Die Engellehre anhand der Schriften
der großen Theologen und des kirchlichen Lehramtes

Hl. Thomas von Aquin: Summa Theologiae

Hl. Thomas von Aquin: Summa Contra Gentiles

Die Gesamtheit der Theologie des Hl. Thomas besteht aus mehren Bänden. In der Wirklichkeit sind es fünf  Bände. In der Logik aber hat es der große Theologe in drei unterteilt:
1. Teil: Gottes Schöpfung und sein Wirken in der Schöpfung
2. Teil: Das menschliche Handeln: Dieser Teil ist wiederum unterteilt in 2 Unterteilen:
"1.Teil des 2.Teiles" : Das Wesen des Handelns an sich und
"2. Teil des 2 Teiles" : Die Tugenden, Urquelle des menschlichen Handelns
3. Teil: Gottes Handeln im einst menschlichen Christus und im verklärten Christus, der durch seine Sakramente wirkt. Dieser Teil ist ebenfalls unterteilt in
"3. Teil" und "Ergänzung"

 

 


Seine ganze Theologie hat der Theologe im Stil der einzelnen Fragestellung aufgebaut. Zuerst wird die Frage gestellt, dann  mit Gründen dagegen (1. 2. 3) beantwortet, darauf mit einem weiteren Grund dafür oder dagegen beantwortet (Anderseits), und schließlich mit einer Erörterung, der definiten ANTWORT, behandelt. Danach folgt noch die Entkräftung der nach der Fragestellung gegebenen negativen  Gründe (Zu 1. zu 2. zu 3. ...)

Die Engel finden sich in den  Fragen in der rechten Spalte:

1. Teil:
50. - 64. FRAGE: Die Engelwelt
50. FRAGE: Vom Wesen der Engel überhaupt
51. FRAGE: Das Verhältnis der Engel zu den Körpern
52.  FRAGE: Vom Verhältnis der Engel zum Ort
53.  FRAGE: Von der Ortsbewegung der Engel
54.  FRAGE: Von der Erkenntnis der Engel
55.  FRAGE: Von dem Erkenntnismittel der Engel
56.  FRAGE: Über die Erkenntnis der Engel im Bereich der unstofflichen Dinge
57.  FRAGE: Von der Erkenntnis der Engel hinsichtlich der stofflichen Dinge
58.  FRAGE: Von der Weise des Erkennens der Engel
59.  FRAGE: Vom Willen der Engel
60.  FRAGE: Von der Liebe oder Zuneigung der Engel
61.  FRAGE: Von der Hervorbringung der Engel zum Sein der Natur
62.  FRAGE: Von der Vollendung der Engel im Sein der Gnade und Herrlichkeit
63.  FRAGE: Von der Schlechtheit der Engel in bezug auf ihre Schuld
64.  FRAGE: Von der Strafe der bösen Geister
65. FRAGE, Artikel 3: Sind d. Körperdinge  unter Vermittlung d. Engel hervorgebracht?
65. FRAGE, Artikel  4 :Sind die Wesensformen der Körper von den Engeln?
75. FRAGE, Artikel 7: Ist die Seele von der selben Art wie der Engel?
88. FRAGE, Artikel 1: Kann die menschliche Seele d.  Stofflose durch diese selbst erkennen?
88. FRAGE, Artikel 2: Kann unser Verstand durch Stoffliches das Stofflose  erkennen?
90. FRAGE, Artikel 3: Ob die Vernunftseele unmittelbar von Gott hervorgebracht wurde
93. FRAGE, Artikel 3: Ob d. Engel vollkommener ein Ebenbild Gottes ist als d. Mensch
94. FRAGE, Artikel 2: Ob Adam im Unschuldsstande die Engel in ihrem Wesen geschaut hat
106-114 Von den Engeln in Wirkung auf die Schöpfung
106.  FRAGE: Wie ein Geschöpf das andere bewegt
107.  FRAGE: Von der Sprache der Engel
108.  FRAGE: Von den Stufen der Engel nach Rangfolgen und Chöre
109.  FRAGE: Von den Stufenordnungen der bösen Engel
110.  FRAGE: Das Walten der Engel über die körperliche Schöpfung
111.  FRAGE: Von der Einwirkung der Engel auf den Mensch
112.  FRAGE: Von der Sendung der Engel
113.  FRAGE: Vom Beschützeramt der guten Engel
114.  FRAGE: Von der Anfechtung der bösen Engel
2. Teil
Einzelaspekte der Engel in 1. Teil des 2. Teiles
3. FRAGE,  Artikel 7: Ob uns die Erkenntnis der Engel glücklich macht?
89. FRAGE,  Artikel 4: Ob ein guter oder schlechte Engel leicht sündigen kann?
98. FRAGE,  Artikel 3: Wurde das Alte Gesetz durch Engel gegeben?
Einzelaspekte der Engel in 2. Teil des 2. Teiles
5. FRAGE,  Artikel 1: Hatten Engel und Mensch in ihrer ursprünglichen Seinsweise Glauben?
5. FRAGE,  Artikel 2: Ist in den gefallenen Engeln (noch) Glaube?
25. FRAGE,  Artikel 10: Müssen wir die Engel aus der heiligen Liebe lieben?
25. FRAGE,  Artikel 11: Müssen wir die Dämonen aus heiliger Liebe lieben?
172. FRAGE,  Artikel 2: Ergeht die prophetische Offenbarung durch Engel?
3. Teil
Einzelaspekte der Engel in 3. Teil
8. FRAGE,  Artikel 4: Ist Christus als Mensch das Haupt der Engel?
11. FRAGE,  Artikel 4: War das eingegossene Wissen Christi geringer als das der Engel?
12 FRAGE,  Artikel 4: Hat Christus von den Engeln Wissen empfangen?
30. FRAGE,  Artikel 2: Musste der Maria die Botschaft durch einen Engel gebracht werden?
30. FRAGE,  Artikel 3: Musste der Engel bei der Verkündigung an Maria  sichtbar erscheinen?
36. FRAGE,  Artikel 5: Musste die Geburt Christi durch den Engel und den Stern verkündet w.?
59. FRAGE,  Artikel 5: Erstreckt sich die richterliche Gewalt Christi auf die Engel?
64. FRAGE,  Artikel 7: Können die Engel Sakramente spenden?
80. FRAGE,  Artikel 2: Kann nur der Mensch oder können auch die Engel dieses Sakrament geistig empfangen?
Einzelaspekte der Engel in  Ergänzung
16. FRAGE,  Artikel 3: Ist der Engel, der gute oder böse, für die Buße empfänglich?
76. FRAGE,  Artikel 2: Werden die Engel auf irgendeine Weise zur Auferstehung beitragen?
89. FRAGE,  Artikel 3: Müssen die Engel richten?
89. FRAGE,  Artikel 4: Vollstrecken die Dämonen ihr  Gerichtsurteil an den Verdammten?
95. FRAGE,  Artikel 4: Besitzen die Engel Brautgaben?
96. FRAGE,  Artikel 9: Gebührt den Engeln ein Siegeszeichen?
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aller Fragen: Sum. Theol.

 

ERSTER TEIL

60. F R A G E

VON DER LIEBE ODER ZUNEIGUNG DER ENGEL

Hierauf ist der Willensakt zu betrachten, welcher Liebe oder Zuneigung ist, denn jeder Akt des Strebevermögens leitet sich aus der Liebe oder Zuneigung her.
Dazu ergeben sich fünf Einzelfragen:
1. Gibt es in den Engeln naturhafte Zuneigung?
2. Gibt es in ihnen eine wahlfreie Zuneigung?
3. Liebt der Engel sich in naturhafter oder wahlfreier Zuneigung?
4. Liebt ein Engel den anderen in naturhafter Zuneigung wie sich selbst?
5. Liebt der Engel in naturhafter Zuneigung Gott mehr als sich selbst?

1. ARTIKEL
Ist im Engel naturhafte Liebe oder Zuneigung?

1. Die naturhafte Liebe wird eingeteilt gegen die verständige Liebe (Dionysius). Die Liebe des Engels aber ist verständig, also ist sie nicht naturhaft.

2. Die Wesen, welche in naturhafter Liebe lieben, werden mehr zum Wirken angetrieben, als dass sie selbst wirken. Denn nichts hat die Herrschaft über seine Natur. Die Engel aber werden nicht zum Wirken angetrieben, sondern sie wirken selbst, da sie freien Wahl-Vermögens sind (59, 3). Also gibt es bei den Engeln keine naturhafte Liebe oder Zuneigung.

3. Jede Zuneigung ist entweder recht oder nicht recht. Die rechte Zuneigung nun gehört zur Minne, die nicht-rechte aber zur Ungerechtigkeit. Keines von diesen beiden indes gehört zur Natur, denn die Minne ist über der Natur, die Ungerechtigkeit aber gegen die Natur. Also gibt es keine naturhafte Zuneigung bei den Engeln.

ANDERSEITS folgt die Zuneigung der Erkenntnis, denn nichts wird geliebt, wenn es nicht erkannt ist (Augustinus). In den Engeln aber gibt es eine naturhafte Erkenntnis. Also auch eine naturhafte Zuneigung.

ANTWORT: Man muss notwendig in den Engeln naturhafte Zuneigung annehmen. Zu dessen Verständnis ist zu bedenken, dass immer das Frühere im Späteren gewahrt bleibt. Die Natur aber ist früher als der Verstand, weil die Natur eines jeden Dinges sein Wesen ist. Darum muss das, was der Natur zugehört, auch in den verstandesbegabten Wesen gewahrt bleiben. Das nun ist jeder Natur gemeinsam, dass sie eine Hinneigung hat, welche naturhaftes Streben oder Liebe ist. Diese Hinneigung aber findet sich verschieden in den verschiedenen Naturen, in einer jeden nach ihrer Weise. Darum findet sich in der Verstandnatur die naturhafte Hinneigung auf Grund des Willens; in der sinnlichen Natur aber auf Grund des sinnlichen Strebevermögens; in der Natur endlich, die der Erkenntnis bar ist, auf Grund der bloßen naturhaften Hinordnung auf etwas. Da also der Engel eine Verstandnatur ist, muss es in seinem Willen eine naturhafte Zuneigung geben.

Zu 1. Die verständige Liebe wird eingeteilt gegen die naturhafte, welche ausschließlich naturhaft ist, insofern sie einer Natur angehört, die über den Begriff der Natur hinaus keine Vollkommenheit des Sinnes oder Verstandes hinzufügt.

Zu 2. Alles, was in der ganzen Welt ist, wird von irgendeinem zum Wirken bewegt, mit Ausnahme des ersten Wirkenden, welches so wirkt, dass es in keiner Weise von einem anderen zum Wirken bewegt wird. In diesem ist Natur und Wille dasselbe. Und darum ist es nicht widerspruchsvoll, wenn der Engel zum Wirken bewegt wird, insofern die naturhafte Hinneigung ihm eingegeben ist vom Urheber seiner Natur. Nicht aber wird er so angetrieben, dass er nicht sich selbst antriebe, da er freien Willen hat.

Zu 3. Wie die naturhafte Erkenntnis immer wahr ist, so ist die naturhafte Zuneigung immer recht, da die naturhafte Liebe nichts anderes ist als die vom Schöpfer der Natur eingegebene Hinneigung der Natur. Zu sagen, die naturhafte Hinneigung sei nicht recht, hieße also dem Urheber der Natur Unbill antun. — Eine andere aber ist die Rechtheit der naturhaften Zuneigung und eine andere die Rechtheit der Minne und Tugend, weil die eine Rechtheit die andere vervollkommnet; wie z. B. auch die Wahrheit der naturhaften Erkenntnis eine andere ist als die Wahrheit der eingegossenen oder erworbenen Erkenntnis.

2. ARTIKEL
Ist in den Engeln wahlfreie Zuneigung?

1. Die wahlfreie Zuneigung scheint eine vernünftige Liebe zu sein, da die Wahl dem Zu-Rate-gehen folgt, welches in der Untersuchung besteht (Aristoteles). Die vernünftige Liebe aber wird gegen die verständige Liebe abgeteilt, welche den Engeln eigen ist (Dionysius). Also gibt es in den Engeln keine wahlfreie Zuneigung.

2. In den Engeln gibt es außer der eingegossenen Erkenntnis nur die naturhafte, weil sie nicht von Ursätzen zur Ermittlung der Schlusssätze fortschreiten. Dem gemäß verhalten sie sich zu allem, was sie von Natur aus erkennen können, so wie unser Verstand zu den ersten Ursätzen, welche er von Natur aus erkennen kann. Die Zuneigung aber folgt der Erkenntnis (Art. 1 Anderseits). Also gibt es in den Engeln außer der frei geschenkten Zuneigung nur die naturhafte Zuneigung. Also nicht die wahlfreie.

ANDERSEITS: Auf Grund unserer Natur können wir weder verdienen noch mißverdienen. Die Engel aber werben sich durch ihre Zuneigung Verdienste oder Mißverdienste. Also gibt es in ihnen eine Art wahlfreier Zuneigung.

ANTWORT: In den Engeln gibt es eine Art naturhafter und eine Art wahlfreier Zuneigung; und naturhafte Zuneigung ist in ihnen der Ausgangsgrund der wahlfreien, weil immer das, was zum Früheren hört, die Eigenart des Ausgangsgrundes hat. Weil nun Natur das erste ist, was in jedem ist, muss das, was zur Natur gehört, der Ausgangsgrund sein in einem jeden.

Und das tritt beim Menschen zutage sowohl bezüglich des Verstandes wie auch bezüglich des Willens. Der Verstand nämlich erkennt die Ursätze von Natur aus, und aus dieser Erkenntnis ergibt sich im Menschen das Wissen der Schlusssätze, welche nicht von Natur aus vom Menschen gewusst werden, sondern durch Auffindung oder Belehrung. Ähnlich verhält sich beim Willen das Ziel auf dieselbe Weise wie beim Verstande der Ursatz (Aristoteles). Darum strebt der Wille von Natur aus auf sein letztes Ziel, denn jeder Mensch will von Natur aus die Seligkeit. Und aus diesem naturhaften Willen ergeben sich alle anderen Willensregungen, da der Mensch alles, was immer er will, eines Zieles wegen will. Die Zuneigung zu dem Guten also, das Mensch von Natur aus als Ziel will, ist die naturhafte Zuneigung; die von dieser aber abgeleitete Zuneigung, welche auf ein Gut geht, das eines Zieles wegen geliebt wird, ist die wahlfreie Zuneigung.

Doch ist dieses Verhältnis anders von Seiten des Verstandes als von Seiten des Willens. Denn die Erkenntnis des Verstandes erfolgt, insofern die erkannten Dinge im Erkennenden sind (59, 2). Es rührt nun von der Unvollkommenheit der Verstandnatur im Menschen her, dass sein Verstand nicht sofort von Natur aus alles Verstehbare besitzt, sondern nur einiges, von welchem aus er zu anderem in gewissem Sinne sich hinbewegt. — Der Akt des Strebevermögens aber erfolgt umgekehrt nach der Hinordnung des Strebenden zu den Dingen, von denen einige gut und darum an sich erstrebbar sind; andere wieder haben ihr Gut-sein von der Hinordnung auf anderes und sind um eines anderen Willen erstrebbar. Darum kommt es nicht aus der Unvollkommenheit des Strebenden, dass er etwas von Natur aus als Ziel erstrebt und etwas auf Grund der Wahl, insofern es zum Ziele hingeordnet wird. — Weil also die Verstandnatur in den Engeln eine vollkommene ist, findet sich in ihnen allein die naturhafte Erkenntnis, nicht aber die schlussfolgernde; doch findet sich in ihnen sowohl die naturhafte wie die wahlfreie Zuneigung.

Dies aber ist gesagt mit Übergehung dessen, was über der Natur steht, denn dafür ist die Natur kein ausreichen der Grund. Und von diesem wird später die Rede sein (Fr. 62).

Zu 1. Nicht jede wahlfreie Zuneigung ist vernünftige Liebe, sofern die vernünftige Liebe gegen die verständige abgeteilt wird. Denn vernünftige Liebe heißt die, welche der schlussfolgernden Erkenntnis folgt; nicht aber folgt jede Wahl dem Hin und Her der Vernunft, wie gesagt wurde (59,3 Zu 1.), als vom freien Wahlvermögen die Rede war, sondern bloß die Wahl beim Menschen. Darum folgt jener Schluss nicht.

Zu 2. ergibt sich die Antwort aus dem Gesagten.

3. ARTIKEL
Liebt der Engel sich selbst mit naturhafter und wahlfreier Zuneigung?

1. Die naturhafte Zuneigung geht auf das Ziel selbst (Art. 2), die wahlfreie Zuneigung aber auf die Mittel zum Ziel. Dasselbe kann nun nicht Ziel und Mittel zum Ziel sein in Hinsicht auf ein und dasselbe. Also kann die naturhafte und wahlfreie Zuneigung nicht auf dasselbe gehen.

2. Die Liebe ist eine ,,einende und verschmelzende Kraft (Dionysius). Einung und Verschmelzung aber kommt nur für Verschiedenes in Frage, das in eins zusammengefasst wird. Also kann der Engel nicht sich selbst geneigt sein.

3. Die Zuneigung ist eine Art Bewegung. Jede Bewegung aber strebt zu einem anderen hin. Also scheint es, dass der Engel nicht sich selbst lieben könne weder in naturhafter noch in wahlfreier Zuneigung.

ANDERSEITS sagt der Philosoph: ,,Die Freundschaftsbeziehungen zum anderen stammen aus den Freundschaftsbeziehungen zu sich selbst."

ANTWORT Da die Liebe auf das Gute geht, das Gute aber sowohl im Wesen wie in der Eigenschaft liegt (Aristoteles), so wird etwas auf doppelte Weise geliebt. Auf die eine Weise als in sich gegründetes Gut, auf die andere Weise als eigenschaftliches oder innehaftendes Gut. Als in sich gegründetes Gut wird geliebt, was so geliebt wird, dass ihm jemand Gutes will. Als eigenschaftliches oder innehaftendes Gut wird das geliebt, was einem anderen gewünscht wird, wie das Wissen geliebt wird, nicht, dass ihm ein Gutes widerfahre, sondern dass man es besitze. Und diese Art von Liebe nannten manche Begierde, erstere aber Freundschaft.

Es ist nun offensichtlich, dass bei den der erkenntnisbaren Dingen ein jedes von Natur aus das zu erreichen anstrebt, was ihm gut ist, wie das Feuer zur Höhe aufwärts strebt. Darum erstreben auch der Engel und der Mensch von Natur aus ihr Gut und ihre Vollkommenheit. Und das heißt sich selbst lieben. Darum ist sowohl der Engel wie der Mensch von Natur sich selbst zugeneigt, insofern er sich in Kraft seines naturhaften Strebemögens ein Gut ersehnt. Insofern er sich aber ein Gut ersehnt durch Wahl, insofern liebt er sich mit wahlfreier Zuneigung.

Zu 1. Der Engel oder Mensch ist sich in naturhafter und wahlfreier Zuneigung zugeneigt nicht auf Grund desselben Gegenstandes, sondern auf Grund verschiedener Gegenstände (Antwort).

Zu 2. Wie es mehr ist, eins zu sein als vereint zu werden, so ist die Liebe mehr eins mit sich selbst als mit den verschiedenen Dingen, die ihr geeint werden. Dionysius aber hat die Namen Einung und Verschmelzung gebraucht, um zu zeigen, wie die Liebe,von sich zum anderen kommt, wie vom ,,Einen" die Vereinung kommt.

Zu 3. Wie die Liebe eine Tätigkeit ist, welche im Tätigen verbleibt, so ist sie eine Bewegung, welche im Liebenden verbleibt, nicht aber aus Notwendigkeit zu etwas anderem hindrängt; sondern sie kann zurückstrahlen auf den Liebenden, so dass er sich selbst liebt, wie auch die Erkenntnis zurückstrahlt auf den Erkennenden so dass er sich selbst erkennt.

4. ARTIKEL
Ist ein Engel in naturhafter Zuneigung dem anderen zugeneigt wie sich selbst?

1. Die Zuneigung folgt der Erkenntnis. Ein Engel aber erkennt den anderen nicht wie sich selbst, weil er sich selbst durch seine Wesenheit kennt, den anderen aber durch dessen Ähnlichkeit (56,1 u. 2). Also scheint es, dass ein Engel dem anderen nicht wie sich selbst zugeneigt ist.

2. Die Ursache ist mächtiger als das Verursachte, und Grund mächtiger als das, was aus dem Grunde sich ableitet. Die Zuneigung aber, welche auf den anderen geht, leitet sich ab von der Zuneigung zu sich selbst (Aristoteles). Also ist der Engel dem anderen nicht wie sich selbst zugeneigt, sondern sich selbst mehr.

3. Die naturhafte Zuneigung geht auf etwas als auf das Ziel und kann nicht aufgehoben werden. Ein Engel aber ist nicht das Ziel des anderen; und weiter, diese Zuneigung kann aufgehoben werden, wie das sich zeigt bei den bösen Geistern, welche die guten Engel nicht lieben. Also ist ein Engel dem anderen nicht mit naturhafter Zuneigung wie sich selbst zugeneigt.

