit der Natur. Folglich auch nicht hinsichtlich der Sakramente.

Zu 3. Dass die bösen Menschen Sakramentendienst ersehen können, haben sie nicht daher, dass sie durch ihre Bosheit Glieder des Teufels sind. Darum folgt nicht, dass der Teufel als ihr Haupt es noch mehr könne.

nach oben

80. FRAGE
DER GEBRAUCH ODER DER EMPFANG DES EUCHARISTIESAKRAMENTES

2. ARTIKEL

Kann nur der Mensch oder können auch die Engel das [Eucharistie-] Sakrament geistig empfangen?

1. Es scheint, dass nicht nur der Mensch, sondern auch die Engel dieses Sakrament geistig empfangen können, denn zu Ps 78 (77),25, ,Brot der Engel aß der Mensch‘, sagt die Glosse: ,,Das heißt, den Leib Christi, der wirklich Speise der Engel ist." Dem wäre aber nicht so,. wenn die Engel Christus nicht geistig essen würden. Also essen die Engel Christus geistig.

2. Augustinus sagt: ,,Unter dieser Speise und diesem Trank will Er die Gemeinschaft Seines Leibes. und Seiner Glieder verstanden wissen, das ist die Kirche in den Vorherbestimmten." Doch zu dieser Gemeinschaft gehören nicht nur die Menschen, sondern auch die heiligen Engel. Also essen auch die heiligen Engel geistig.

3. Augustinus sagt: ,,Geistig ist Christus zu essen, denn Er selbst sagt: ,Wer Mein Fleisch isst und Mein Blut trinkt, bleibt in Mir und Ich in ihm.‘" Das steht aber nicht nur den Menschen zu, sondern auch den heiligen Engeln, in denen durch die Liebe Christus ist und sie in Ihm. Also scheinen nicht nur die Menschen, sondern auch Engel geistig essen zu können.

ANDERSEITS sagt Augustinus: ,,Esst geistig das Brot vom Altar, bringt ein reines Herz zum Altar!" Engel aber können nicht zum Altar treten, um von dort etwas zu empfangen. Also können Engel nicht geistig essen.

ANTWORT: In diesem Sakrament ist Christus selber enthalten, nicht zwar in eigener, sondern in sakramentaler Gestalt. Auf zweifache Weise also kann man Christus geistig essen. Auf die *eine, so wie Er in Seiner eigenen Gestalt besteht. Auf diese Weise essen die Engel geistig Christus selbst, sofern sie mit Ihm vereinigt sind durch den Genuss der vollkommenen Liebe und durch die klare Anschauung — welches Brot wir im Vaterland erwarten —, und nicht durch den Glauben, wie wir hienieden mit Ihm vereinigt sind. *Auf die andere Weise kann man Christus geistig essen, so wie Er unter den Gestalten dieses Sakramentes ist, sofern nämlich jemand an Christus glaubt und das Verlangen hat, dieses Sakrament zu empfangen. Und das heißt nicht nur Christus geistig essen, sondern auch dieses Sakrament geistig essen. Dies steht den Engeln nicht zu. Wenn deshalb auch die Engel Christus geistig essen, so kommt es ihnen doch nicht zu, dieses Sakrament geistig zu essen.

Zu 1. Der Empfang Christi in diesem Sakrament ist als auf sein Ziel auf den Genuss im Vaterland hingeordnet, wie Ihn die Engel genießen. Und weil das, was auf das Ziel hingeordnet ist, vom Ziel abgeleitet wird, deshalb ist dieses Essen Christi, in dem wir Ihn in diesem Sakrament empfangen, gewissermaßen abgeleitet von jenem Essen, in dem die Engel Christus im Vaterland genießen. Deshalb heißt es, der Mensch esse ,das Brot der Engel‘, weil es zuerst und hauptsächlich das der Engel ist, die Ihn genießen in Seiner eigenen Gestalt; an zweiter Stelle aber ist es das der Menschen, die Christus im Sakrament empfangen.

Zu 2. Zwar gehören zur Gemeinschaft des mystischen Leibes sowohl die Menschen wie die Engel, jedoch die Menschen durch den Glauben, die Engel aber durch klare Anschauung. Die Sakramente aber sind dem Glauben zugeordnet durch den die Wahrheit gesehen wird ,,im Spiegel und im Rätsel" (1 Kor 13,12). Darum kommt es, eigentlich gesprochen, nicht den Engeln, sondern den Menschen zu, dieses Sakrament geistig zu essen.

Zu 3. Christus bleibt in den Menschen, nach ihrem gegenwärtigen Stand, durch den Glauben; in den seligen Engeln aber ist Er durch die klare Anschauung. Darum es nicht das Gleiche (Zu 2).

nach oben


und wenn Sie ohne Linkrahmen die Seite sehen:  Home