ANDERSEITS scheint das, was in allen Wesen, auch den nicht-vernunftbegabten, sich findet, naturhaft zu sein. Nun heißt es aber Sir 13,15: ,,Ein jedes Lebewesen ist einem sich ähnlichen zugeneigt: Also ist der Engel von Natur aus dem anderen wie sich selbst zugeneigt.

ANTWORT: Der Engel und der Mensch sind sich selbst von Natur aus zugeneigt (Art. 3). Das aber, was mit etwas anderem eins ist, ist dieses selbst; darum liebt ein jedes das, was mit ihm eins ist. Und wenn es eins ist mit ihm durch naturhafte Einung, so ist es ihm in naturhafter Zuneigung zugeneigt; wenn es aber eins ist mit ihm in einer nicht-naturhaften Einung, so ist es jenem zugeneigt in nicht-naturhafter Zuneigung. So wie der Mensch seinem Mitbürger zugeneigt ist in der Zuneigung der staatsbürgerlichen Tugend, seinem Blutsverwandten aber in der naturhaften Zuneigung, insofern er eins ist mit ihm durch den Ursprung naturhafter Abstammung.

Es ist aber offensichtlich, dass das, was mit etwas anderem eins ist der Gattung oder der Art nach, durch Natur eins ist. Darum ist ein jedes Ding dem, was mit ihm eins ist der Art nach, in naturhafter Zuneigung zugeneigt, sofern es seiner Art zugeneigt ist. Das ist auch offensichtlich im Bereich der nicht-vernunftbegabten Wesen; denn das Feuer hat eine naturhafte Hinneigung dazu, einem anderen seine Form mitzuteilen, welche sein Gut ist, wie es von Natur aus dazu neigt, sein Gut zu suchen, nämlich oben zu sein. — So muss man denn sagen, dass ein Engel dem anderen in naturhafter Zuneigung zugeneigt ist, insofern er mit ihm übereinkommt in der Natur. Insoweit er aber mit ihm übereinkommt in gewissen anderen Dingen oder auch insoweit er sich von ihm in irgend etwas unterscheidet, so ist er ihm nicht in naturhafter Zuneigung zugeneigt.

Zu 1. Wenn ich sage ,,wie sich selbst", so kann das einmal die Erkenntnis oder Zuneigung von Seiten des Erkannten und in Zuneigung Geliebten besagen. Und so erkennt er einen anderen wie sich selbst, weil er erkennt, dass der andere ist, wie er erkennt, dass er selbst ist. —Sodann kann das ,,wie sich selbst" Erkenntnis und Zuneigung von Seiten des in Zuneigung Liebenden und Erkennenden besagen. Und so erkennt er den anderen nicht wie sich selbst, weil er sich erkennt durch seine Wesenheit, den anderen aber nicht durch dessen Wesenheit. Und desgleichen ist er dem anderen nicht wie sich selbst zugeneigt, weil er sich selbst durch seinen Willen zugeneigt ist, dem anderen aber nicht durch dessen Willen.

Zu 2. Das ,,Wie" bezeichnet nicht Gleichheit, sondern Ähnlichkeit. Da nämlich die naturhafte Zuneigung auf der naturhaften Einheit gründet, so ist er [der Engel] dem, was weniger eins ist mit ihm, von Natur aus weniger zugeneigt. Darum ist er von Natur aus mehr dem zugeneigt, was der Zahl nach eins mit ihm ist, als dem, was der Art oder Gattung nach eins mit ihm ist. Es ist aber naturhaft, dass er eine ähnliche Zuneigung hat zu einem anderen wie zu sich selbst, insofern als er, ebenso wie er sich selbst zugeneigt ist, soweit er für sich ein Gut will, so auch dem anderen zugeneigt ist, soweit er dessen Gut will.

Zu 3. Die naturhafte Zuneigung geht auf das Ziel selbst, nicht als ob dem irgendwer ein Gut wollte, sondern wie auf das Gut, das jemand für sich will und infolgedessen auch für den anderen, insofern er eins mit ihm selbst ist. Und jene naturhafte Zuneigung kann sogar von den schlechten Engeln nicht weggenommen werden, so dass sie keine naturhafte Zuneigung hätten zu anderen Engeln, sofern sie mit diesen in der Natur übereinkommen. Sie hassen aber diese, insofern sie sich von ihnen unterscheiden nach Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit.

5. ARTIKEL
Liebt der Engel in naturhafter Zuneigung Gott mehr als sich selbst?

1. Die naturhafte Zuneigung gründet sich auf der naturhaften Einung (Art. 4). Die göttliche Natur aber hat den größten Abstand von der Natur des Engels. Also liebt der Engel in naturhafter Zuneigung Gott weniger als sich oder auch einen anderen Engel.

2. ,,Eigenschaften der Wirkungen finden sich in erhöhtem Maß in den Ursachen" (Aristoteles). Jeder aber ist in naturhafter Zuneigung dem anderen um des eigenen Selbst Willen zugeneigt; denn ein jedes Wesen ist einem zugeneigt, insofern es für es selbst gut ist. Also ist der Engel in naturhafter Zuneigung Gott nicht mehr als sich selbst zugeneigt.

3. Die Natur beugt sich auf sich selbst zurück; wir sehen nämlich, dass ein jedes Wirkende von Natur aus wirkt zu seiner Selbsterhaltung. Die Natur aber würde sich nicht auf sich selbst zurückbeugen, wenn sie auf etwas anderes mehr als auf sich selbst hinstreben würde. Also ist der Engel in naturhafter Zuneigung Gott nicht mehr als sich selbst zugeneigt.

4. Das scheint das Eigentümliche der Minne zu sein, dass jemand Gott mehr als sich selbst zugeneigt ist. Die Zuneigung der Minne aber ist in den Engeln nicht natürlich, sondern ,,sie wird in ihren Herzen ausgegossen durch den Heiligen Geist, der ihnen gegeben ist" (Augustinus). Also sind die Engel in naturhafter Liebe Gott nicht mehr als sich selbst zugeneigt.

5. Die naturhafte Zuneigung bleibt immer, solange die Natur bleibt. Gott aber mehr zugeneigt sein als sich selbst, das bleibt nicht im sündigenden Engel oder Menschen; denn ,,zweierlei Liebe hat die zwei Reiche geschaffen, das irdische Reich die Selbstliebe bis zur Verachtung Gottes, das himmlische aber die Gottesliebe bis zur Verachtung seiner selbst" (Augustinus). Also ist es nicht naturhaft, Gott über sich selbst hinaus zugeneigt zu sein.

ANDERSEITS: Alle Sittengebote des Gesetzes gehören zum Naturgesetz. Das Gebot aber, Gott mehr zugeneigt zu sein als sich selbst, ist ein Sittengebot des Gesetzes. Also gehört es zum Naturgesetz. Also ist der Engel Gott in naturhafter Zuneigung mehr zugeneigt als sich selbst.

ANTWORT: Einige haben gesagt, dass der Engel in naturhafter Zuneigung Gott mehr liebt als sich, und zwar in der Liebe der Begehrlichkeit, weil er nämlich für sich das göttliche Gut mehr anstrebt als das eigene Gut. Und in gewissem Sinne auch in der Liebe der Freundschaft; insofern er nämlich von Natur aus für Gott ein größeres Gut will als für sich, denn er will von Natur aus, dass Gott Gott sei; für sich aber will er die eigene Natur haben. Aber einfachhin gesprochen, ist er in naturhafter Zuneigung sich selbst mehr als Gott zugeneigt, weil er von Natur aus sich selbst stärker und ursprünglicher zugeneigt ist als Gott. — Doch die Falschheit dieser Auffassung tritt offen zu Tage, wenn man im Bereich der Natur betrachtet, woraufhin ein Ding von Natur aus bewegt wird; denn die naturhafte Hinneigung bei den vernunftlosen Wesen beweist die naturhafte Hinneigung im Willen der Verstandnatur. Ein jedes Wesen aber im Bereich der Naturdinge, welches in dem, was es ist, der Natur nach einem anderen zugehört, wird ursprünglicher und mehr hingeneigt zu dem, welchem es gehört, als zu sich selbst. Und diese naturhafte Hinneigung wird bewiesen aus dem, was von Natur aus bewegt wird; denn ein jedes Wesen ist, so wie es von Natur aus bewegt ist, auch geeignet und veranlagt, bewegt zu sein (Aristoteles). Wir sehen nämlich, dass von Natur aus der Teil sich der Gefahr aussetzt zur Erhaltung des Ganzen; so setzt sich die Hand ohne Überlegung dem Hiebe aus zur Erhaltung des ganzen Körpers. Und weil die Vernunft die Natur nachahmt, finden wir ein Abbild davon bei den staatsbürgerlichen Tugenden; denn es ist einem tugend-erprobten Bürger eigen, sich der Todesgefahr auszusetzen zur Erhaltung des ganzen Staates; und wenn der Mensch ein natürlicher Teil dieses Gemeinwesens wäre, so wäre ihm diese Hinneigung naturhaft.

Weit also das allumfassende Gut Gott ist, und unter diesem Gut auch der Engel und der Mensch und jedes Geschöpf enthalten ist — denn ein jedes Geschöpf ist von Natur aus auf Grund dessen, was es ist, Gottes —, so folgt, dass in natürlicher Zuneigung auch der Engel und der Mensch mehr und ursprünglicher Gott liebt als sich selbst. — Andernfalls, wenn er von Natur aus sich selbst mehr liebte als Gott, so folgte, dass die naturhafte Liebe verkehrt wäre und dass sie durch die Gottesminne nicht vollendet, sondern zerstört würde.

Zu 1. Jener Grund gilt bei Dingen, die in der Einteilung auf gleicher Stufe stehen, wovon das eine für das andere nicht Grund des Seins und der Gutheit ist; in diesen Dingen nämlich ist ein jedes Wesen von Natur aus sich selbst mehr als dem anderen zugeneigt, insofern es mit sich selbst mehr eins ist als mit den anderen. Bei den Wesen aber, wovon das eine für das andere der ganze Grund des Seins und der Güte ist, wird von Natur aus ein solches anderes in Zuneigung mehr geliebt als es selbst. Ein jeder Teil ist nämlich von Natur aus dem Ganzen mehr zugeneigt als sich selbst (Antwort). Und ein jedes beliebige Einzelding ist von Natur aus mehr dem Gut seiner Art als seinem eigenen Einzelgut zugeneigt. Gott aber ist nicht allein das Gut einer einzelnen Art, sondern Er ist das allumfassende Gut schlechthin. Darum ist ein jedes Ding auf seine Weise von Natur aus Gott mehr zugeneigt als sich selbst.

Zu 2. Wenn man sagt, der Engel ist Gott zugeneigt, insofern Er [=Gott] ihm ein Guter ist, so ist das, wenn das ,insofern‘ Zielbedeutung hat, falsch; denn er ist Gott von Natur aus nicht um seines [eigenen] Gutes Willen zugeneigt, sondern um Gottes selbst Willen. Wenn es jedoch das Verhältnis der Liebe von Seiten des Liebenden besagt, so ist es wahr. Denn es läge nicht in der Natur eines Geschöpfes, Gott zu lieben, wenn nicht aus dem Grunde, weil ein jedes Ding von dem Gute abhängt, welches Gott ist.

Zu 3. Die Natur beugt sich auf sich selbst zurück, nicht nur in Bezug auf das, was sie Besonderes hat, sondern viel mehr auf das, was gemeinsam ist; denn ein jedes Ding ist dazu hingeneigt, nicht bloß sein Einzelsein, sondern auch seine Art zu erhalten. Und vielmehr hat ein jedes Ding eine naturhafte Hinneigung zu dem, was das allumfassende Gut schlechthin ist.

Zu 4. Gott wird, sofern Er das allumfassende Gut ist, von welchem jedes natürliche Gut abhängt, in naturhafter Zuneigung geliebt von einem jeden Wesen. Insofern Er aber das Gut ist, welches kraft seiner Natur alle mit über-natürlicher Seligkeit beseligt, so ist man Ihm zugeneigt in der Zuneigung der Minne.

Zu 5. Da in Gott Sein Wesen und das allgemeinsame Gut ein und dasselbe ist, so werden alle, welche die Wesenheit Gottes selbst schauen, in derselben Bewegung der Zuneigung zur Wesenheit Gottes selbst hingelenkt, sofern sie von allen anderen unterschieden ist und sofern sie von allem anderen unterschieden ist und sofern sie das allgemeinsame Gut ist. Und weil Er, insofern Er das allgemeinsame Gut ist, von Natur aus von allen liebt wird, so ist es unmöglich, dass, wer immer Ihn durch Seine Wesenheit schaut, Ihm nicht zugeneigt sei. Jene aber, welche Seine Wesenheit nicht schauen, erkennen Ihn durch gewisse besondere Wirkungen, welche bisweilen deren Willen zuwiderlaufen. Und auf diese Weise sagt man, sie hassen Gott, obwohl doch ein jedes Geschöpf von Natur aus Gott, insofern Er das allgemeinsame Gut aller ist, mehr zugeneigt ist als sich selbst.

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61. FRAGE

VON DER HERVORBRINGUNG DER ENGEL ZUM SEIN DER NATUR

Nach dem, was vorausgeschickt wurde über die Natur der Engel und ihre Erkenntnis und ihren Willen, bleibt noch eine Betrachtung anzustellen über ihre Erschaffung oder allgemein über ihren Ausgang. Und diese Betrachtung ist dreiteilig. Denn zuerst werden wir betrachten, wie sie zum Sein der Natur hervorgebracht wurden; zweitens, wie sie in der Gnade, bzw. Herrlichkeit vollendet wurden; drittens, wie einige von ihnen böse geworden sind.

Zum ersten ergeben sich vier Einzelfragen.
1. Hat der Engel eine Ursache seines Seins?
2. Ist der Engel von Ewigkeit her?
3. Ist der Engel erschaffen vor der körperlichen Schöpfung?
4. Sind die Engel im Lichthimmel erschaffen worden?

1. ARTIKEL
Haben die Engel eine Ursache ihres Seins?

1. Von dem, was von Gott erschaffen ist, wird gehandelt im Buch der Schöpfung. Aber dort wird über die Engel keine Erwähnung getan; also sind die Engel nicht von Gott erschaffen.

2. Der Philosoph sagt, wenn ,,ein Selbstandwesen Form ist ohne Stoff, ist es sofort durch sich selbst seiend und eines, und hat keine Ursache, welche es zum Seienden und Einen macht". Die Engel aber sind unstoffliche Formen (50,2). Also haben sie keine Ursache ihres Seins.

3. Alles, was von einem Wirkenden her wird, nimmt eben dadurch, dass es wird, die Form von ihm an. Die Engel aber nehmen, da sie Form sind, keine Form von irgendeinem Wirkenden an. Also haben die Engel keine wirkende Ursache.

ANDERSEITS heißt es Ps 148,2: ,,Lobt ihn, alle Seine Engel." Und nachher (V.5) wird hinzugefügt: ,,Denn Er hat gesprochen und sie sind geworden."

ANTWORT: Man muss notwendig sagen, dass sowohl die Engel wie alles, was außer Gott ist, von Gott gemacht ist. Denn Gott allein ist Sein eigenes Sein, in allen anderen Geschöpfen ist die Wesenheit des Dinges und dessen Sein verschieden (44,1; 3, 4; 7,1 Zu 3 und 7,2). Und daraus ist offensichtlich, dass Gott allein seiend ist durch Seine Wesenheit, alles andere aber ist seiend durch Teilhabe. Alles aber, was seiend ist durch Teilhabe, wird verursacht von dem, was durch Wesenheit ist, wie alles Feurige vorn Feuer verursacht wird. Darum müssen die Engel notwendig von Gott geschaffen sein.

Zu 1. Augustinus sagt, dass die Engel in jener ersten Erschaffung der Dinge nicht übergegangen wurden, sondern unter dem Namen Himmel oder auch Licht bezeichnet werden. — Deswegen aber sind sie entweder übergangen oder unter dem Namen körperlicher Dinge bezeichnet worden, weil Moses zu einem ungebildeten Volk sprach, welches die unkörperliche Natur noch nicht fassen konnte; und wenn ihnen bedeutet worden wäre, es gebe einige Dinge, welche über jeder körperlichen Natur stehen, so wäre das ihnen ein Anlass zur Götzenverehrung geworden, wozu sie hinneigten und wovon sie Moses hauptsächlich zurückzuhalten versuchte.

Zu 2. Die Selbstandwesen, welche in sich gegründete Formen sind, haben keine formgebende Ursache ihres Seins und ihrer Einheit, noch eine Ursache, welche durch Veränderung wirkt, den Stoff aus der Anlage in die Wirklichkeit überführend, sondern sie haben eine Ursache, welche das ganze Selbstandwesen hervorbringt.

Zu 3. Und daraus erhellt die Lösung auch zu 3.

2. ARTIKEL
Ist der Engel von Gott hervorgebracht worden von Ewigkeit her?

1. Gott ist die Ursache des Engels durch Sein eigenes Sein, denn Er wirkt nicht durch etwas zu Seiner Wesenheit Hinzugefügtes. Gottes Sein aber ist ewig. Also hat Er die Engel von Ewigkeit her erschaffen.

2. Alles, was bisweilen ist, bisweilen nicht ist, unterliegt der Zeit; der Engel aber ist über der Zeit, wie im Buch von den Ursachen gesagt wird. Also gilt nicht vom Engel, dass er bisweilen ist und bisweilen nicht ist, sondern er ist immer.

3. Augustinus beweist die Unzerstörbarkeit der Seele daraus, dass sie durch den Verstand der Wahrheit fähig ist. Wie aber die Wahrheit unzerstörbar ist, so ist sie auch ewig. Also ist auch die Verstandnatur, sowohl der Seele wie des Engels, nicht nur unzerstörbar, sondern auch ewig.

ANDERSEITS heißt es Spr 8, 22 aus dem ,Munde der gezeugten Weisheit: ,,Gott besaß Mich vom Anfang Seiner Wege an, bevor Er etwas schuf, von Urbeginn." Die Engel aber sind von Gott geschaffen (Art. 1). Also sind die Engel einmal nicht gewesen.

ANTWORT: Gott allein, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist, ist von Ewigkeit her. Denn das hält der katholische Glaube unzweifelhaft fest, und jedes Gegenteil ist als irrgläubig zurückzuweisen. Denn Gott hat die Geschöpfe so hervorgebracht, dass Er sie aus nichts, d. i. nachdem nichts gewesen war, gemacht hat.

Zu 1. Das Sein Gottes ist Sein Wollen selbst. Dadurch also, dass Gott die Engel und die anderen Geschöpfe durch Sein eigenes Sein hervorgebracht hat, wird nicht ausgeschlossen, dass Er sie durch Seinen Willen hervorgebracht habe. Der Wille Gottes aber ist nicht notwendig verknüpft mit der Hervorbringung der Geschöpfe (46,1; 19,3). Und darum hat Er hervorgebracht, sowohl was Er wollte, als auch wann Er wollte.

Zu 2. Der Engel steht über der Zeit, welche das Maß der Himmelsbewegung ist, weil er über aller Bewegung der körperlichen Natur steht. Nicht aber steht er über der Zeit, welche Maß des Nacheinander [im Auftreten] seines Seins nach dem Nicht-sein, und auch nicht der, welche Maß des Nacheinander seiner Tätigkeiten ist. Darum sagt Augustinus ,,Gott bewegt die geistige Schöpfung durch die Zeit hin".

Zu 3. Die Engel und die verständnisfähigen Seelen sind eben dadurch, dass sie eine Natur haben, durch welche sie der Wahrheit fähig sind, unzerstörbar. Diese Natur aber haben sie nicht von Ewigkeit her gehabt, sondern sie ist ihnen geworden von Gott, wann Er gewollt hat. Darum folgt nicht, dass die Engel von Ewigkeit her sind.

3. ARTIKEL
Sind die Engel vor der körperlichen Welt erschaffen?

1. Hieronymus sagt: ,,Noch sind keine sechstausend Jahre unserer Zeit vollendet; doch wie viele Zeiträume und wie viele Ursprünge der Weltalter muss man annehmen, in welchen die Engel, Throne, Herrschaften und die übrigen Ordnungen Gott gedient haben?" Johannes von Damaskus sagt sogar: ,,Manche sagen, dass die Engel vor aller Schöpfung erzeugt worden sind; wie Gregorius, der Theologe, sagt: ,Zuerst hat Er die himmlischen und englischen Kräfte ersonnen und die Ersinnung war Sein Werk.‘"

2. Die Engelsnatur steht in der Mitte zwischen der göttlichen und körperlichen Natur. Die göttliche Natur aber ist von Ewigkeit her, die der Körper dagegen aus der Zeit. Also ist die Engelsnatur geschaffen vor der Schöpfung der Zeit und nach der Ewigkeit.

3. Die Engelsnatur hat von der körperlichen mehr Abstand als eine körperliche Natur von der anderen. Die eine körperliche Natur aber ist geschaffen vor der anderen; darum werden auch die sechs Tage der Hervorbringung der Dinge im Anfang des Schöpfungsbuches beschrieben. Also ist um soviel mehr die Engelsnatur geschaffen vor aller körperlichen Natur.

ANDERSEITS heißt es in Gen 1,1: ,,Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde." Das aber wäre nicht wahr, wenn ER etwas vorher geschaffen hätte. Also sind die Engel vor der körperlichen Natur erschaffen worden.

ANTWORT: In dieser Frage findet sich eine doppelte Auffassung der heiligen Lehrer. Von diesen scheint jene wahrscheinlicher, dass die Engel zugleich mit der körperlichen Schöpfung erschaffen wurden. Die Engel nämlich sind ein gewisser Teil des Alls, denn sie bilden nicht für sich eine eigene Welt, sondern sowohl sie wie auch die körperlichen Geschöpfe gehören zusammen zur Ordnung des einen Alls. Das erhellt aus der Hinordnung eines Geschöpf es auf das andere, denn die Hinordnung der Dinge aufeinander ist das Gut des Weltalls. Kein Teil aber ist vollkommen, welcher von seinem Ganzen getrennt ist. Es ist also nicht wahrscheinlich, dass Gott, ,,dessen Werke vollkommen sind" (Dtn 32,4), die Engelwelt für sich allein vor den anderen Geschöpfen erschaffen habe. — Obwohl das Gegenteil nicht als irrig aufzufassen ist, hauptsächlich wegen des Urteils des Gregor von Nazianz, dessen Ansehen in der christlichen Lehre so groß ist, dass niemand bis jetzt gewagt hat, seine Schriften, wie Hieronymus sagt, zu verunglimpfen, wie auch nicht die Lehren des Athanasius.

Zu 1. Hieronymus spricht nach dem Urteil der griechischen Lehrer, welche alle einmütig der Meinung sind, dass die Engel vor der körperlichen Welt geschaffen wurden.

Zu 2. Gott ist nicht irgendein Teil der Welt, sondern über der ganzen Welt, indem Er in sich auf übererhabene Weise die ganze Vollkommenheit der Schöpfung vorher besitzt. Der Engel aber ist ein Teil der Welt. Darum ist der Grund nicht derselbe.

Zu 3. Alle körperlichen Geschöpfe sind eins im Stoff, die Engel aber kommen mit der körperlichen Schöpfung im Stoff nicht überein. Darum ist nach Erschaffung des Stoffes der körperlichen Schöpfung irgendwie alles geschaffen; nicht aber wäre mit Erschaffung der Engel das All erschaffen.

Wenn man aber das Gegenteil annehmen wollte, müsste der Satz des Schöpfungsberichtes: ,,Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde" folgendermaßen ausgelegt werden: ,Im Anfang‘, d. h. im Sohne oder im Anfang der Zeit; nicht aber ,im Anfang‘, das heißt, vor dem nichts ward, außer man sagte, bevor nichts wurde in der Gattung der körperlichen Geschöpfe.

4. ARTIKEL
Sind die Engel im Lichthimmel erschaffen?

1. Die Engel sind unkörperliche Selbstandwesen. Ein unkörperliches Selbstandwesen aber hängt seinem Sein nach nicht vom Körper ab, und demzufolge auch nicht seinem Werden nach. Also sind die Engel nicht an einem körperlichen Ort geschaffen worden.

2. Augustinus sagt, dass die Engel im höheren Bereich der Luft geschaffen worden sind. Also nicht im Lichthimmel.

3. Man nimmt an, dass der Lichthimmel der oberste Himmel ist. Wenn also die Engel im Lichthimmel geschaffen worden wären, so hätte es nicht zu ihnen gestimmt in einen höheren Himmel aufzusteigen. Das widerspricht dem Wort aus dem Munde des sündigen Engels bei Jes 14,13: ,,Ich will aufsteigen zum Himmel."

ANDERSEITS sagt Strabo zu dem Wort ,Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde‘: ,,Er nennt hier nicht den sichtbaren Himmel Feste, sondern den Lichthimmel, das heißt, einen feurigen oder geistigen Himmel, welcher nicht von der Glut, sondern vom Glanz so geheißen wird; sofort, nachdem er erschaffen war, war er von Engeln bevölkert."

ANTWORT: Aus den körperlichen und geistigen Geschöpfen wird ein einziges Weltall gebildet (Art. 3). Darum sind die geistigen Geschöpfe so erschaffen, dass sie zur körperlichen Schöpfung eine gewisse Hinordnung haben und über die ganze körperliche Schöpfung walten. Darum war es sinnvoll, dass die Engel auf dem obersten Körper erschaffen wurden, wie über die ganze körperliche Natur waltend , heiße dieser Teil nun Lichthimmel oder wie man ihn sonst nennen möge. Darum sagt Isidor zu Dtn 10,14: ,,Des Herrn, deines Gottes, ist der Himmel und der Himmel des Himmels", der oberste Himmel sei der Himmel der Engel.

Zu 1. Die Engel sind nicht an einem körperlichen Ort erschaffen, als ob sie ihrem Sein oder ihrem Werden nach vom Körper abhingen; denn Gott hätte die Engel vor der ganzen körperlichen Schöpfung erschaffen können, wie viele heilige Lehrer festhalten. Sie sind aber in einem körperlichen Ort geschaffen worden, um ihre Hinordnung zur körperlichen Natur und die Tatsache zu zeigen, dass sie durch ihre Kraft die Körper erreichen.

Zu 2. Augustinus versteht vielleicht unter dem obersten Luftbereich den obersten Teil des Himmels, mit welchem die Luft eine gewisse Übereinstimmung hat wegen ihrer Feinheit und Durchsichtigkeit. — Oder er spricht nicht von allen Engeln, sondern von denen, die gesündigt haben, welche einigen zufolge den unteren Ordnungen angehörten. Es steht aber nichts im Wege zu sagen, dass die höheren Engel, welche eine Kraft besitzen, die über alle Körper erhaben und allumfassend ist, im höchsten Teile der körperlichen Schöpfung erschaffen worden seien; dass aber andere, welche mehr besondere Kräfte haben, in den unteren Teilen der Körperwelt erschaffen worden seien.

Zu 3. Dort ist nicht die Rede von irgendeinem körperlichen Himmel, sondern vom Himmel der heiligen Dreifaltigkeit, zu welchem der sündige Engel aufsteigen wollte, da er irgendwie Gott gleich werden wollte (63,3).

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62. FRAGE

VON DER VOLLENDUNG DER ENGEL IM SEIN DER GNADE UND HERRLICHKEIT

In der Folge ist zu erforschen, wie die Engel im Sein der Gnade und Herrlichkeit geschaffen wurden.

Dazu ergeben sich neun Einzelfragen:
1. Waren die Engel [schon] bei ihrer Erschaffung selig?
2. Bedurften sie der Gnade, um sich zu Gott zu kehren?
3. Wurden sie in der Gnade erschaffen?
4. Haben sie ihre Seligkeit durch verdienstliche Akte erworben?
5. Erlangten sie sofort nach dem Verdienst die Seligkeit?
6. Haben sie Gnade und Herrlichkeit nach dem Fassungsvermögen ihrer Natur empfangen?
7. Ist nach Erlangung der Herrlichkeit natürliche Zuneigung und Erkenntnis in ihnen verblieben?
8. Konnten sie nachher sündigen?
9. Konnten sie nach der Erlangung der Herrlichkeit Fortschritte machen?

1. ARTIKEL

Waren die Engel [schon] bei ihrer Erschaffung selig?

1. Es heißt im Buch von den kirchlichen Glaubenssätzen: ,,Die Engel, welche in der Seligkeit verharren, in der sie erschaffen wurden, besitzen das Gut, welches sie haben, nicht von Natur aus." Also sind die Engel in der Seligkeit erschaffen.

2. Die Engelsnatur ist edler als die körperliche. Die körperliche Schöpfung aber wurde sofort im Anfang ihrer Erschaffung als geformte und vollendete erschaffen; und die Ungeformtheit ging in ihr nicht zeitlich, sondern bloß sachlich der Formung voraus (Augustinus). Also hat Gott auch die Engelsnatur nicht als ungeformte und unvollkommene erschaffen. Deren Formung und Vollendung aber erfolgt durch die Seligkeit, kraft deren sie sich Gottes erfreut. Also wurde sie als selige erschaffen.

3. Nach Augustinus ist das, was der Schrift zufolge in den Werken der sechs Tage gemacht worden ist, zugleich gemacht worden; und so müssen sofort vom Beginn der Schöpfung an sämtliche sechs Tage gewesen sein. In jenen sechs Tagen aber war nach seiner Auslegung ,,der Morgen" die Erkenntnis der Engel, der zu Folge sie das WORT und die Dinge im WORT erkannten. Also haben sie sofort vom Urbeginn der Schöpfung an das WORT und die Dinge im WORT erkannt. Die Engel aber sind selig dadurch, dass sie das WORT schauen. Also sind die Engel sofort vom Beginn ihrer Erschaffung an selig gewesen.

ANDERSEITS: Zum Wesen der Seligkeit gehört die Beständigkeit oder Festigung im Guten. Die Engel aber sind nicht sofort, wie sie erschaffen wurden, im Guten gefestigt worden; das zeigt der Sturz einiger. Also waren die Engel nicht [schon] in ihrer Erschaffung selig.

ANTWORT: Unter dem Namen Seligkeit versteht man die letzte Vollendung der vernünftigen oder verständigen Natur; darum wird sie naturhaft ersehnt, denn ein jedes Ding ersehnt naturhaft seine letzte Vollendung. Die letzte Vollendung aber der vernünftigen oder geistigen Natur ist eine doppelte. Die eine kann ein Geschöpf erreichen in der Kraft seiner Natur, und diese wird in gewissem Sinne Seligkeit oder Glück genannt. Darum sagt Aristoteles, die vollkommenste Beschauung des Menschen, in welcher das vollkommenste Verstehbare, welches Gott ist, geschaut werden kann in diesem Leben, ist das letzte Glück des Menschen. Über diesem Glück aber gibt es ein anderes Glück, welches wir für die Zukunft erwarten, in welchem wir Gott sehen werden, wie Er ist (1 Joh 3, 2). Das zwar ist über die Natur jedes beliebigen geschaffenen Verstandes hinaus (12, 4).

So muss man denn sagen: Bezüglich der ersten Seligkeit, welche der Engel kraft seiner Natur erreichen konnte, ist er als seliger geschaffen worden. Denn eine solche Vollendung erwirbt der Engel nicht durch eine fortschreitende Bewegung wie der Mensch, sondern sie ist ihm sofort gegeben wegen der Würde seiner Natur. Die letzte Seligkeit aber, welche die Fähigkeit der Natur überschreitet, haben die Engel nicht sofort im Anbeginn ihrer Erschaffung gehabt, weil diese Seligkeit nicht etwas der Natur Zugehöriges, sondern das Ziel der Natur ist, und darum durften sie es nicht sofort von Anfang an haben.

Zu 1. Seligkeit wird hier aufgefasst im Sinne jener natürlichen Vollendung, welche der Engel gehabt hat im Stand der Unschuld.

Zu 2. Die körperliche Schöpfung konnte nicht sofort im Anfang ihrer Erschaffung die Vollendung haben, zu welcher sie durch ihre Tätigkeit empor geführt wird; darum erfolgte das Aufsprossen der Pflanzen aus der Erde, nach Augustinus, nicht gleich bei den ersten Werken, in welchen allein die Keimkraft der Pflanzen der Erde verliehen wurde. Ähnlich hatten die geschaffenen Engel im Anfang ihrer Erschaffung die Vollendung ihrer Natur, nicht aber die Vollendung, zu welcher sie durch ihre Tätigkeit gelangen sollten.

Zu 3. Der Engel hat eine doppelte Erkenntnis des WORTES, eine auf Grund der Natur und eine auf Grund der Herrlichkeit; die natürliche, wodurch er das WORT erkennt durch dessen Ähnlichkeit, welche in seiner Natur aufleuchtet; die Erkenntnis der Herrlichkeit aber, wodurch er das WORT durch dessen Wesenheit schaut. Und in beiderlei Erkenntnis erkennt der Engel die Dinge im WORT; doch in der natürlichen Erkenntnis zwar unvollkommen, in der Erkenntnis der Herrlichkeit dagegen vollkommen. Die erste Erkenntnis der Dinge im WORT also war dem Engel vom Anfang seiner Erschaffung an geben; die zweite aber nicht, sondern erst als sie selig geworden sind durch die Hinkehr zum Guten. Und diese Erkenntnis heißt eigentlich Schau im Morgenlicht.

2. ARTIKEL

Bedurfte der Engel der Gnade, um sich. zu Gott zu kehren?

1. Was wir von Natur vermögen, dazu bedürfen wir nicht der Gnade. Der Engel aber kehrt sich von Natur aus zu Gott hin, weil er von Natur Gott zuneigt (60, 5). Also bedurfte der Engel der Gnade nicht, um sich zu Gott zu kehren.

2. Wir scheinen bloß zu dem der Hilfe zu bedürfen, was schwierig ist. Sich zu Gott zu kehren aber war für den Engel nicht schwierig, da nichts in ihm war, was dieser Hinkehr widerstrebte. Also bedurfte der Engel der Gnadenhilfe nicht, um sich zu Gott zu kehren.

3. Sich zu Gott kehren ist sich auf die Gnade vorbereiteten; Zach 1,3: Kehret euch zu Mir und Ich will zu euch kehren." Wir aber bedürfen der Gnade nicht, um uns auf die Gnade vorzubereiten, denn das hieße ins Unendliche fortschreiten. Also bedurfte der Engel der Gnade nicht, um sich zu Gott zu kehren.

ANDERSEITS: Durch die Hinkehr zu Gott gelangte Engel zur Seligkeit. Wenn er also der Gnade nicht bedurft hätte, um sich zu Gott zu kehren, so würde folgen, dass er der Gnade nicht bedurfte, um das ewige Leben zu haben. Das ist gegen das Wort des Apostels. Röm 6,23: ,,Die Gnade Gottes ist das ewige Leben."

ANTWORT Die Engel bedurften der Gnade, um sich Gott hinzukehren, insofern Er Gegenstand der Seligkeit ist. Die naturhafte Bewegung des Willens nämlich ist der Grund all dessen, was wir wollen (60, 2). Die naturhafte Hinneigung des Willens aber geht auf das, was der Natur zufolge angemessen ist. Und darum kann der Wille, wenn etwas über die Natur hinausreicht, nicht darauf hindrängen, außer er wird von einem anderen übernatürlichen Grund unterstützt. So ist es offensichtlich, dass das Feuer eine natürliche Hinneigung zum Erwärmen hat und zur Erzeugung von Feuer, aber Fleisch zu erzeugen geht über die natürliche Kraft des Feuers; darum hat das Feuer dazu keine Hinneigung, außer insofern es als Werkzeug bewegt wird von der pflanzlichen Seele.

Es ist aber schon ausgeführt worden, als von der Erkenntnis Gottes gehandelt wurde, dass die Schau Gottes durch dessen Wesenheit, worin die letzte Seligkeit des vernunftbegabten Geschöpfes besteht, über die Natur jedes beliebigen geschaffenen Verstandes hin ausgeht. Darum kann kein vernunftbegabtes Geschöpf eine auf diese Seligkeit hingeordnete Willensregung haben, wenn es nicht von einem übernatürlich Wirkenden bewegt wird; und das nennen wir die Hilfe der Gnade. Und darum muss man sagen, dass der Engel mit seinem Willen zu jener Seligkeit sich nicht hinkehren konnte außer durch Hilfe der Gnade.

Zu 1. Der Engel ist von Natur Gott zugeneigt, sofern Er der Grund des natürlichen Seins ist. Hier aber sprechen wir von der Hinwendung zu Gott, insofern Er selig macht durch die Schau Seiner Wesenheit.

Zu 2. Schwierig ist das, was die Fähigkeit übersteigt. Doch kann das auf zweifache Weise der Fall sein. Einmal weil es die Fähigkeit übersteigt ihrer natürlichen Hinordnung nach, und so spricht man von schwierig, wenn man dazugelangen kann durch irgendeine Hilfe; wenn man aber auf keine Weise [dazu gelangen kann], dann spricht man von unmöglich, wie es unmöglich ist, dass der Mensch fliegt. - Sodann übersteigt etwas die Fähigkeit nicht der natürlichen Ordnung der Fähigkeit nach, sondern wegen eines mit der Fähigkeit verbundenen Hindernisses. So ist das Steigen nicht gegen die natürliche Ordnung der Bewegungskraft der Seele, weil die an sich dazu angelegt ist, [den Körper] in jede beliebige Richtung zu bewegen; sie wird aber daran gehindert wegen der Schwere des Körpers. Darum ist es für den Menschen schwierig, zu steigen. Sich aber zur letzten Seligkeit zu kehren, ist für den Menschen schwierig, sowohl weil das über die Natur hinausgeht, als auch weil ein Hindernis da ist aus der Verderbtheit des Leibes und aus der Ansteckung durch die Sünde. Für den Engel aber ist das schwierig allein deswegen, weil es übernatürlich ist.

Zu 3. Jede beliebige Willensregung auf Gott hin kann Hinkehr zu Ihm heißen. Und darum gibt es eine dreifache Hinkehr zu Gott. - Eine in der vollkommenen Zuneigung, die dem Geschöpf eigen ist, das sich schon Gottes freut. Und zu dieser Hinkehr ist die vollendete Gnade erfordert. - Die andere Hinkehr ist Verdienst der Seligkeit, und zu dieser ist die heiligmachende Gnade erfordert, welche der Grund verdienstlicher Handlungen ist. - Die dritte Hinkehr ist diejenige, durch welche jemand sich zur Erlangung der Gnade vorbereitet. Und zu dieser ist nicht irgendwelche heiligmachende Gnade erfordert, sondern die Tätigkeit Gottes, welcher die Seele zu sich hinkehrt; Klgl 5,21: ,,Kehr uns, o Herr, zu Dir, und wir werden uns zu Dir kehren." Daraus erhellt, dass es sich nicht um ein Fortschreiten ins Unendliche handelt.

3. ARTIKEL

Sind die Engel in der Gnade erschaffen?

1. Augustinus sagt, dass die Engelsnatur zuerst ungeformt geschaffen und Himmel genannt, nachher aber geformt und Licht genannt wurde. Diese Formung nun geschieht durch die Gnade. Also sind sie nicht in der Gnade erschaffen.

2. Die Gnade neigt das vernunftbegabte Geschöpf zu Gott hin. Wenn also der Engel in der Gnade erschaffen gewesen wäre, hätte kein Engel sich von Gott abgewandt.

3. Die Gnade liegt in der Mitte zwischen Natur und Herrlichkeit. Die Engel aber waren bei ihrer Erschaffung nicht selig. Also scheint es, dass sie auch nicht in der Gnade erschaffen wurden, sondern zunächst nur in der Natur; später aber haben sie die Gnade erlangt und zuletzt sind sie beseligt worden.

ANDERSEITS sagt Augustinus: ,,Wer hat den guten Willen geschaffen in den Engeln, wenn nicht jener, der sie mit ihrem Willen, das heißt mit der keuschen Liebe, worin sie Ihm anhangen, geschaffen, zugleich ihre Natur eingerichtet und die Gnade geschenkt hat?"

ANTWORT: Obwohl es darüber verschiedene Auffassungen gibt, indem einige sagen, die Engel seien allein in der Naturanlage erschaffen, andere aber, sie seien in Gnade erschaffen, so scheint es doch wahrscheinlicher und den Aussprüchen der Heiligen entsprechender, dass sie der heiligmachenden Gnade geschaffen wurden. Wir sehen nämlich, dass alles, was im Verlauf der Zeit durch das Werk der göttlichen Vorsehung - wobei das Geschöpf unter Mithilfe Gottes wirkt. – hervorgebracht wurde, bei der ersten Gründung der Dinge hervorgebracht wurde nach keimhaften Wesensgründen (Augustinus), wie Bäume und Tiere und anderes dgl. Es ist aber offensichtlich, dass die heiligmachende Gnade sich so zur Seligkeit verhält wie der keimhafte Wesensgrund in der Natur zur natürlichen Wirkung; darum wird die Gnade (1 Joh 3,0) ,,Same Gottes" genannt. Wie also nach der Auffassung des Augustinus angenommen wird, dass sofort bei der ersten Erschaffung der körperlichen Schöpfung ihr die keimhaften Wesensgründe aller natürlichen Wirkungen eingesenkt wurden, so sind sofort vom Anfang an die Engel in der Gnade erschaffen worden.

Zu 1. Jene Ungeformtheit des Engels kann man verstehen entweder im Vergleich zu der Formung der Herrlichkeit, und so ging zeitlich die Ungeformtheit der Formung voraus. Oder im Vergleich zur Formung der Gnade, und so ging sie in der Ordnung der Zeit nicht voraus, sondern nur in der Ordnung der Natur, wie dies Augustinus auch von der körperlichen Formung annimmt.

Zu 2. Jede Form verleiht ihrem Träger eine Hinneigung nach der Weise seiner Natur. Die natürliche Weise der geistigen Natur aber besteht darin, sich bestimmen zu lassen, wozu sie will. Darum legt sie auch keinen Zwang auf, diese Hinneigung der Gnade, sondern wer die Gnade hat, kann sich ihrer nicht bedienen und sündigen.

Zu 3. Obgleich die Gnade der Ordnung der Sache nach in der Mitte liegt zwischen der Natur und der Herrlichkeit, so sollte doch der Ordnung der Zeit nach in der geschaffenen Natur die Herrlichkeit nicht zugleich mit der Natur sein, weil die Herrlichkeit das Ziel der Tätigkeit der Natur selbst ist, welche durch die Gnade unterstützt wird. Die Gnade aber ist nicht Ziel der Tätigkeit, weil sie ,,nicht aus den Werken" stammt, sondern Grund der guten Werke ist. Und darum war es angemessen, sofort mit der Natur die Gnade zu geben.

4. ARTIKEL

Hat der selige Engel verdienstliche Akte gesetzt zu seiner Seligkeit?

1. Das Verdienst kommt aus der Schwierigkeit des verdienstlichen Aktes. Der Engel aber hat keinerlei Schwierigkeit im guten Wirken. Also war sein gutes Wirken nicht verdienstlich für ihn.

2. Auf Grund der Naturanlage haben wir keine Verdienste. Es war aber für den Engel natürlich, sich zu Gott hinzukehren. Also hat er dadurch die Seligkeit nicht verdient.

3. Wenn der selige Engel seine Seligkeit verdient hat, dann entweder bevor er sie hatte, oder nachher. Vorher nicht, weil er, wie vielen scheint, vorher die Gnade nicht hatte, ohne welche es kein Verdienst gibt. Aber auch nachher nicht, weil dann der Engel auch jetzt noch verdienstliche Akte setzen würde, was falsch zu sein scheint, denn auf diese Weise könnte der niederere Engel durch verdienstliche Akte den Stufengrad eines höheren Engels erreichen und die Unterscheidungen der Gnadenstufen wären nicht beständig, was nicht sinnvoll ist. Also hat der selige Engel seine Seligkeit nicht verdient.

ANDERSEITS wird in der Geheimen Offenbarung gesagt, dass ,,das Maß des Engels" in jenem himmlischen Jerusalem ,,das Maß des Menschen" ist (0ff b 21,17). Mensch aber kann zur Seligkeit nicht gelangen, es sei denn durch Verdienst. Also auch nicht der Engel.

ANTWORT: Für Gott allein ist die vollkommene Seligkeit natürlich, weil für Ihn Sein und Selig-sein dasselbe ist. Für jedes beliebige Geschöpf aber ist das Selig-sein nicht natürlich, sondern letztes Ziel. Ein jedes Ding gelangt zu seinem letzten Ziel durch seine Tätigkeit. Diese Tätigkeit, welche zum Ziele führt, schafft entweder selbst das Ziel, wenn das Ziel die Kraft dessen nicht übersteigt, was um des Zieles willen tätig ist, wie die ärztliche Tätigkeit Gesundheit schafft; oder sie verdient das Ziel, wenn das Ziel die Kraft des um des Zieles willen Tätigen übersteigt; darum wird das Ziel als Geschenk eines anderen erwartet. Die letzte Seligkeit aber übersteigt sowohl die englische wie die menschliche Natur. Darum bleibt nur übrig, dass sowohl der Mensch wie der Engel ihre Seligkeit verdienen.

Und wenn der Engel in der Gnade erschaffen wurde, ohne welche es kein Verdienst gibt, so können wir ohne Schwierigkeit sagen, dass er seine Seligkeit verdient hat. - Und ähnlich, wenn jemand sagen würde, dass er auf irgendeine Weise die Gnade besaß vor der Herrlichkeit.

Wenn er aber die Gnade nicht besaß, bevor er selig war, so muss man sagen, dass er die Seligkeit ohne Verdienst besaß wie wir die Gnade. Das aber ist gegen den Begriff der Seligkeit, welche den Charakter des Zieles hat und ,,ein Lohn der Tugend" ist (Aristoteles). - Oder man muss sagen, dass die Engel die Seligkeit verdienen durch das, was sie schon als Selige wirken in den göttlichen Dienstwaltungen, wie andere gesagt haben. aber ist gegen den Begriff des Verdienstes, denn Verdienst hat den Charakter des Weges zum Ziel; demjenigen aber, welcher schon am Endpunkt angelangt ist, kommt es nicht zu, sich zum Endpunkt hinzubewegen, und so setzt keiner einen verdienstlichen Akt für das, was er schon hat. - Oder man muss sagen, dass ein und derselbe Akt der Hinkehr zu Gott, insofern er aus der freien Selbstbestimmung stammt, verdienstlich ist, und insofern er das Ziel betrifft, selige Wonne ist. Aber auch das scheint nicht sinnvoll zu sein. Denn freie Wahlvermögen ist keine ausreichende Ursache des Verdienstes; darum kann ein Akt, sofern er aus dem freien Wahlvermögen stammt, nur verdienstlich sein, soweit er durch die Gnade geformt ist; er kann aber nicht zugleich geformt sein durch unvollkommene Gnade, welche Grund der Verdienstlichkeit ist, und durch vollkommene Gnade, welche Grund der Seligkeit ist. Darum scheint es nicht möglich zu sein, dass er zugleich in der Wonne lebe und die Wonne verdiene.

Und darum ist es besser zu sagen, dass der Engel die Gnade, durch welche er die Seligkeit verdiente, besaß, bevor er selig war.

Zu 1. Die Schwierigkeit des guten Wirkens in der Engeln stammt nicht aus irgendeiner Gegensätzlichkeit oder Hemmung der natürlichen Kraft, sondern daraus, dass irgendein gutes Werk über die Kraft der Natur hinaus. geht.

Zu 2. Der Engel hat die Seligkeit nicht verdient durch die naturhafte Hinkehr, sondern durch die Hinkehr der Minne, welche auf Gnade beruht.

Zu 3. erhellt die Antwort aus dem Gesagten.

5. ARTIKEL

Hat der Engel sofort nach einem einzigen verdienstlichen Akt die Seligkeit erlangt?

1. Es ist für den Menschen schwieriger, gut zu wirken, als für den Engel. Der Mensch wird nun nicht sofort nach einem einzigen Akt belohnt. Also auch der Engel nicht.

2. Der Engel konnte sofort im Anfang seiner Erschaffung und im Jetzt irgendeinen Akt setzen; denn auch die Naturkörper beginnen schon in dem Jetzt ihrer Erschaffung sich zu bewegen, und wenn die Bewegung eines Körpers im Jetzt erfolgen könnte wie die Tätigkeiten des Verstandes und des Willens, so hätten sie im ersten Jetzt ihrer Erschaffung eine Bewegung. Wenn also der Engel durch eine einzige Regung seines Willens die Seligkeit erdient hat, so hat er sie im ersten Jetzt seiner Erschaffung verdient. Da nun ihre Seligkeit nicht verzögert wird, so waren sie sofort im ersten Jetzt selig.

3. Zwischen weit Auseinanderliegendem müssen viele Zwischenstufen sein. Nun aber liegt der Stand der Seligkeit der Engel weit ab vom Stand ihrer Natur, und zwischen beiden liegt das Verdienst. Es muss also der Engel durch viele Verdienste zur Seligkeit gelangen.

ANDERSEITS: Die Seele des Menschen und der Engel sind in ähnlicher Weise auf die Seligkeit hingeordnet:

darum wird den Heiligen die Gleichheit mit den Engeln versprochen (Lk 20,36). Nun aber erlangt die vom Leibe getrennte Seele, wenn sie das Verdienst der Seligkeit hat, sofort die Seligkeit, falls nicht ein anderes Hindernis da ist. Also aus dem gleichen Grunde auch der Engel. Er hat aber sofort beim ersten Akt der Minne das Verdienst der Seligkeit gehabt. Also ist er, da kein Hindernis in ihm ist, sofort allein durch einen [einzigen] verdienstlichen Akt zur Seligkeit gelangt.

ANTWORT: Der Engel war nach dem ersten Akt der Minne, durch welchen er die Seligkeit verdiente, sofort selig. Der Grund hierfür liegt darin, dass die Gnade die Natur vervollkommnet nach der Weise der Natur wie jede Vervollkommnung in dem Vervollkommnungsfähigen aufgenommen wird nach dessen Weise. Das ist das Eigentümliche der Engelsnatur, dass sie ihre natürliche Vollendung nicht durch [gedankliches] Fortschreiten erreicht, sondern sofort von Natur aus besitzt. Wie der Engel von Natur aus hingeordnet ist auf natürliche Vollendung, so vom Verdienst aus auf die Herrlichkeit. Und so folgte im Engel sofort auf den verdienstlichen Akt die Seligkeit. - Das Verdienst der Seligkeit kann nicht bloß beim Engel, sondern auch beim Menschen durch einen einzigen Akt erfolgen, weil der Mensch durch jeden von der Minne durchformten die Seligkeit verdient. Darum bleibt nur, dass sofort nach einem einzigen von der Minne durchformten Akt der Engel selig ist.

Zu 1. Der Mensch ist seiner Natur zufolge nicht darauf angelegt, sofort die letzte Vollendung zu erreichen wie der Engel. Und darum ist dem Menschen ein längerer Weg gegeben, um die Seligkeit zu verdienen, als dem Engel.

Zu 2. Der Engel ist über die Zeit der Körperdinge erhaben, darum sind die verschiedenen Jetzt in Betreff der Engel nur nach dem Nacheinander in ihren Tätigkeiten gegeben. Doch konnte der die Seligkeit verdienende Akt und der Akt der Seligkeit, welcher die Wonne ist, in ihnen nicht zugleich sein; denn der eine gehört zur unvollendeten Gnade, der andere zur vollendeten. So bleibt denn, dass man verschiedene Jetzt annehmen muss; in einem dieser Jetzt hat er die Seligkeit verdient, und in dem anderen war er selig.

Zu 3. Es gehört zur Natur des Engels, dass er sofort seine Vollkommenheit erreicht, auf die er hingeordnet ist. Und darum ist nur ein [einziger]verdienstlicher Akt erforderlich; dieser kann Zwischenstufe heißen aus dem Grunde, weil ihm zufolge der Engel zur Seligkeit hingeordnet wird.

6. ARTIKEL

Haben die Engel Gnade und Herrlichkeit erlangt nach dem Maß des Naturgegebenen in ihnen?

1. Die Gnade wird aus dem reinen Willen Gottes geschenkt. Also hängt auch das Maß der Gnade ab vom Willen Gottes und nicht vom Maß des Naturgegebenen.

2. Der Gnade scheint die menschliche Handlung näher zu liegen als die Natur, weil die menschliche Handlung zur Gnade vorbereitet. Die Gnade aber ist ,,nicht aus den Werken" (Röm 11,6). Also bemisst sich das Maß der Gnade in den Engeln um so weniger nach dem Maß des Naturgegebenen.

3. Der Mensch und der Engel sind in gleicher Weise hingeordnet auf die Seligkeit, bzw. auf die Gnade. Dem Menschen aber wird kein Mehr an Gnade verliehen auf Grund des Naturgegebenen in ihm. Also auch nicht dem Engel.

ANDERSEITS sagt der Magister: ,,Die Engel, die von Natur aus lichter und in einer tiefer eindringenden Weisheit geschaffen wurden, sind auch mit größeren Gnadengeschenken begabt worden."

ANTWORT: Es entspricht der Vernunft, dass dem Grade des Naturgegebenen entsprechend den Engeln die Gnadengaben und die Vollendung in der Seligkeit verliehen wurden. Der Grund hierfür kann zwei Erwägungen entnommen werden. Erstens von Seiten Gottes, der nach der Ordnung Seiner Weisheit verschiedene Stufengrade in der Engelsnatur begründet hat. Wie nun die Engelsnatur von Gott geschaffen wurde zur Erlangung der Gnade und Seligkeit, so scheinen auch die Stufengrade der Engelsnatur hingeordnet zu sein auf verschiedene Stufengrade der Gnade und Herrlichkeit. So wenn z. B. ein Baumeister Steine behauen lässt zur Errichtung eines Hauses, so scheint er ebendarum, weil er einige schöner und passender zurichten lässt, diese für einen vornehmeren Teil des Hauses zu bestimmen. So scheint es denn, dass Gott die Engel, welche Er in höherer Natur erschaffen, für größere Gnadengaben und für reichere Seligkeit bestimmt hat.

Zweitens erhellt dasselbe von Seiten des Engels. Denn der Engel ist nicht zusammengesetzt aus verschiedenen Naturen, so dass die Neigung der einen Natur den Schwung der anderen hinderte oder verzögerte, wie das beim Menschen der Fall ist, bei welchem die Bewegung des erkennenden Vermögens verzögert oder verhindert wird durch die Neigung des sinnlichen Vermögens. Wenn aber nichts da ist, was verzögert oder verhindert, so ist die Natur gemäß ihrer ganzen Kraft in Bewegung. Und darum entspricht es der Vernunft, dass die Engel, welche eine bessere Naturausstattung haben, auch stärker und wirksamer sich zu Gott gekehrt haben. Das trifft aber auch bei den Menschen zu, dass je nach der Stärke der Hinkehr zu Gott größere Gnade und Herrlichkeit verliehen wird. Darum scheint es, dass die Engel, deren Naturgegebenes besser war, mehr Gnade und Herrlichkeit erhielten.

Zu 1. Wie die Gnade aus reinem Willen Gottes stammt, so auch die Natur des Engels. Und wie der Wille Gottes die Natur zur Gnade hingeordnet hat, so hat Er auch die Stufengrade der Natur zu den Stufengraden der Gnade hingeordnet.

Zu 2. Die Tätigkeiten des vernunftbegabten Geschöpf es stammen von diesem selbst; die Natur aber ist unmittelbar von Gott. Darum scheint es eher, dass die Gnade nach dem natürlichen Stufengrad verliehen wird als nach den Werken.

Zu 3. Die Verschiedenheit des Naturgegebenen ist eine andere bei den Engeln, welche sich der Art nach unter scheiden, und eine andere bei den Menschen, welche nur der Zahl nach unterschieden sind. Denn die Verschiedenheit der Art nach ist wegen der Form, die Verschiedenheit der Zahl nach wegen des Stoffes. - Und überdies ist im Menschen etwas, das die Bewegung der geistbegabten Natur hindern oder verzögern kann, nicht aber in den Engeln. Darum gilt nicht derselbe Grund für beide.

7. ARTIKEL

Verbleibt in den seligen Engeln natürliche Erkenntnis und Zuneigung?

1. In 1 Kor 13,10 heißt es: ,,Wenn kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerk abgetan werden." Nun aber ist natürliche Zuneigung und Erkenntnis unvollkommen im Verhältnis zur seligen Erkenntnis und Zuneigung. Also weicht natürliche Erkenntnis und Liebe, wenn die Seligkeit hinzukommt.

2. Wo das eine genügt, ist das andere überflüssig. Nun genügt aber bei den seligen Engeln die Erkenntnis und Zuneigung der Herrlichkeit. Es wäre also überflüssig, dass die natürliche Erkenntnis und Zuneigung in ihnen verbliebe.

3. Ein und dieselbe Fähigkeit hat nicht zwei Akte zugleich, wie auch eine Linie nicht in derselben Richtung in zwei Punkte endet. Nun sind die seligen Engel immerfort im Vollzug der seligen Erkenntnis und Zuneigung, denn das Glück besteht nicht im Gehaben, sondern im Vollzug (Aristoteles). Also kann in den Engeln niemals natürliche Erkenntnis und Liebe sein.

ANDERSEITS: Solange die Natur bleibt, bleibt deren Tätigkeit. Die Seligkeit aber hebt die Natur nicht auf, da sie deren Vollendung ist. Also hebt sie die natürliche Erkenntnis und Zuneigung nicht auf.

ANTWORT: In den seligen Engeln verbleibt die natürliche Erkenntnis und Zuneigung. Wie sich nämlich die Ausgangsgründe der Tätigkeiten untereinander verhalten, so auch die Tätigkeiten selbst. Es ist nun offensichtlich, dass die Natur zur Seligkeit sich verhält wie das Erste zum Zweiten, denn die Seligkeit wird der Natur hinzugefügt. Immer aber muss das Erste im Zweiten gewahrt bleiben. Darum muss die Natur in der Seligkeit gewahrt bleiben. Und desgleichen muss im Akt der Seligkeit der Akt der Natur gewahrt bleiben.

Zu 1. Eine hinzukommende Vollkommenheit hebt die ihr entgegenstehende Unvollkommenheit auf. Die Unvollkommenheit der Natur aber steht der Vollkommenheit der Seligkeit nicht entgegen, sondern ist ihr unterbaut, so wie die Unvollkommenheit der Anlage der Vollkommenheit der Form unterbaut ist; dabei wird die Anlage durch die Form nicht aufgehoben, sondern der Mangel wird aufgehoben, welcher der Form entgegen-steht. — Und ähnlich steht auch die Unvollkommenheit der natürlichen Erkenntnis nicht der Vollkommenheit der Erkenntnis der Herrlichkeit entgegen, denn es hindert nichts, dass man etwas durch verschiedene Erkenntnismittel zugleich erkenne, wie z. B. etwas zugleich durch ein wahrscheinliches und durch ein strenges Beweismittel erkannt werden kann. Und ähnlich kann der Engel Gott erkennen durch das Wesen Gottes, was zur Erkenntnis der Herrlichkeit gehört, und zugleich durch sein eigenes Wesen, was zur Erkenntnis der Natur gehört.

Zu 2. Was zur Seligkeit gehört, ist sich selbst genug. Dazu aber, dass ebendies da sei, fordert es als Voraussetzung, was zur Natur gehört; denn keine Seligkeit gründet in sich selbst, es sei denn die ungeschaffene Seligkeit.

Zu 3. Zwei Tätigkeiten können nicht zugleich ein und derselben Fähigkeit zugehören, wenn nicht eine auf die andere hingeordnet ist. Die natürliche Erkenntnis und Zuneigung aber sind auf die Erkenntnis und Zuneigung der Herrlichkeit hingeordnet. Darum steht nichts im Wege, dass im Engel die natürliche Erkenntnis und Zuneigung vorhanden ist und die Erkenntnis und Zuneigung der Herrlichkeit.

8. ARTIKEL

Kann der selige Engel sündigen?

1. Die Seligkeit hebt die Natur nicht auf (Art. 7). Nun gehört es aber zum Wesen der geschaffenen Natur, dass sie versagen kann. Also kann der selige Engel sündigen.

2. Vernunftfähigkeiten gehen auf Entgegengesetztes (Aristoteles). Der Wille des seligen Engels aber hört nicht auf, eine Vernunftfähigkeit zu sein. Also geht er auf Gutes und Böses.

3. Es gehört zur Freiheit des Wahlvermögens, dass der Mensch Gutes und Böses wählen kann. Die Freiheit des Wahlvermögens aber ist in den seligen Engeln nicht gemindert. Also können sie sündigen.

ANDERSEITS sagt Augustinus: Jene Natur, welche nicht sündigen kann, ,,ist in den heiligen Engeln". Also können die heiligen Engel nicht sündigen.

ANTWORT: Die seligen Engel können nicht sündigen. Der Grund dafür liegt in folgendem: Ihre Seligkeit steht darin, Gott durch [dessen] Wesenheit zu schauen. Die Wesenheit Gottes aber ist die [ausschließliche] Wesenheit des Guten. Darum verhält sich der Engel, welcher Gott schaut, zu Gott wie jeder, der Gott nicht schaut, zum allgemeinem Wesen des Guten. Es ist nun unmöglich, dass jemand irgend etwas wolle oder tue, ohne das Gute im Auge zu haben, oder dass er vom Guten als solchem abweichen wolle. Darum kann der selige Engel nicht wollen oder handeln, ohne Gott im Auge zu haben. Wer aber auf solche Weise will oder handelt, kann nicht sündigen. Darum kann der selige Engel auf keine Weise sündigen.

Zu 1. Ein geschaffenes Gut kann in sich betrachtet versagen. Doch aus der vollkommenen Verbindung mit dem ungeschaffenen Gut — und die Seligkeit ist eine solche — erlangt es das Unvermögen zu sündigen, aus dem schon angegebenen Grund (Antwort).

Zu 2. Die Vernunftkräfte gehen auf Entgegengesetztes im Bereich dessen, worauf sie naturhaft hingeordnet sind; im Bereich dessen aber, worauf sie nicht naturhaft hingeordnet sind, gehen sie nicht auf Entgegengesetztes. Denn der Verstand ist nicht fähig, den naturhaft bekannten ersten Denkgesetzen nicht zuzustimmen, und ähnlich ist der Wille unfähig, einem Gut, sofern es ein Gut ist, nicht anzuhangen, weil er naturhaft auf das Gute hingeordnet ist als auf seinen Gegenstand. So steht also der Wille des Engels Gegensätzen offen in bezug auf das Tun oder Lassen vieler Dinge. In Bezug auf Gott selbst aber, den die Engel als die [ausschließliche] Wesenheit des Guten erkennen, stehen sie nicht Gegensätzen offen, sondern sie lassen sich in Übereinstimmung mit Ihm zu allem leiten, was sie immer unter den Gegensätzen auswählen. Und das geschieht ohne Sünde.

Zu 3. Das freie Wahlvermögen verhält sich zur Wahl der Mittel zum Ziel wie der Verstand zu den Schlussfolgerungen. Es ist nun offensichtlich, dass es zur Fähigkeit des Verstandes gehört, zu verschiedenen Schlussfolgerungen fortzuschreiten gemäß den gegebenen Denkgrundsätzen; dass er aber zu einer Schlussfolgerung fortschreitet unter Außerachtlassung der Ordnung der Denkgrundsätze, das stammt aus seinem Versagen. Die Tatsache also, dass das freie Wahlvermögen Verschiedenes auswählen kann unter Einhaltung der Zielordnung, gehört zur Vollkommenheit seiner Freiheit. Dass es aber etwas auswählt und von der Zielordnung abweicht, was sündigen heißt, das gehört zum Versagen der Freiheit. Darum ist eine größere Freiheit des Wahlvermögens in den Engeln, welche nicht sündigen können, als in uns, die wir sündigen können.

9. ARTIKEL

Können die seligen Engel in der Seligkeit zunehmen?

1. Die Minne ist der Grund des Verdienstes. Nun ist in den Engeln eine vollkommene Minne. Also können die seligen Engel verdienstliche Akte setzen. Je mehr aber das Verdienst wächst, um so mehr wächst der Lohn der Seligkeit. Also können die seligen Engel in der Seligkeit zunehmen.

2. Augustinus sagt: ,,Gott bedient sich unser zu unserem Nutzen und zu Seiner Güte." Desgleichen bedient Er sich, bei geistigen Dienstwaltungen, der Engel, denn sie sind ,,dienende Geister, zum Dienste gesandt um derentwillen, welche das Erbe des Heiles erlangen" (Hebr 1,14). Das gereichte ihnen aber nicht zum Nutzen, wenn sie dadurch nicht verdienstliche Akte setzten und nicht in der Seligkeit zunähmen. Es bleibt also nur, dass die seligen Engel sowohl verdienstliche Akte setzen wie auch in der Seligkeit zunehmen können.

3. Es ist ein Zeichen der Unvollkommenheit, wenn einer, der nicht am Gipfel ist, nicht mehr steigen kann. Die Engel aber sind noch nicht am Gipfel. Wenn sie also zu Höherem nicht aufsteigen können, scheint in ihnen Unvollkommenheit und Mangel zu walten, was unangemessen ist.

ANDERSEITS gehört die Setzung verdienstlicher Akte wie das Zunehmen [in der Vollkommenheit] zum Stand der Pilgerschaft. Die Engel aber sind nicht im Stand der Pilgerschaft, sondern im Stand des Besitzes. Also können die seligen Engel weder verdienstliche Akte setzen noch in der Seligkeit zunehmen.

ANTWORT: Bei jeder beliebigen Bewegung geht die Absicht des Bewegers auf etwas Bestimmtes, wohin er das Bewegbare zu führen beabsichtigt, denn die Absicht geht auf das Ziel, welchem Unbestimmtheit widerstreitet. Es ist nun offensichtlich, dass das vernunftbegabte Geschöpf, da es durch seine eigene Kraft seine Seligkeit, welche in der Schau Gottes besteht, nicht erlangen kann, dessen bedarf, dass es von Gott zur Seligkeit gebracht werde. Es muss also etwas Bestimmtes sein, worauf ein jedes vernunftbegabte Geschöpf hingelenkt wird als auf das letzte Ziel.

Und dieses Bestimmte kann bei der göttlichen Schau nicht in dem bestehen, was[ als Objekt] geschaut wird, weil die höchste Wahrheit von allen Seligen in verschiedenen Graden geschaut wird. — Was indes die Art und Weise der Schau angeht, so wird das abschließende Ziel in verschiedener Weise vorbestimmt aus der Absicht dessen, der zum Ziele hinlenkt. Denn es ist nicht möglich, dass das vernunftbegabte Geschöpf, ebenso wie es dahin erhoben wird, die höchste Wesenheit zu schauen, auch zur höchsten Art und Weise der Schau erhoben werde, zur umfassenden Schau; denn diese Weise kommt Gott allein zu. Da nun eine unendliche Kraft erforderlich ist, um Gott umfassend zu schauen, die Kraft des Geschöpfes im Schauen hingegen nur endlich sein kann, und da vom Unendlichen jedes Endliche um unendlich viele Grade Abstand hat, so kommt es, dass das vernunftbegabte Geschöpf Gott erkennen kann auf viele Weisen, klarer oder weniger klar. Und wie die Seligkeit in der Schau selbst besteht, so besteht der Grad der Seligkeit in einer bestimmten Art und Weise der Schau.

So wird also ein jedes vernunftbegabte Geschöpf von Gott zum Ziel der Seligkeit hingeführt, und zwar so, dass es auch zu einem bestimmten Grad der Seligkeit hingeführt wird nach der Vorherbestimmung Gottes. Darum kann es nach Erreichung jenes Grades nicht zu einem höheren übergehen.

Zu 1. Die Setzung verdienstlicher Akte gehört dem zu, der zum Ziele hinbewegt wird. Das vernunftbegabte Geschöpf wird nun nicht nur durch Empfangen, sondern auch durch Wirken zum Ziele hinbewegt. Und wenn jenes Ziel der Kraft des vernunftbegabten Geschöpfes untersteht, so sagt man, diese Tätigkeit erreiche jenes Ziel, so wie der Mensch durch Nachdenken Wissen erwirbt; wenn aber das Ziel nicht in seiner Macht liegt, sondern von einem anderen erhofft wird, so wird diese Tätigkeit das Ziel auf Grund eines verdienstlichen Aktes erreichen. — Dem Wesen jedoch, welches an seinem letzten Gipfel angelangt ist, kommt es nicht zu, weiter bewegt zu werden, sondern umgewandelt zu sein. Darum gehört es zur unvollkommenen Minne, der Minne der Pilgerschaft, verdienstliche Akte zu setzen; zur vollkommenen Minne hingegen gehört es nicht, verdienstliche Akte zu setzen, sondern vielmehr sich des Lohnes zu freuen. So ist auch bei dem erworbenen Gehaben die dem Gehaben vorausgehende Tätigkeit die Erwerbung des Gehabens, die Tätigkeit jedoch, welche aus dem schon erworbenen Gehaben stammt, ist eine vollkommene Tätigkeit mit Freude. Und ähnlich hat der Akt der vollkommenen Liebe nicht die Eigenart des Verdienstes, sondern gehört eher zur Vollkommenheit des Lohnes.

Zu 2. Ein Ding heißt auf zweierlei Weise nützlich. Einmal so wie etwas, das auf dem Wege zum Ziel ist; und nützlich dieser Art ist Verdienst der Seligkeit. Sodann wie der Teil für das Ganze nützlich ist, z. B. die Wand für das Haus. Und auf diese Weise sind die Dienste der Engel den seligen Engeln nützlich, insofern sie eine Art Teil ihrer eigenen Seligkeit sind; denn die Vollkommenheit, die man hat, auf andere überströmen zu lassen, das gehört zum Wesen des Vollkommenen als solchen.

Zu 3. Wenn auch der selige Engel nicht den höchsten Stufengrad der Seligkeit schlechthin einnimmt, so ist er doch im letzten Stufengrad seiner eigenen Vollendung, der göttlichen Vorherbestimmung entsprechend.

Doch kann die Freude der Engel über das Heil derer, die durch ihre Dienstwaltung gerettet werden, vermehrt werden; Lk 15,10: ,,Freude ist bei den Engeln Gottes über einen [einzigen] Sünder, der Buße tut." Doch gehört diese Freude zum beiläufigen Lohn, welcher unstreitig vermehrt wert kann bis zum Tage des Gerichtes. Darum sagen einige dass sie in Bezug auf diesen beiläufigen Lohn sogar noch verdienen können. — Es ist aber besser, zu sagen, dass kein Seliger auf irgendeine Weise verdienstliche Akte setzen kann, wenn er nicht zugleich Pilger und Schauer ist, wie Christus, der allein Pilger und Schauer war. Denn besagte Freude erwerben sie eher aus der Kraft der Seligkeit, als dass sie jene Freude verdienen.

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63. FRAGE

VON DER SCHLECHTHEIT DER ENGEL IN BEZUG AUF IHRE SCHULD.

Hierauf ist zu betrachten, wie die Engel schlecht geworden sind. Und zuerst, was das Schlechte der Schuld angeht. Zweitens, was das Schlechte der Strafe angeht.

Zum Ersten ergeben sich neun Einzelfragen:
1. Kann das Schlechte der Schuld in den Engeln sein?
2. Was für Sünden in ihnen sein können.
3. Im Streben wonach hat der Engel gesündigt?
4. Vorausgesetzt, dass einige Engel durch die Sünde des eigenen Willens schlecht geworden sind, sind dann andere von Natur aus schlecht?
5. Vorausgesetzt, dass das nicht zutrifft, konnte dann einer der Engel im ersten Jetzt seiner Erschaffung schlecht sein durch einen eigenen Willensakt?
6. War unter der Voraussetzung, dass dies nicht zutrifft, eine Spanne zwischen der Erschaffung und dem Fall?
7. War der oberste unter den stürzenden Engeln der höchste schlechthin unter allen Engeln?
8. War die Sünde des obersten Engels für andere eine Ursache zum Sündigen?
9. Sind so viele abgefallen, als treu geblieben sind?

1. ARTIKEL

Kann es bei den Engeln das Schlechte der Schuld geben?

1. Schlechtes kann nur sein in dem, was sich in Anlage zu etwas befindet (Aristoteles). Denn Träger des Mangels ist ein in Anlage zu etwas Seiendes. Die Engel aber haben als in sich gegründete Formen kein In-Anlage-sein. sein. Also kann es in ihnen das Schlechte der Schuld nicht geben.

2. Die Engel sind vornehmer als die Himnelskörper. In den Himmelskörpern aber kann es Schlechtes geben, wie die Philosophen sagen. Also auch nicht bei den Engeln.

3. Das, was naturgegeben ist, wohnt immer inne. Nun ist den Engeln naturgegeben, dass sie in der Bewegung der Zuneigung zu Gott hinstreben. Also kann dies nicht von ihnen genommen werden. Wenn sie aber Gott zugeneigt sind, sündigen sie nicht. Also können die Engel nicht sündigen.

4. Das Strebevermögen geht nur auf ein [wahres] Gut oder ein Scheingut. Bei den Engeln aber kann nichts als Gut erscheinen, was nicht ein wahres Gut wäre, weil es bei ihnen entweder überhaupt keinen Irrtum geben kann oder weil der Irrtum wenigstens nicht der Schuld vorausgehen kann. Also können die Engel nur das erstreben, was ein wahres Gut ist. Aber niemand, der ein wahres Gut erstrebt, sündigt. Also sündigt der Engel nicht in seinem Streben.

ANDERSEITS heißt es im Buche Job 4,18: ,,Er hat in Seinen Engeln Verkehrtheit gefunden."

ANTWORT: Sowohl der Engel wie auch jedes vernunftbegabte Geschöpf kann sündigen, wenn es in seiner bloßen Natur betrachtet wird. Und ein jedes Geschöpf, dem es zukommt, nicht sündigen zu können, besitzt dies aus dem Geschenk der Gnade, nicht aus der Seinslage seiner Natur. Der Grund dafür ist der, dass sündigen nichts anderes ist als von der Rechtheit des Aktes abweichen, die er haben muss; sei es, dass von Sünde die Rede ist im Leben der Natur, der Kunst oder der Sitte. Nun aber kann allein jener Akt nicht von der Rechtheit abweichen, dessen Richtschnur die Kraft des Wirkenden selbst ist. Wenn nämlich die Hand des Künstlers die Richtschnur der Bearbeitung wäre, könnte der Künstler das Holz nie anders als richtig bearbeiten; wenn aber die Richtigkeit der Bearbeitung von einer anderen Regel stammt, kann die Bearbeitung richtig und nicht-richtig sein. Nun aber ist allein der göttliche Wille die Richtschnur seines Aktes, denn er ist nicht auf ein höheres Ziel hingeordnet. Ein jeder Wille eines jeden beliebigen Geschöpfes aber hat in seinen Akten die Rechtheit nur, sofern er nach dem göttlichen Willen ausgerichtet wird, welchem das letzte Ziel zugehört, wie auch jeder Wille eines Untergebenen geregelt werden soll nach dem Willen des Oberen, z. B. der Wille eines Soldaten nach dem Willen des Heerführers. So also kann es allein im göttlichen Willen nicht sein, dass da Sünde ist; in jedem Willen eines Geschöpfes aber kann Sünde sein entsprechend der Ordnung seiner Natur.

Zu 1. In den Engeln ist keine Anlage zum Natursein. Doch ist in ihnen eine Anlage im Bereich der Erkenntniskraft, in der Richtung auf eine Umwandlung in dieses oder jenes. Und in dieser Beziehung kann es in ihnen Schlechtes geben.

Zu 2. Die Himmelskörper haben nur eine naturgegebene Tätigkeit. Und wie darum in ihrer Natur das Schlechte der Auflösung nicht möglich ist, so ist auch in ihrer naturhaften Tätigkeit das Schlechte der Unordnung unmöglich. Bei den Engeln aber ist über die naturhafte Tätigkeit hinaus noch die Tätigkeit des freien Wahlvermögens, demzufolge es bei ihnen Schlechtes geben kann.

Zu 3. Es ist dem Engel naturgegeben, sich in der Bewegung der Zuneigung zu Gott zu kehren, sofern Er der Ausgangsgrund des natürlichen Seins ist. Dass er aber sich zu Ihm kehre, sofern Er Gegenstand übernatürlicher Seligkeit ist, das kommt von der frei geschenkten Liebe, von der er sich abwenden konnte durch die Sünde.

Zu 4. Eine Todsünde im Vollzug des freien Wahlvermögens kann auf doppelte Weise geschehen. Einmal dadurch, dass irgendein Schlechtes erwählt wird; so sündigt der Mensch z. B., wenn er den Ehebruch will, der an sich schlecht ist. Und eine solche Sünde geht immer aus irgendeiner Unwissenheit oder einem Irrtum hervor, denn sonst würde das, was schlecht ist, nicht als gut erwählt. Der Ehebrecher nämlich irrt im Einzelfalle, indem er diese bestimmte Ergötzung einer ungeordneten Handlung erwählt als ein für den Augenblick zu wirkendes Gut, wegen der Neigung der Leidenschaft oder der Gewohnheit, wenn er auch im allgemeinen nicht irrt, sondern eine wahre Auffassung darüber besitzt- Auf diese Weise konnte nun die Sünde nicht im Engel sein, da es bei den Engeln weder Leidenschaften gibt, durch welche die Vernunft oder der Verstand gebunden würde (59, 4), noch auch der ersten Sünde eine Gewohnheit vorausgehen konnte, welche zur Sünde hinzog. — Auf andere Weise kann Sünde geschehen auf Grund des freien Wahlvermögens, indem etwas erwählt wird, was an sich gut ist, aber nicht in der Ordnung des gebührenden Maßes oder der gebührenden Richtschnur verläuft; so dass der Mangel, welcher die Sünde nach sich zieht, nur von der Erwählung herrührt, welche nicht in der gebührenden Ordnung steht, nicht aber von dem erwählten Ding her; so z. B. wenn jemand erwählen würde zu beten, ohne auf die von der Kirche gesetzte Ordnung zu achten.

Und eine Sünde dieser Art verlangt nicht schon vorher Unwissenheit, sondern nur die Abwesenheit der Betrachtung dessen, was betrachtet werden sollte. Und auf diese Weise hat der Engel gesündigt, indem er sich auf Grund seines freien Wahlvermögens zum eigenen Gut hinwandte, ohne Rücksicht auf die Richtschnur des göttlichen Willens.

2. ARTIKEL

Kann in den Engeln nur die Sünde des Stolzes und des Neides Sein?

1. Bei wem immer die Ergötzung an einer Sünde zu trifft, bei dem kann die entsprechende Sünde zutreffen. Die bösen Geister aber ergötzen sich auch an der Unzucht der fleischlichen Sünde (Augustinus). Also können bei den bösen Geistern auch fleischliche Sünden sein.

2. Wie der Stolz und der Neid geistige Sünden sind, so auch Unlust am Guten, Geiz und Zorn. Dem Geist aber entsprechen geistige Sünden wie dem Fleisch fleischliche. Also können nicht nur Stolz und Neid in den Engeln sein, sondern auch Unlust am Guten und Geiz.

3. Gregorius zufolge entstehen aus dem Stolz mehrere Laster, ähnlich aus dem Neid. Ist nun die Ursache gesetzt, so wird auch die Wirkung gesetzt. Wenn also Stolz und Neid in den Engeln sein können, dann können aus dem gleichen Grunde auch andere Laster in ihnen sein.

ANDERSEITS sagt Augustinus ,,Der Teufel ist nicht unzüchtig, noch betrunken, noch etwas dergleichen, er ist aber stolz und neidisch."

ANTWORT Irgendeine Sünde kann auf doppelte Weise in einem Wesen sein. Einmal der Verschuldung nach, sodann dem Verlangen nach. Der Verschuldung nach können zwar alle Sünden in den bösen Geistern sein; denn da sie die Menschen zu allen Sünden verführen, ziehen sie Mitschuld für alle Sünden auf sich. — Dem Verlangen nach aber können nur jene Sünden in den Engeln sein, zu welchen eine geistige Natur hingezogen werden kann. Eine geistige Natur aber kann nicht hingezogen werden zu Gütern, welche dem Körper eigen sind, sondern zu dem, was in geistigen Dingen sich finden kann- Denn es wird etwas nur zu dem hingezogen, was irgendwie mit seiner Natur übereinstimmt. Bei geistigen Gütern aber kann keine Sünde sein, sofern nur einer zu ihnen hingezogen wird, es sei denn dadurch, dass in solcher Regung die Richtschnur des Höheren nicht beobachtet wird. Und das ist die Sünde des Stolzes, dem Höheren nicht untertan sein in dem, worin man es sein soll. Darum konnte die erste Sünde des Engels nichts anderes sein als Stolz.

Folgerichtig konnte in ihnen auch der Neid sein. Denn es kommt auf dasselbe hinaus, ob das Verlangen auf ein erstrebenswertes Gut hindrängt oder dem Entgegengesetzten widersteht. Der Neidische empfindet nun über das Gut eines anderen Pein, insofern als er das Gut des anderen auffasst als Hindernis des eigenen Gutes. Das Gut des anderen aber konnte nur insoweit als Hindernis des vom schlechten Engel angestrebten Gutes aufgefasst werden, als er einen besonderen Rang anstrebte, welcher durch den Vorrang des anderen aufgehoben wird. Und darum ist auf die Sünde des Stolzes im sündigenden Engel das Übel des Neides gefolgt, indem er über das Gut des Menschen Pein empfand und auch über die göttliche Erhabenheit, sofern Gott sich des menschlichen Gutes bedient zur Verherrlichung Seiner selbst gegen den Willen des Teufels.

Zu 1. Die bösen Geister ergötzen sich in den Unzüchten fleischlicher Sünden nicht so, als ob sie selbst von fleischlichen Ergötzungen berührt würden. Sondern alles das geht aus dem Neid hervor, da sie sich über alle möglichen Sünden der Menschen freuen, sofern diese Hindernisse des menschlichen Wohles sind.

Zu 2. Der Geiz, sofern er eine besondere Sünde ist, ein unmäßiges Streben nach zeitlichen Dingen, die im menschlichen Leben gebraucht werden und durch Geld bemessen werden können. Und davon werden die bösen Geister nicht berührt wie auch nicht von fleischlichen Ergötzungen. Darum kann Geiz im eigentlichen Sinne nicht in den bösen Geistern sein. Wenn aber Geiz jede unmäßige Begierde nach dem Besitz irgendeines geschaffenen Gutes besagen soll, so ist der Geiz enthalten im Hochmut, und dieser ist in den bösen Geistern. —Der Zorn hingegen ist mit einer Art Leidenschaft verbunden, wie auch die Begierde. Darum kann der Zorn nur im übertragenen Sinne in den bösen Geistern sein. Die Unlust am Guten aber ist eine gewisse Traurigkeit, die den Menschen schwerfällig macht zu geistlichen Akten wegen der körperlichen Beschwerlichkeit, mit der die bösen Geister nichts zu tun haben. Und so erhellt, dass allein Stolz und Neid rein geistige Sünden sind, welche bösen Geistern zukommen können, so zwar, dass Neid nicht genommen wird als Leidenschaft, sondern als der Wille, welcher dem Gut eines anderen widerstrebt.

Zu 3. Unter Stolz und Neid, soweit sie in den bösen Geistern angenommen werden, sind alle Sünden zusammengefasst, welche sich von jenen ableiten lassen.

3. ARTIKEL

Hat der Teufel danach gestrebt, wie Gott zu sein?

1. Was nicht in die Erkenntnis eingeht, geht nicht in das Streben ein; denn das erkannte Gut bewegt das sinnliche, das vernünftige und das verständige Streben. - (Denn nur in einem solchen Streben kann Sünde sein.) Es kann aber in keine Erkenntnis eingehen, dass ein Geschöpf Gott gleich sei. Denn es besagt einen Widerspruch, weil das Endliche notwendig unendlich sein müsste, wenn es dem Unendlichen gleichkäme. Also konnte der Engel nicht erstreben, wie Gott zu sein.

2. Das, was Ziel der Natur ist, kann ohne Sünde erstrebt werden. Gott ähnlich werden ist aber das Ziel, worauf von Natur aus jedes Geschöpf hindrängt. Wenn also der Engel danach drängte, wie Gott zu sein, nicht durch Gleichheit, sondern durch Ähnlichkeit, so scheint es, dass er darin nicht gesündigt hat.

3. Der Engel ist in einer größeren Fülle der Weisheit erschaffen als der Mensch. Kein Mensch nun, er sei denn gänzlich von Sinnen, verfällt auf die Wahl, einem Engel, geschweige denn Gott, gleich sein zu wollen; denn die Wahl geht nur auf Mögliches, worüber man vorher mit sich zu Rate geht. Also hat um soviel weniger der Engel dadurch gesündigt, dass er anstrebte, wie Gott zu sein.

ANDERSEITS heißt es bei Jes 14,13f. aus dem Munde des Teufels: ,,Ich will zum Himmel aufsteigen und werde dem Allerhöchsten gleich sein." — Und Augustinus sagt: Im Stolze sich erhebend wollte er Gott genannt werden".

ANTWORT: Der Engel hat ohne jeden Zweifel dadurch gesündigt, dass er danach strebte, wie Gott zu sein.

Doch kann das auf doppelte Weise verstanden werden. Einmal im Sinne der wechselseitigen Gleichstellung, sodann im Sinne der Ähnlichkeit. In der ersten Weise .konnte er nicht danach streben, wie Gott zu sein, weil er aus natürlicher Erkenntnis wusste, dass das unmöglich ist. Auch ging in ihm selbst dem ersten sündhaften Akt nicht vorher Gewohnheit oder Leidenschaft, seine Erkenntnisfähigkeit bindend, so dass er, dem Besonderen gegenüber versagend, das Unmögliche wählte, wie das gelegentlich bei uns geschieht. Doch gesetzt auch, dass möglich wäre, so wäre es gegen das naturhafte Verlangen. Denn einem jeden Wesen wohnt ein naturhaftes Verlangen inne, sein eigenes Sein zu bewahren, welches nicht bewahrt würde, wenn es in eine andere Natur verwandelt würde. Darum kann kein Ding einer niederen Wesensstufe eine höhere Wesensstufe erstreben, wie ein Esel nicht danach strebt, ein Pferd zu sein; denn wenn es zur Stufe einer höheren Natur erhoben würde, so wäre es nicht mehr es selbst. Dabei kann sich jedoch die Einbildungskraft täuschen, denn weil der Mensch danach strebt, auf einer höheren Stufe zu sein bezüglich einiger Eigenschaften, welche wachsen können ohne Vernichtung des Trägers, meint man, er könne eine höhere Wesensstufe anstreben, zu der er nur gelangen könnte, wenn zu sein aufhörte. Es ist nun offensichtlich, dass Gott Engel nicht in bezug auf einiges Eigenschaftliche, sondern in der Naturstufe überragt, ja sogar der eine Engel den anderen. Darum ist es unmöglich, dass der niedere danach strebt, dem höheren gleich zu sein, geschweige denn, dass er danach strebt, Gott gleich zu sein.

Das Streben aber nach Gottähnlichkeit ist auf doppelte Weise möglich. Einmal in bezug auf das, worin etwas veranlagt ist, Gott ähnlich zu werden. Und so begeht der, welcher darin Gott ähnlich zu werden strebt, keine Sünde, solange er die Ähnlichkeit mit Gott in der [im eigenen] Ordnung zu erlangen strebt, die sein soll, nämlich so, dass er sie von Gott empfange. Er sündigte aber, wenn er danach strebte, in der Gerechtigkeit Gott ähnlich zu sein gleichsam aus eigener Kraft und nicht aus der Kraft Gottes. Auf die andere Weise kann jemand danach streben, Gott ähnlich zu sein in bezug auf das, worin er keine Anlage hat, Gott ähnlich zu werden; wenn z. B. jemand anstrebte, Himmel und Erde zu erschaffen, was Gott eigen ist; in diesem Streben wäre es Sünde. Und auf diese Weise hat der Teufel angestrebt, zu sein wie Gott. Nicht als wollte er Ihm ähnlich werden in dem Sinne, dass er einfachhin niemand mehr unterworfen wäre; denn auf diese Weise strebte er sein Nicht-sein an, weil kein Geschöpf anders bestehen kann als dadurch, dass es in der Unterwerfung unter Gott am Sein teilnimmt. Sondern er hat dadurch widergebührlich angestrebt, Gott ähnlich zu sein, dass er das, wozu er kraft seiner Natur gelangen konnte, als letztes Ziel der Seligkeit anstrebte und sein Streben von der übernatürlichen Seligkeit abwandte, welche aus der Gnade Gottes stammt. Oder aber er hat als letztes Ziel zwar jene Ähnlichkeit mit Gott erstrebt, welche aus der Gnade geschenkt wird, wollte aber diese besitzen in Kraft seiner Natur und nicht durch göttliche Hilfe nach der Anordnung Gottes. Und das stimmt mit den Aussprüchen Anselms überein, welcher sagt, er habe das angestrebt, wozu er gekommen wäre, wenn er standgehalten hätte. Und diese beiden Gesichtspunkte kommen in etwa auf dasselbe hinaus, denn in beiderlei Hinsicht strebte er danach, die endgültige Seligkeit durch eigene Kraft zu besitzen, was Gott eigen ist.

Weil aber das, was durch sich ist, Ursprung und Ursache dessen ist, was durch ein anderes ist, darum strebte er auch in der Folge eine Art Herrschaft über andere an. Und auch in dieser Hinsicht wollte er widernatürlicherweise Gott ähnlich werden.

Daraus ergibt sich die Antwort zu allen Einwänden.

4. ARTLKEL

Sind einige böse Geister von Natur aus schlecht?

1. Porphyrius sagt einer Erwähnung bei Augustinus zufolge: ,,Es gibt eine Art böser Geister, die von Natur aus Betrüger sind, sich für Götter ausgeben und für die Seelen der Verstorbenen." Betrüger sein heißt aber schlecht sein. Also sind einige böse Geister von Natur aus schlecht.

2. Wie die Engel von Gott geschaffen sind, so auch die Menschen. Einige Menschen aber sind von Natur aus schlecht; von diesen heißt es Weish 12, 10: ,,Ihre Bosheit war ihnen natürlich." Also können einige Engel von Natur aus schlecht sein.

3. Einige nicht-vernünftige Sinnenwesen haben irgendwelche naturgegebene Untugenden; so ist der Fuchs von Natur aus verschlagen, der Wolf von Natur aus räuberisch, und doch sind sie Geschöpfe Gottes. Also können auch die bösen Geister, trotzdem sie Geschöpfe Gottes sind, von Natur aus schlecht sein.

ANDERSEITS sagt Dionysius: ,,Die bösen Geister sind nicht von Natur aus schlecht."

ANTWORT Alles, was ist, drängt, sofern es ist und eine Natur besitzt, von Natur aus auf ein Gut hin, da es nämlich von einem guten Seinsgrund her Bestand hat; denn immer wendet sich die Wirkung zurück zu ihrem Ursprung. Es kann nun mit einem Teilgut irgendein Übel verbunden sein, wie mit dem Feuer das übel verbunden ist, dass es andere Stoffe aufzehrt; mit dem allgemeinen Gut aber kann kein übel verbunden sein. Wenn es also etwas gibt, dessen Natur auf ein Teilgut hingeordnet ist, so kann es von Natur auf ein Übel hindrängen, nicht auf das Übel als solches, sondern beiläufig, sofern es mit irgendeinem Gut verbunden ist. Wenn es aber etwas gibt, dessen Natur auf irgendein Gut hingeordnet ist unter dem allgemeinen Gesichtspunkt des Guten, so kann dieses seiner Natur nach nicht auf irgendein Übel hindrängen. Es ist nun offensichtlich, dass eine jede verstandhafte Natur hingeordnet ist auf das allgemeine Gute, das sie erfassen kann und das Gegenstand des Willens ist. Da also die bösen Geister verstandhafte Naturen sind, können sie in keiner Weise eine natürliche Hinneigung zu irgendeinen beliebigen Übel haben. Und darum können sie nicht von Natur aus schlecht sein.

Zu 1. Augustinus tadelt ebendort den Porphyrius, weil er sagte, die bösen Geister seien von Natur aus Betrüger, indem er erklärt, sie seien nicht von Natur aus Betrüger, sondern aus eigenem Willen. — Porphyrius aber behauptete, die bösen Geister seien Betrüger, weil er annahm, die bösen Geister seien Sinnenwesen mit einer sinnlichen Natur. Die sinnliche Natur aber ist auf irgendein Teilgut hingeordnet, mit dem ein Übel verbunden sein kann. Und insofern kann sie eine naturhafte Neigung zum Schlechten haben, aber nur beiläufig, insoweit das Übel mit einem Gut verbunden ist.

Zu 2. Die Bosheit gewisser Menschen kann naturhaft genannt werden, sei es auf Grund einer Gewohnheit, welche eine zweite Natur ist, sei es auf Grund einer naturhaften Neigung von Seiten der sinnlichen Natur zu einer ungeordneten Leidenschaft; so heißen gewisse Menschen von Natur aus jähzornig oder begierlich, nicht aber von ihrer verstandhaften Natur her.

Zu 3. Die Tiere haben ihrer sinnlichen Natur zufolge eine natürliche Hinneigung zu gewissen Teilgütern, denen gewisse Übel beigesellt sind, wie z. B. der Fuchs [eine natürliche Neigung hat], seine Nahrung aufzuspüren, was mit Verschlagenheit verbunden ist. Darum ist Verschlagen-sein für den Fuchs nichts Schlechtes, da es ihm natürlich ist, wie auch Wütend-sein für den Hund nichts Schlechtes ist (Dionysius).

5. ARTIKEL

War der Teufel im ersten Augenblick seiner Erschaffung sündig durch die Schuld des eigenen Willens?

1. In Joh 8, 44 heißt es vom Teufel: ,,Jener war Mörder von Anbeginn."

2. Augustinus zufolge ging die Ungeformtheit der Geschöpfe der Formung nicht der Zeit nach, sondern nur dem Ursprung nach voraus. Unter dem Himmel aber, welcher nach der Schrift zuerst erschaffen wurde, ist, wie er sagt, die ungeformte Engelsnatur verstanden; wenn es aber heißt, dass Gott sprach: ,,Es werde Licht, und es ward Licht", so wird darunter deren Formung durch die Hinwendung zum WORT verstanden.‘ Zugleich also ist die Engelsnatur erschaffen und das Licht gemacht worden. Doch indem das Licht gemacht ist, ist es zugleich von der Dunkelheit unterschieden worden, worunter die sündigenden Engel verstanden werden. Also sind im ersten Jetzt ihrer Erschaffung einige Engel selig gewesen und einige haben gesündigt.

3. Die Sünde wird dein Verdienst gegenübergestellt. Nun kann eine verstandhafte Natur im ersten Jetzt ihrer Erschaffung verdienstliche Akte setzen, z. B. die Seele Christi oder auch selbst die guten Engel. Also konnten auch die bösen Geister im ersten Jetzt ihrer Erschaffung sündigen.

4. Die Engelsnatur hat größere Kraft als die Körpernatur. Ein Körperding aber beginnt sofort im ersten Jetzt seiner Erschaffung seine Tätigkeit auszuüben; so beginnt das Feuer im ersten Jetzt, wo es erzeugt ist, aufwärts zu streben. Also konnte auch der Engel im ersten Jetzt seiner Erschaffung tätig sein. Demnach übte er entweder eine rechte Tätigkeit aus oder eine unrechte. Wenn eine rechte, so haben sie, da sie die Gnade besaßen, dadurch die Seligkeit verdient. Bei den Engeln aber folgt sofort auf das Verdienst der Lohn (62, 5). Also wären sie sofort selig gewesen und hätten demnach niemals gesündigt, was falsch ist. Es bleibt also nur übrig, dass sie im ersten Jetzt sündigten, indem sie nicht recht handelten.

ANDERSEITS heißt es Gen 1,31: ,,Gott sah alles, was Er gemacht hatte, und es war sehr gut." Darunter waren aber auch die bösen Geister. Also waren auch die bösen Geister zu einer bestimmten Zeit gut.

ANTWORT: Einige haben angenommen, dass die bösen Geister sofort im ersten Jetzt ihrer Erschaffung böse waren, nicht von Natur aus, sondern durch die Sünde ihres eigenen Willens. Denn: ,,In dem Jetzt, wo der Teufel wurde, hat er die Gerechtigkeit verschmäht." Augustinus sagt dazu: ,,Wer immer diesen Satz vertritt, hält es nicht mit jenen Ketzern, das heißt mit den Manichäern, welche sagen, der Teufel sei von Natur aus schlecht." — Weil aber diese Meinung dem Ansehen der Hl. Schrift widerspricht (denn es heißt vom Teufel unter der Gestalt des Fürsten Babylons, Jes 14, 12: ,,Wie bist du gestürzt, Licht-träger, der du am Morgen aufstiegest?" und bei Ez 28,13 wird zum Teufel unter der Gestalt des Königs von Tyrus gesagt: ,,In den Wonnen des Paradieses Gottes bist du gewesen", darum ist von den Lehrern mit gutem Grunde diese Meinung als irrig verworfen worden.

Deswegen haben einige gesagt, dass die Engel im ersten Jetzt ihrer Erschaffung sündigen konnten, aber nicht gesündigt haben. — Aber auch diese Meinung wird von einigen verworfen aus dem Grunde, weil es unmöglich scheint, dass bei der Aufeinanderfolge zweier Tätigkeiten diese beiden Tätigkeiten in ein und demselben Jetzt ihren Abschluss finden. Es ist aber offensichtlich, dass die Sünde des Engels eine Tätigkeit war, die später lag als die Erschaffung. Abschluss der Erschaffung ist nun das Sein der Engel selbst; der Abschluss der sündhaften Tätigkeit aber besteht darin, dass sie schlecht sind. Also scheint es unmöglich, dass der Engel im ersten Jetzt, wo er begonnen hat zu sein, schlecht war.

Aber dieser Grund scheint nicht ausreichend. Denn er hat nur Gültigkeit bei den in der Zeit verlaufenden Bewegungen, welche im Nacheinander erfolgen; wenn, z. B. eine Ortsbewegung auf eine beschaffenheitliche Veränderung folgt, so kann die Veränderung und die Ortsbewegung nicht in ein und demselben Jetzt ihren Abschluss finden. Wenn es aber im Jetzt erfolgende Umwandlungen sind, so kann der Abschluss für die erste und zweite Umwandlung zugleich und im selben Jetzt gegeben sein; so wird zum Beispiel im selben Jetzt, wo der Mond von der Sonne erleuchtet wird, die Luft vom Monde erleuchtet. Es ist nun offensichtlich, dass die Schöpfung im Jetzt erfolgt; ähnlich die Bewegung des freien Wahlvermögens in den Engeln; denn sie bedürfen nicht des Vergleichens und des Fortschreitens der Vernunft (58, 3). So steht denn nichts im Wege, dass zugleich und in einem und demselben Jetzt der Abschluss der Schöpfung und des freien Wahlvermögens ist.

Darum muss man anders sagen: Es war unmöglich, dass der Engel im ersten Jetzt gesündigt habe durch einen ungeordneten Akt des freien Wahlvermögens. Denn obgleich ein Ding im ersten Jetzt, da es zu sein beginnt, auch beginnen kann, tätig zu sein, so kommt ihm doch jene Tätigkeit, welche zugleich mit dem Sein des Dinges beginnt, von dem Wirkenden, von welchem es das Sein besitzt; so ist das Aufwärtsstreben dem Feuer eingeschaffen vom Schöpfer. Wenn darum ein Ding das Sein von einem mangelhaften Wirkenden her hat, welches die mangelhafte

Ursache einer Tätigkeit sein kann, so kann es im ersten Jetzt, wo es zu sein beginnt, eine mangelhafte Tätigkeit ausüben; so wenn z. B. das Schienbein, welches aus einem Geburtsfehler gelähmt zur Welt kommt, sogleich beginnt zu hinken. Das Wirkende aber, welches die Engel ins Dasein hervorbrachte, nämlich Gott, kann nicht die Ursache der Sünde sein. Darum kann man nicht sagen, der Teufel sei im ersten Jetzt seiner Erschaffung schlecht gewesen.

Zu 1. Wenn gesagt wird, ,,der Teufel sündigt von Anfang an, so darf man nicht denken, er sündige vom Anfang seiner Erschaffung an, sondern vom Anfang der Sünde an" (Augustinus); das heißt, weil er nie von seiner Sünde abgelassen hat.

Zu 2. Jene Unterscheidung des Lichtes und der Finsternis, wonach unter der Finsternis die Sünden der bösen Geister verstanden werden, ist aufzufassen im Sinne des Vorherwissens Gottes. Darum sagt Augustinus: ,,Der allein imstande war, Licht und Finsternis zu unterscheiden, der auch imstande war, bevor sie fielen, vorauszuwissen, wer fallen würde".

Zu 3. Was immer im Verdienste liegt, ist von Gott; und darum konnte der Engel im ersten Jetzt seiner Erschaffung verdienstliche Akte setzen. Nicht aber gilt dasselbe von der Sünde (Antwort).

Zu 4. Gott hat keinen Unterschied gemacht unter den Engeln vor der Abkehr einiger und der Hinkehr der anderen (Augustinus). Darum haben alle in der Gnade Erschaffenen im ersten Jetzt verdienstliche Akte gesetzt. Einige davon haben jedoch sogleich ein Hindernis1 ihrer Seligkeit entgegengestellt und dadurch das voraus~ gehende Verdienst null und nichtig gemacht. Und darum, sind sie der Seligkeit, welche sie verdient hatten, verlustig gegangen.

6. ARTIKEL

Ist eine Spanne zwischen der Erschaffung und dem des Engels gewesen?

1. In Ez 28, 15 heißt es: ,,Du bist in Vollkommenheit auf deinem Wege gewandelt vom Tage deiner Empfängnis an, bis Schlechtigkeit in dir erfunden ward." Da das Wandeln aber eine stetige Bewegung ist, erfordert es eine Spanne. Also lag eine Spanne zwischen der Erschaffung des Teufels und seinem Fall.

2. Origenes sagt: ,,Die alte Schlange ist nicht sofort auf Brust und Bauch gekrochen." Darunter wird ihre Sünde verstanden. Also hat der Teufel nicht sofort nach dem ersten Jetzt seiner Erschaffung gesündigt.

3. Sündigen können ist dem Menschen und Engel gemeinsam. Es gab nun eine Spanne zwischen der Formung des Menschen und seiner Sünde- Also gab es aus dem gleichen Grunde auch eine Spanne zwischen der Formung des Teufels und seiner Sünde.

4. Es war ein anderes Jetzt, in welchem der Teufel sündigte, und ein anderes, in welchem er erschaffen wurde. Nun fällt zwischen zwei beliebige Jetzt eine Zwischenzeit. Also lag eine Spanne zwischen seiner Schöpfung und dem Fall.

ANDERSEITS heißt es Joh 8,44: ,,Er hat nicht standgehalten in der Wahrheit." Und Augustinus sagt: ,,Das müssen wir so auffassen, dass er in der Wahrheit gewesen, aber nicht standhaft war."

ANTWORT: Darüber besteht eine doppelte Meinung. Die wahrscheinlichere und den Aussprüchen der Heiligen angemessenere ist, dass der Teufel sofort nach dem ersten Jetzt seiner Erschaffung gesündigt hat. Und das muss notwendig gesagt werden, wenn man annimmt, dass er im ersten Jetzt seiner Erschaffung in einen Akt des freien Wahlvermögens hervorbracht und dass er mit der Gnade erschaffen wurde (Art. 5; 62, 3). Da nämlich die Engel durch einen einzigen verdienstlichen Akt zur Seligkeit gelangen (62, 5), so hätte der Teufel, wenn er in der Gnade erschaffen — im ersten Jetzt einen verdienstlichen Akt gesetzt hat, sogleich nach dem ersten Jetzt die Seligkeit empfangen, wenn er nicht sofort durch die Sünde ein Hindernis gesetzt hätte.

Wenn man aber annimmt, dass der Engel nicht in der Gnade erschaffen wurde oder dass er im ersten Jetzt einen Akt des freien Wahlvermögens nicht habe setzen können, so steht nichts im Wege, dass es eine Spanne gab zwischen der Schöpfung und dem Fall.

Zu 1. Unter den körperlichen Bewegungen, welche durch die Zeit bemessen werden, versteht die Hl. Schrift mitunter im übertragenen Sinne im Jetzt erfolgende geistige Bewegungen. Und so wird unter ,,wandeln" die Bewegung des freien Wahlvermögens verstanden, welches auf das Gute hindrängt.

Zu 2. Origenes sagt, ,,die alte Schlange ist nicht von Anfang an und nicht sofort auf der Brust gekrochen" wegen des ersten Jetzt, in welchem sie nicht schlecht war.

Zu 3. Der Engel hat nach der Wahl ein unbeugsames, freies Wahlvermögen, und darum wäre er, hätte er nicht sofort nach dem ersten Jetzt, wo er eine natürliche Bewegung zum Guten hin besaß, der Seligkeit ein Hindernis bereitet, im Guten befestigt worden. Aber das gleiche gilt vom Menschen nicht; und deshalb schließt der Grund nicht.

Zu 4. Dass zwischen zwei beliebigen Jetzt eine Zwischenzeit sei, hat seine Wahrheit, sofern die Zeit stetig verläuft (Aristoteles). Bei den Engeln aber, welche der Himmelsbewegung nicht unterworfen sind, die ursprünglich durch die stetige Zeit ihr Maß erhält, wird Zeit aufgefasst als die Aufeinanderfolge der Tätigkeiten des Verstandes oder auch des Verlangens. So wird denn das erste Jetzt des Engels entsprechend der Tätigkeit des Engelsgeistes aufgefasst, durch welche er sich zu sich selbst hinwendet in der Schau im Abendlicht; denn am ersten Tage wird der Abend erwähnt und nicht der Morgen. Und diese Tätigkeit war bei allen gut. Von dieser Tätigkeit jedoch haben sich einige bei der Schau im Morgenlicht zum Lobpreis des WORTES hingekehrt, andere aber, die in sich selbst stehen geblieben sind, sind Nacht geworden, ,,da sie durch Hochmut aufschwollen" (Augustinus). Und so war die erste Tätigkeit allen gemeinsam, in der zweiten aber waren sie getrennt. Und darum waren im ersten Jetzt alle gut, im zweiten aber waren die Guten von den Bösen unterschieden.

7. ARTIKEL

War der oberste unter den sündigenden Engeln der oberste unter allen?

1. Es heißt vom höchsten unter den sündigenden Engeln bei Ez 28,14: ,,Du warst ein fittichspannender, schirmender Cherub; Ich habe dich gesetzt auf den heiligen Berg Gottes." Nun ist aber der Chor der Cherubim unter dem Chor der Seraphim (Dionysius). Also war der oberste unter den sündigenden Engeln nicht der oberste unter allen.

2. Gott hat die geistbegabte Natur geschaffen zur Erlangung der Seligkeit. Wenn also der oberste unter allen Engeln gesündigt hat, so folgt daraus, dass die göttliche Anordnung im edelsten Geschöpf vereitelt wurde. Das ist nicht angemessen.

3. Je mehr ein Ding zu etwas hinneigt, um so weniger kann es von diesem abweichen. Je höher nun ein Engel ist, um so mehr neigt er zu Gott hin. Also kann er um so weniger durch Sünden von Gott abfallen. Und so scheint es, dass der Engel, welcher gesündigt hat, nicht der oberste unter allen war, sondern einer aus den tiefer-stehenden Engeln.

ANDERSEITS sagt Gregorius von dem ersten Engel, der gesündigt hat: ,,Da er über alle Scharen der Engel erhaben, ihren Glanz überstrahlte, war er im Vergleich zu ihnen glänzender."

ANTWORT: Bei der Sünde sind zwei Dinge zu betrachten, der Hang zur Sünde und der Beweggrund zur Sünde. Wenn wir nun bei den Engeln den Hang zur Sünde betrachten, so hat es weniger den Anschein, dass die höheren Engel gesündigt hätten als die tieferstehenden. Darum sagt Johannes von Damaskus, der obere derer, welche gesündigt haben, war ,,der Anführer des irdischen Heeres". — Und diese Meinung scheint mit der Annahme der Platoniker überein zu stimmen, welche Augustinus berichtet im ,Buch vom Gottesstaat‘. Diese sagten nämlich, dass alle Götter gut wären, von den Geistern aber einige gut, einige schlecht. Dabei nannten sie die verstandhaften Selbstandwesen vom Mondkreis aufwärts Götter, die verstandhaften Selbstandwesen vom Mondkreis abwärts Geister, welche höher seien als die Menschen in der Ordnung der Natur. — Diese Auffassung ist nicht zu verwerfen, als wäre sie dem Glauben fremd, denn die gesamte körperliche Schöpfung wird von Gott durch Engel verwaltet (Augustinus). Darum steht nichts im Wege, zu sagen, dass die niederen Engel von Gott eingesetzt wurden zur Verwaltung der niederen Körper, die höheren Engel dagegen zur Verwaltung der höheren Körper, die höchsten endlich zum Throndienst vor Gott. Und dementsprechend sagt Johannes von Damaskus, dass die gefallenen Engel aus den Reihen der niederen waren, wo einige gute Engel verblieben sind.

Wenn jedoch der Beweggrund zur Sünde in Betracht gezogen wird, so findet er sich stärker bei den höheren als bei den niederen Engeln. Denn die Sünde der bösen Geister war der Stolz (Art. 2) und dessen Beweggrund ist der Rang, welcher größer war bei den höheren. Und darum sagt Gregor, jener, der gesündigt hat, war der höchste unter allen.

Und das ist wahrscheinlicher. Denn die Sünde des Engels ging nicht aus irgendeinem Hang hervor, sondern allein aus dem freien Wahlvermögen. Darum scheint der Gesichtspunkt, welcher vom Beweggrund zur Sünde hergenommen wird, mehr in Betracht gezogen werden zu müssen. Doch darf man deswegen einer anderen Meinung nicht vorgreifen, denn auch im obersten der niederen Engel konnte es einen Beweggrund zur Sünde geben.

Zu 1. Cherubim wird ausgedeutet als die Fülle des Wissens, Seraphim als die Glühenden oder die Entzündenden. Daraus erhellt, dass die Cherubim benannt werden vom Wissen, das mit der Todsünde zusammen sein kann, die Seraphim von der Glut der Minne, welche mit der Todsünde nicht zusammen sein kann. Und darum wird der erste sündigende Engel nicht Seraph genannt, sondern Cherub.

Zu 2. Die göttliche Absicht wird nicht vereitelt, weder in denen, welche sündigen, noch in denen, welche gerettet werden, denn beider Ende erkennt Gott schon vorher und aus beiden hat Er Seinen Ruhm, da Er die einen in Seiner Güte rettet, die anderen in Seiner Gerechtigkeit bestraft. Das verstandhafte Geschöpf aber weicht, es sündigt, vom gesollten Ziel ab. Und das ist nicht sinnwidrig bei irgendeinem erhabenen Geschöpf, denn das verstandhafte Geschöpf ist von Gott so angelegt worden, dass es in sein Wahlvermögen gestellt wurde, um eines Zieles willen zu handeln.

Zu 3. So groß auch die Neigung zum Guten gewesen sein mag im obersten Engel, so hat sie ihm doch keine Nötigung auferlegt. Darum war er imstande, ihr in Kraft des freien Wahlvermögens nicht zu folgen.

8. ARTIKEL

War die Sünde des ersten Engels Ursache der Sünde der anderen?

1. Die Ursache ist früher als das Verursachte. Alle Engel aber haben zugleich gesündigt (Johannes von Damaskus). Also war die Sünde des einen für die anderen nicht die Ursache zum Sündigen.

2. Die erste Sünde des Engels konnte nur der Stolz sein (Art. 2). Der Stolz aber sucht den Vorrang. Es widerspricht nun dem Vorrang mehr, einem Niederen untertan zu sein als einem Höheren; und so scheint es nicht, dass die bösen Geister dadurch gesündigt haben, dass sie einem der höheren Engel lieber untertan sein wollten als Gott. Nun aber wäre die Sünde eines Engels für andere nur in der Weise Ursache zum Sündigen gewesen, wenn er sie dazu verleitet hätte, ihm untertan zu werden. Es scheint also nicht, dass die Sünde des ersten Engels für andere Ursache zum Sündigen war.

3. Es ist eine größere Sünde, einem anderen untertan sein zu wollen gegen Gott, als gegen Gott über einen anderen herrschen zu wollen, denn der Beweggrund zur Sünde ist geringer. Wenn nun die Sünde des ersten Engels für andere dadurch Grund zum Sündigen gewesen wäre, dass er sie dazu verleitete, sich ihm zu unterwerfen, so hätten die niederen Engel schwerer gesündigt als der höchste. Das widerspricht einer Bemerkung, welche die Glosse zu dem Psalmvers 104 (103), 26 ,Jener Drache, den Du gebildet hast‘ macht: ,,Derjenige, welcher die übrigen im Sein überragte, ward in der Bosheit der Ärgere." Also war die Sünde des ersten Engels für andere nicht Ursache zum Sündigen.

ANDERSEITS heißt es in der Geheimen Offenbarung 12,4: Der Drache zog ,,den dritten Teil der Sterne" mit sich.

ANTWORT: Die Sünde des ersten Engels war für andere Ursache zum Sündigen, zwar nicht zwingende, sondern gleichsam. durch Überredung verführende Ursache. Ein Zeichen dafür erhellt daraus, dass alle bösen Geister jenem obersten unterworfen sind, wie offensichtlich zutage tritt durch das Wort des Herrn Mt 25, 41: ,,Weichet, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das dem Teufel bereitet ist und seinen Engeln." Denn es liegt in der Ordnung der göttlichen Gerechtigkeit, dass jemand in der Strafe der Macht dessen unterworfen wird, dessen Einflüsterung er zugestimmt hat in der Schuld; 2 Petr 2,19: ,,Von wem jemand überwunden ist, dem wird er als Knecht zugesprochen".

Zu 1. Wenn die bösen Geister auch zugleich gesündigt haben, so konnte doch die Sünde des einen für die anderen Ursache zum Sündigen sein. Denn der Engel bedarf, um eine Wahl zu treffen, um aufzufordern oder auch um einzuwilligen, keiner Zeitspanne wie der Mensch, welcher des Nachdenkens bedarf zur Wahl und zur Einwilligung und der mündlichen Rede zur Aufforderung, was beides in der Zeit erfolgt. Es ist aber offensichtlich, dass sogar der Mensch zugleich, während er etwas schon im Herzen empfangen hat, in demselben Jetzt zu reden beginnt, und im letzten Jetzt der Rede, in welchem jemand den Sinn des Redenden erfasst, dem Gesagten zustimmen kann; wie das am meisten erhellt bei den ersten Erkenntnissen, ,,welche ein jeder billigt, sobald er sie hört" (Boethius). Denkt man also die Zeit, die wir zum Sprechen und Überlegen brauchen, weg, so ist es den anderen [Engeln] möglich gewesen, in demselben Jetzt, in welchem der erste Engel sein Verlangen in verstehbarer Rede ausgedrückt hat, in dieses einzuwilligen.

Zu 2. Bei im übrigen gleichen Bedingungen will ein Stolzer eher einem Höheren untertan sein als einem Niedereren. Wenn er aber eine Würde erlangt unter einem Niedereren, welche er unter einem Höheren nicht erlangen kann, so zieht er es bei weitem vor, dem Niedereren untertan zu sein als dem Höheren. So war es also nicht gegen den Stolz der bösen Geister, dass sie einem Niedereren untertan sein wollten und in seine Herrschaft einwilligten, indem sie ihn hierzu als Fürsten und Führer haben wollten, um aus natürlicher Kraft ihre letzte Seligkeit zu erreichen, zumal da sie in der natürlichen Ordnung damals ohnehin dem höchsten Engel unterworfen waren.

Zu 3. Wie schon gesagt (62, 6), gibt es beim Engel keine Hemmung, sondern in seiner ganzen Kraft strebt er auf das hin, was das Ziel seines Strebens ist, sei es gut oder schlecht. Weil nun der höchste Engel eine größere natürliche Kraft als die niederen besaß, darum stürzte er mit stärkerer Wucht in die Sünde. Und darum ist er auch der Bosheit nach der Ärgere geworden.

9.ARTIKEL

Haben so viele Engel gesündigt, wie treu geblieben sind?

1. Es scheint, dass von den Engeln mehr gesündigt haben, als treu geblieben sind. Denn, wie der Philosoph sagt, "das Schlechte ist wie in der Mehrzahl, das Gute wie in der Minderzahl".

2. Gerechtigkeit und Sünde finden sich unter demselben Gesichtspunkt bei Engeln und Menschen. Unter den Menschen finden sich nun mehr schlechte als gute; Pred .1,15: ,,Die Zahl der Toren ist unermesslich." Also aus demselben Grunde auch bei den Engeln.

3. Die Engel werden unterschieden nach Personen und Chören. Wenn also mehrere Personen unter den Engeln treu geblieben sind, so scheint es auch, dass nicht in jedem Chor solche waren, die gesündigt haben.

ANDERSEITS heißt es 2 Kön 6,16: ,,Mehr sind mit uns als mit jenen." Das wird von den guten Engeln gedeutet, die uns zu Hilfe eilen, und von den bösen, die uns zuwider sind.

ANTWORT: Mehr Engel sind treu geblieben, als gesündigt haben. Denn die Sünde ist gegen die natürliche Neigung; das aber, was gegen die Natur geschieht, ereignet sich in der Minderheit der Fälle, denn die Natur erreicht ihre Wirkung entweder immer oder in der Mehrheit der Fälle.

Zu 1. Der Philosoph meint hier die Menschen, bei welchen das Schlechte dadurch auftritt, dass sie sich den sinnlichen Gütern, welche der Mehrzahl bekannt sind, ergeben, während sie das Gut der Vernunft, das [nur] einer Minderzahl vertraut ist, im Stich lasse. Bei den Engeln aber gibt es nur eine verstandhafte Natur. Darum gilt der Vergleich nicht.

Zu 2. Und daraus ergibt sich die Antwort.

Zu 3. Denen zufolge, nach welchen der oberste Teufel aus einem niederen Chor der Engel war, welche den irdischen Dingen vorstehen, ist es offenbar, dass nicht aus jedem Chor Engel gefallen sind, sondern nur aus dem untersten. Denen zufolge jedoch, nach welchen der oberste Teufel aus dem höchsten Chor war, ist es wahrscheinlich, dass aus jedem Chor einige gefallen sind, wie auch in jeden Chor Menschen aufgenommen werden zur Ausfüllung der Lücken unter den Engeln. Darin wird auch die Freiheit des freien Wahlvermögens nachdrücklicher bestätigt, das auf jedem Stufengrad der Geschöpfe sich zum Bösen wenden kann. In der HI. Schrift jedoch werden die Namen einiger Chöre, z. B. der Seraphim und der Throne, nicht den bösen Geistern zugeschrieben, weil diese Namen genommen sind von der Glut der Minne und von der Einwohnung Gottes, welche mit Todsünde nicht zusammen sein können. Es werden ihnen aber die Namen der Cherubim, der Mächte und der Fürstentümer zugeschrieben, weil diese Namen genommen vom Wissen und von der Macht, welche Guten und Schlechten gemeinsam sein können.

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64. FRAGE

VON DER STRAFE DER BÖSEN GEISTER

Hierauf ergibt sich die Frage nach der Strafe der bösen Geister.

Dazu ergeben sich vier Einzelfragen:
1. Von der Verfinsterung des Verstandes.
2. Von der Verstockung des Willens.
3. Von ihrem Schmerz.
4. Von dem Ort ihrer Strafe.

1. ARTIKEL

Ist der Verstand eines bösen Geistes verfinstert durch die Beraubung der Erkenntnis aller Wahrheit?

1. Wenn die bösen Geister irgendeine Wahrheit erkännten, erkännten sie am meisten sich selbst, und das heißt: stofffreie Selbstandwesen erkennen. Das aber kommt ihrem Elend nicht zu. Denn das scheint Vorrecht großer Seligkeit zu sein, so sehr, dass einige die letzte Seligkeit des Menschen in die Erkenntnis der stofffreien Selbstandwesen verlegten. Also sind die bösen Geister jeder Erkenntnis der Wahrheit beraubt.

2. Das, was in der Natur das Offenbarste ist, scheint den Engeln das Offenbarste zu sein, den guten wie den schlechten. Dass es für uns nicht das Offenbarste ist, kommt von der Schwäche unseres Verstandes, welcher von den Vorstellungsbildern her empfängt, wie es von er Schwäche des Auges der Eule kommt, dass sie das Licht der Sonne nicht sehen kann. Die bösen Geister her können Gott nicht erkennen, der an sich am meisten offenbar ist, da er im Gipfel aller Wahrheit steht; deswegen, weil sie kein reines Herz haben, durch das allein Gott erschaut wird. Also können sie auch das andere nicht erkennen.

3. Die Erkenntnis der Dinge, die den Engeln zukommt, ist nach Augustinus eine doppelte, die im Morgenlicht und die im Abendlicht. Die Erkenntnis im Morgenlicht kommt den bösen Geistern nicht zu, weil sie die Dinge nicht im WORTE schauen, und auch die im Abendlicht nicht, weil die Erkenntnis im Abendlicht die erkannten Dinge auf das Lob des Schöpfers bezieht. (Darum wird es nach dem Abend Morgen, Gen Kap. 1.) Also können die bösen Geister keine Erkenntnis von den Dingen haben.

4. Die Engel haben in ihrer Erkenntnis das Geheimnis des Reiches Gottes erkannt (Augustinus). Die bösen Geister aber sind dieser Erkenntnis verlustig gegangen; 1 Kor 2,8: ,,Wenn sie erkannt hätten, so hätten sie nie den Herrn der Herrlichkeit gekreuzigt". Also sind sie aus gleichem Grunde auch aller anderen Erkenntnis der Wahrheit verlustig gegangen.

5. Was immer jemand an Wahrheit weiß, erkennt er entweder von Natur aus, wie wir die ersten Denkgesetze, oder indem er von anderen annimmt, wie das, was wir durch Lernen wissen, oder durch die Erfahrung langer Zeit, wie das, was wir selbst gefunden haben. Die bösen Geister aber können die Wahrheit nicht erkennen von Natur aus, denn die guten Engel sind von ihnen getrennt worden wie das Licht von der Finsternis (Augustinus); alles nämlich wird sichtbar durch das Licht (vgl. Eph 5,13). Ähnlich können sie auch weder durch Offenbarung noch dadurch erkennen, dass sie von den guten Engeln lernen, denn ,,das Licht hat mit der Finsternis nichts gemein" (2 Kor 6,14). Sie können auch nicht erkennen durch die Erfahrung langer Zeit, denn die; Erfahrung nimmt ihren Ausgang von den Sinnen. Also gibt es bei ihnen keine Erkenntnis der Wahrheit.

ANDERSEITS sagt Dionysius: ,,Die Engelsgaben, welche den bösen Geistern verliehen wurden, heißen wir in keiner Weise verändert; sie sind unversehrt und in vollem Glanz." — Unter diesen natürlichen Gaben befindet sich aber die Erkenntnis der Wahrheit. Also gibt es bei ihnen irgendeine Erkenntnis der Wahrheit.

ANTWORT: Es gibt eine doppelte Erkenntnis der Wahrheit: die eine, welche man durch Natur besitzt, und die andere, welche man durch Gnade besitzt. Und die Erkenntnis, welche man durch Gnade besitzt, ist eine doppelte, die eine, welche rein betrachtend ist, so wenn jemandem einige Geheimnisse göttlicher Dinge geoffenbart werden, und die andere, welche von Verlangen begleitet ist und Gottesliebe hervorbringt; und diese gehört im eigentlichen Sinne zur Gabe der Weisheit.

Von diesen drei Erkenntnissen ist die erste den bösen Geistern weder genommen noch vermindert worden. Denn sie entspricht der Natur des Engels selbst, der seiner Natur zufolge eine Art Verstand oder Geistgrund ist. Es liegt aber in der Einfachheit seines Wesens, dass von seiner Natur nichts weggenommen werden kann, so dass er z. B. durch Wegnahme von Naturgaben gestraft würde, wie der Mensch gestraft wird durch die Wegnahme der Hand oder des Fußes oder irgend etwas dergleichen. Und darum sagt Dionysius, ,,die Naturgaben bleiben bei ihnen unversehrt". Also ist die natürliche Erkenntnis in ihnen nicht vermindert. — Die zweite Erkenntnis, welche man durch Gnade besitzt und welche in der reinen Schau besteht, ist ihnen nicht gänzlich entzogen worden, sondern vermindert; denn von solchen göttlichen Geheimnissen wird ihnen nur so viel geoffenbart, als nötig ist, entweder durch Vermittlung von Engeln oder ,,durch irgendwelche zeitliche Auswirkungen der göttlichen Kraft" (Augustinus) ; nicht aber so wie den heiligen Engeln selbst, welchen mehr Geheimnisse geoffenbart werden im WORTE und auf klarere Weise. — Der dritten Erkenntnis endlich sind sie gänzlich beraubt, wie auch der Minne.

Zu 1. Das Glück besteht im Anschluss an das, was höher ist. Die stofffreien Selbstandwesen aber stehen in der Ordnung der Natur über uns, darum kann es für den Menschen irgendwie Grund des Glückes sein, wenn er die stofffreien Selbstandwesen erkennte; obzwar sein vollkommenes Glück darin besteht, das erste Selbstandwesen erkennen, nämlich Gott. Dem stofffreien Selbstandwesen ist es nun von Natur aus gegeben, seinesgleichen zu erkennen, wie es auch uns von Natur ans gegeben ist, die Naturen der sinnenfälligen Dinge zu erkennen. Und wie darum nicht darin das Glück des Menschen besteht, dass er die Naturen der sinnenfälligen Dinge erkennt, so besteht auch das Glück des Engels nicht darin, dass er die stofffreien Selbstandwesen erkennt.

Zu 2. Das, was am meisten offenbar ist in der Natur, ist uns deswegen verborgen, weil es das Verhältnis unseres Verstandes übersteigt, und nicht bloß deswegen, weil unser Verstand von den Vorstellungsbildern empfängt. Die göttliche Wesenheit aber übersteigt nicht nur das Verhältnis des menschlichen Verstandes, sondern auch das des Engelsverstandes. Darum kann nicht einmal der Engel selbst auf Grund seiner Natur Gottes Wesenheit erkennen. — Er kann aber durch seine Natur eine höhere Erkenntnis von Gott besitzen als der Mensch, wegen der Vollkommenheit seines Verstandes. Und eine solche Erkenntnis Gottes verbleibt auch in den bösen Geistern.
Denn obzwar sie die Reinheit nicht besitzen, welche durch die Gnade gegeben ist, so haben sie doch die Reinheit der Natur, welche zu derjenigen Gotteserkenntnis genügt, die ihnen von Natur aus zukommt.

Zu 3. Das Geschöpf ist, verglichen mit der Erhabenheit des göttlichen Lichtes, Dunkelheit, und darum wird die Erkenntnis des Geschöpfes in der eigenen Natur Erkenntnis im Abendlicht genannt. Denn der Abend ist mit Dunkel verbunden, hat indes noch etwas vom Licht an sich; wenn aber das Licht gänzlich verschwindet, ist es Nacht. So hat also die Erkenntnis der Dinge in der eigenen Natur, wenn sie auf das Lob des Schöpfers bezogen wird wie bei den guten Engeln, etwas vom göttlichen Licht an sich und kann die Schau im Abendlicht genannt werden. Wenn sie aber nicht auf Gott bezogen wird wie bei den bösen Geistern, heißt sie nicht Schau im Abendlicht, sondern ein Starren in die Nacht. Und so heißt es im Schöpfungsbericht, dass Gott die Finsternisse, die Er vom Lichte geschieden hatte, ,,Nacht nannte".

Zu 4. Das Geheimnis des Reiches Gottes, das durch Christus erfüllt worden ist, haben zwar alle Engel irgendwie von Anfang an erkannt; aber am meisten, seitdem sie beseligt worden sind durch die Schau des WORTES, die die bösen Geister niemals gehabt haben. Doch haben nicht alle Engel in vollkommener und auch nicht in gleicher Weise erkannt. Darum haben die bösen Geister noch weit weniger, als Christus in der Welt da war, das Geheimnis der Menschwerdung vollkommen er ,,Denn es ist ihnen nicht offenbar geworden wie den heiligen Engeln, welche sich in der Teilnahme an der Ewigkeit des WORTES freuen, sondern so wie es ihnen zum Schreck offenbar werden musste durch gewisse zeitliche Wirkungen" (Augustinus). Wenn sie aber vollkommen und mit Gewissheit Ihn als Sohn Gottes erkannt hätten und die Wirkung Seines Leidens, so hätten sie niemals den Herrn der Herrlichkeit kreuzigen lassen.

Zu 5. Die bösen Geister erkennen eine Wahrheit auf dreierlei Weise. Einmal durch die Feinheit ihrer Natur, denn wenn sie auch verfinstert sind durch die Beraubung des Gnadenlichtes, sind sie doch hellsichtig durch das Licht ihrer geistigen Natur. — Zweitens durch Offenbarung von Seiten der heiligen Engel, mit denen sie zwar nicht übereinkommen in der Gleichförmigkeit des Willens, wohl aber in der Ähnlichkeit der geistigen Natur, derzufolge sie annehmen können, was von anderen sichtbar gemacht wird. — Auf die dritte Weise erkennen sie durch die Erfahrung langer Zeit, nicht als ob sie vom Sinn empfingen; sondern wenn in den Einzeldingen die Ähnlichkeit des geistigen Erkenntnisbildes erfüllt wird, das ihnen von Natur eingeschaffen wurde, erkennen sie die Dinge als gegenwärtig, die sie als zukünftig nicht vorauserkannt haben, wie oben ausgeführt wurde von der Erkenntnis der Engel (57, 3 Zu 3).

2. ARTIKEL

Ist der Wille der bösen Geister im Bösen verhärtet?

1. Die Freiheit des Wahlvermögens gehört zum Wesen der verstandhaften Natur, welche in den bösen Geistern bleibt (Art. 1). Die Freiheit des Wahlvermögens ist aber an und für sich und früher auf das Gute hingeordnet als auf das Böse. Also ist der Wille des bösen Geistes nicht so im Bösen verhärtet, dass er nicht zum Guten zurückkehren könnte.

2. Die Barmherzigkeit Gottes, welche unendlich ist, ist größer als die Bosheit des bösen Geistes, welche endlich ist. Nun kehrt niemand von der Bosheit der Schuld zur Gutheit der Gerechtigkeit zurück, es sei denn durch Barmherzigkeit Gottes. Also können auch die bösen Geister vom Stand der Bosheit zurückkehren zum Stand der Gerechtigkeit.

3. Wenn die bösen Geister einen im Bösen verstockten Willen hätten, so wäre dieser am meisten verstockt in der Sünde, durch die sie gesündigt haben. Jene Sünde aber, nämlich der Stolz, bleibt jetzt nicht in ihnen, weil auch der Beweggrund dazu nicht bleibt, nämlich der Vorrang. Also ist der böse Geist nicht verhärtet in der Bosheit.

4. Gregorius sagt: ,,Der Mensch konnte durch einen anderen wiederhergestellt werden, weil er durch einen anderen gefallen ist". Die niederen bösen Geister sind durch den ersten gefallen (63, 8). Also kann ihr Fall durch einen anderen wiederhergestellt werden. Also sind sie nicht in der Bosheit verhärtet.

5. Wer immer in der Bosheit verstockt ist, wirkt niemals ein gutes Werk. Der böse Geist aber wirkt einige gute Werke; z. B. bekennt er die Wahrheit, indem er Christus sagt: ,,Ich weiß, wer Du bist: Der Heilige Gottes" (Mk 1,24). Auch heißt es Jak 2,19: ,,Die bösen Geister glauben und zittern." Weiter sagt Dionysius: "Das Gute und das Beste begehren sie: Sein, Leben und Erkennen." Also sind sie nicht im Bösen verhärtet.

ANDERSEITS heißt es im Ps 74 (73),23: ,,Der Stolz derer, die Dich hassen, steigt immerfort auf", was von den bösen Geistern ausgedeutet wird. Also verharren die Verstockten immer in der Bosheit.

ANTWORT: Es war die Auffassung des Origenes, dass jeder Wille eines Geschöpfes wegen der Freiheit des Wahlvermögens sich zum Guten und Schlechten wenden kann, ausgenommen die Seele Christi wegen der Vereinigung mit dem WORTE. — Diese Auffassung aber nimmt die Seligkeit von den heiligen Engeln und Menschen, denn ewige Dauer gehört zum Wesen wahrer Seligkeit, darum heißt diese auch das ewige Leben. Sie widerspricht sogar dem Ansehen der Hl. Schrift, welche ausspricht, dass die bösen Geister und schlechten Menschen in die ewige Qual gestoßen, die guten aber zum ewigen Leben aufgenommen werden sollen. — Darum ist diese Auffassung als irrig anzusehen; und man muss nach dem katholischen Glauben fest daran halten, dass der Wille der guten Engel im Guten bestärkt und der Wille der bösen Geister im Bösen verhärtet ist.

Die Ursache dieser Verhärtung aber darf nicht von der Schwere der Schuld, sondern muss von den natürlichen Bedingungen ihres Standes hergenommen werden. Denn "das ist für die Menschen der Tod, was für die Engel der Fall", wie Johannes von Damaskus sagt. Es ist nun offensichtlich, dass alle Todsünden der Menschen, große oder kleine, vor dem Tode nachgelassen werden können, nach dem Tod jedoch nicht nachgelassen werden können für immer bleiben.

Zur Untersuchung der Ursache von dergleichen Verhärtung also in Betracht zu ziehen, dass die strebende Kraft in allen Stücken der erfassenden Kraft angemessen ist, von welcher sie bewegt wird wie das Bewegbare vom Beweger. Denn das sinnliche Strebevermögen geht auf ein Teilgut, der Wille aber auf das allgemeine Gut (59, 1); wie auch der Sinn auf die Einzeldinge, der Verstand auf das Allgemeine geht.

Nun unterscheidet sich das Erfassen beim Engel vom Erfassen beim Menschen dadurch, dass der Engel durch den Verstand ohne Bewegung erfasst, wie auch wir ohne Bewegung die ersten Denkgesetze erfassen, auf welche der Verstand geht; mit seiner Vernunft aber erfasst der Mensch bewegungsmäßig, da er sich denkend vom einen zum anderen bewegt, wobei er in jeder von zwei entgegengesetzten Richtungen vorgehen kann. Darum hängt der Wille des Menschen einem Gute beweglich an, gleichsam in der Möglichkeit, von ihm abzulassen und dem Gegenteil anzuhangen. Der Wille des Engels aber hängt einem Gute fest und unbeweglich an. Wenn er betrachtet wird vor dem Akt des Anhangens, so kann er frei sowohl dem Gut als auch dessen Gegenteil hangen (nämlich in dem, was er nicht von Natur aus schon will); wenn er aber einmal den Akt des Anhangens vollzogen hat, hängt er unbeweglich an. Und darum hat es sich eingebürgert, zu sagen: ,,Das freie Wahlvermögen des Menschen ist lenkbar nach beiden Richtungen, sowohl vor der Wahl wie auch nachher; das freie Wahlvermögen des Engels aber ist lenkbar nach beiden Richtungen vor der Wahl, nicht aber nachher." — So sind denn auch die guten Engel, welche einmal der Gerechtigkeit anhangen, in dieser bestärkt worden; die bösen aber, welche gesündigt haben, sind in der Sünde verstockt worden. —Von der Verstocktheit der verdammten Menschen wird noch später gehandelt werden.

Zu 1. Die guten und schlechten Engel haben freies Wahlvermögen, aber nach der Weise und Seinslage ihrer Natur. (Antwort).

Zu 2. Die Barmherzigkeit Gottes befreit die Bußfertigen von der Sünde. Diejenigen aber, welche für die Buße nicht empfänglich sind, hangen unbeweglich dem Bösen an und werden von der göttlichen Barmherzigkeit nicht befreit.

Zu 3. Immer noch bleibt im Teufel dem Streben nach Sünde, durch die er zuerst gesündigt hat, wenn auch nicht so, als ob er immer noch glaubte, er könne seinen Willen erreichen. Wie wenn jemand glaubt, er könne einen Menschen Mord begehen, und er will es tun, und es wird ihm nachher die Macht dazu genommen, so bleibt njchtsdestoweniger der Wille zum Menschenmord in ihm, so dass er ihn vollbracht haben möchte oder vollbringen möchte, wenn er könnte.

Zu 4. Dass der Mensch sündigte, weil er von einem anderen dazu überredet wurde, ist nicht der ganze Grund dafür, dass die Sünde des Menschen nachgelassen werden kann. Und darum ist der Grund nicht beweiskräftig.

Zu 5. Die Tat des bösen Geistes ist eine doppelte. Nämlich die eine, welche aus dem überlegenden Willen hervorgeht, und diese kann im eigentlichen Sinne seine Tat heißen. Und eine solche Tat eines bösen Geistes ist immer schlecht, denn wenn er auch gelegentlich etwas Gutes tut, so tut er es doch nicht recht; wenn er z. B. die Wahrheit sagt, dann um zu täuschen, und wenn er glaubt und bekennt, dann nicht freiwillig, sondern durch den Augenschein der Dinge gezwungen. — Die andere Tat des bösen Geistes aber ist eine natürliche; diese kann gut sein und bezeugt die Gutheit seiner Natur. Und doch missbraucht er einen solchen guten Akt zum Schlechten.

3. ARTIKEL

Empfinden die bösen Geister Pein?

1. Da Pein und Freude einander entgegengesetzt sind, können sie in ein und demselben nicht zugleich sein. In den bösen Geistern aber gibt es Freude; Augustinus sagt nämlich: ,,Der Teufel hat Macht über die, welche Gottes Gebote verachten, und er freut sich über diese. unselige Macht." Also gibt es in den bösen Geistern. keine Pein.

2. Die Pein ist die Ursache der Furcht, denn während wir über ein und dasselbe Ding Furcht empfinden, solange es zukünftig ist, empfinden wir Pein, wenn es gegenwärtig ist. Bei den bösen Geistern aber gibt es. keine Furcht; Job 41, 24: ,,Er ist geschaffen, niemand zu fürchten." Also gibt es bei den bösen Geistern keine Pein.

3. Über ein Übel Pein empfinden ist gut. Die bösen Geister aber können nicht gut tun. Also können sie keine Pein empfinden, wenigstens nicht über das Übel der Schuld, worin der Wurm des Gewissens besteht.

ANDERSEITS ist die Sünde des bösen Geistes schwerer als die Sünde des Menschen. Der Mensch aber wird für die Ergötzung der Sünde mit Pein gestraft; In Offb 18, 7: "Soviel er sich verherrlicht hat und in Genüssen schwelgte, so viel gebt ihm Marter und Qual." Also wird um so mehr der Teufel, der am meisten sich verherrlicht hat, gestraft mit der Qual der Pein.

ANTWORT: Furcht, Pein, Freude und dergleichen können, sofern es sich um Leidenschaften handelt, nicht in den bösen Geistern sein, denn als solche sind diese dem sinnlichen Strebevermögen eigen, welches eine Kraft in einem körperlichen Lebenswerkzeug ist. Sofern damit aber einfache Willensakte benannt werden, können sie in den bösen Geistern sein. — Und man muss notwendig sagen, dass sie Pein empfinden. Denn Pein, sofern sie einen einfachen Willensakt bezeichnet, ist nichts anderes als das Sichaufbäumen des Willens gegen das, was ist oder nicht ist. Es ist nun offenkundig, dass die bösen Geister von vielem wünschten, dass es nicht ist, und von vielem, was nicht ist, wünschten, dass es sei; sie möchten z. B., weil sie neidisch sind, dass die verdammt werden, welche gerettet werden. Darum muss man sagen, dass sie Pein empfinden, und das besonders, weil es zum Wesen der Strafe gehört, dass sie dem Willen widerstrebt. Sie sind auch der Seligkeit beraubt, welche sie von Natur aus anstreben, und in vielen Dingen wird ihr schlechter Wille niedergehalten.

Zu 1. Freude und Pein sind Gegensätze in ein und demselben, nicht aber in Verschiedenem. Darum steht nichts im Wege, dass jemand zugleich über das eine Schmerz empfindet und über das andere Freude; ganz besonders, sofern Pein und Freude einfache Willensakte besagen; denn nicht nur in Verschiedenem, sondern auch in ein und demselben Ding kann etwas sein, das wir wollen, und etwas, das wir nicht wollen.

Zu 2. Wie es bei den bösen Geistern Schmerz über Gegenwärtiges gibt, so auch Furcht vor Zukünftigem. Wenn es aber heißt, ,,er ist geschaffen, niemand zu fürchten", so ist das zu verstehen von der Furcht Gottes, welche von der Sünde zurückhält. Denn an anderer Stelle ist geschrieben: ,,Die bösen Geister glauben und zittern" (Jak 2,19).

Zu 3. Pein empfinden über das Übel der Schuld um der Schuld willen, bezeugt die Gutheit des Willens, der das Übel der Schuld entgegengesetzt ist. Aber Pein empfinden über das ,Übel der Strafe oder über das Übel der Schuld; wegen der Strafe bekundet die Gutheit der Natur, welcher das Übel der Strafe entgegengesetzt ist. Darum sagt Augustinus: ,,Die Pein über das verlorene Gut in der Höllenqual bezeugt die gutgebliebene Natur." Der böse Geist empfindet also, da er verkehrten und verhärteten Willens ist, keine Pein über das Übel der Schuld.

4. ARTIKEL

Ist die uns umgebende Luft der Strafort der bösen Geister?

1. Der böse Geist ist eine geistige Natur. Die geistige Natur aber wird vom Orte nicht berührt. Also gibt es keinen Ort für die Strafe der bösen Geister.

2. Die Sünde eines Menschen ist nicht schwerer als die Sünde eines bösen Geistes. Nun ist der Strafort des Menschen die Hölle; also noch viel mehr des bösen Geistes. Also nicht die Nebelluft.

3. Die bösen Geister werden mit der Strafe des Feuers straft. In der Nebelluft aber gibt es kein Feuer. Also ist die Nebelluft kein Strafort der bösen Geister.

ANDERSEITS sagt Augustinus: ,,Die Nebelluft ist für die bösen Geister gleichsam ein Kerker bis zur Zeit des Gerichtes."

ANTWORT: Die Engel sind ihrer Natur zufolge in der Mitte zwischen Gott und den Menschen. Nun liegt es in der Ordnung der göttlichen Weisheit, das Wohl der niedereren Wesen durch die höheren zu fördern. Das Wohl des Menschen aber wird auf doppelte Weise durch die göttliche Vorsehung gefördert. Einmal unmittelbar wenn jemand zum Guten angehalten und vom Bösen zurückgehalten wird, und das geschieht geziemend durch die guten Engel. In anderer Weise mittelbar, wenn jemand durch Anfechtung geübt wird, und zwar durch die Anfechtung vom Gegensätzlichen her. Und diese Art von Förderung des menschlichen Wohles geschieht angemessen durch die schlechten Engel, damit sie nach ihrer Sünde nicht gänzlich aus der natürlichen Nutzordnung herausfallen. — So gebührt also den bösen Geistern ein doppelter Strafort. Einer auf Grund ihrer Schuld, und das ist die Hölle, ein anderer zur Erprobung der Menschen, und so kommt für sie die Nebelluft in Frage. Die Förderung des menschlichen Wohles wird aber fortgesetzt bis zum Tage des Gerichtes. Darum dauert bis zu jenem Zeitpunkt die Dienstwaltung von Seiten der Engel und die Anfechtung von Seiten der bösen Geister. Darum werden auch bis zu jenem Zeitpunkt die guten Engel zu uns herabgeschickt, und ebenso lange sind die bösen Geister in dieser Nebelluft zu unserer Erprobung, wenn auch einige von ihnen jetzt in der Hölle sind zur Bestrafung derer, die sie zum Bösen verleitet haben, ,wie auch einige gute Engel mit den heiligen Seelen im Himmel sind. — Nach dem Tage des Gerichtes aber werden alle Bösen, die Menschen wie die Engel, in de Hölle sein, die Guten aber im Himmel.

Zu 1. Der Ort dient für den Engel oder die Seele nicht in der Weise zur Strafe, als ob er sie berührte im Sinne einer beschaffenheitlichen Änderung ihrer Natur, sondern so, dass er gleichsam den Willen berührt und traurig macht, insofern der Engel oder die Seele inne wird, dass sie an einem Orte ist, der ihrem Willen nicht zusagt.

Zu 2. Eine Seele steht nicht auf Grund der natürlichen Ordnung über einer anderen Seele, wie die bösen Geister in der Ordnung der Natur über den Menschen stehen. Darum gilt der Vergleich nicht.

Zu 3. Einige haben gesagt, die Sinnenstrafe sowohl der bösen Geister wie auch der Seelen werde verschoben bis zum Tage des Gerichtes; desgleichen werde die Seligkeit der Heiligen verschoben bis zum Tage des Gerichtes. Das ist irrig und widerspricht dem Wort des Apostels in 2 Kor 5,1: ,,Wenn die irdische Herberge dieses Zeltes abgebrochen wird, haben wir ein Haus im Himmel." — Andere wieder gaben dies zu nicht für die Seele, wohl aber für die bösen Geister. — Es ist aber besser, zu sagen, dass das Gericht für die schlechten Seelen und für die schlechten Engel ein und dasselbe sei, wie auch ein und dasselbe Gericht stattfindet für die guten Seelen und für die guten Engel.

Darum muss man sagen, so wie ein himmlischer Ort zur Herrlichkeit der Engel gehört und trotzdem ihre Herrlichkeit nicht vermindert wird, wenn sie zu uns kommen, weil sie wissen, dass jener Ort ihnen gehört — in derselben Weise, wie wir sagen, die Ehre des Bischofs werde nicht vermindert, wenn er nicht tatsächlich auf seinem bischöflichen Stuhl sitzt —, ebenso wird die Strafe der bösen Geister, wenn sie auch nicht tatsächlich an das Höllenfeuer gefesselt werden, solange sie in dieser Nebelluft sind, nicht vermindert, deswegen, weil sie wissen, dass diese Fesselung ihnen gebührt. Darum heißt es in einer Glosse zu Jak 3,6: ,,Sie tragen das Höllenfeuer mit sich, wohin sie gehen." — Und das widerspricht dem nicht, dass sie bei Lk 8,31 ,,den Herrn gebeten haben, sie nicht in den Abgrund zu schicken", denn darum haben sie gebeten, weil sie es für eine Strafe hielten, von dem Ort ausgeschlossen zu werden, wo sie den Menschen schaden können. Darum heißt es bei Mk 5,10: ,,Sie baten Ihn, dass Er sie nicht aus der Gegend verjage."

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65. FRAGE
VON DER ERSCHAFFUNG DER KÖRPERLICHEN DINGE

3. ARTIKEL

Sind die Körperdinge von Gott unter Vermittlung der Engel hervorgebracht?

1. Wie die Welt von der göttlichen Weisheit regiert wird, so sind auch alle Dinge durch die göttliche Weisheit gemacht. Psalm 103,24: ,,Alles hast Du in Weisheit gemacht." Ordnung aber ist nach Aristoteles das Werk des Weisen. Daher werden bei der Weltregierung die niederen Wesen durch die höheren in einer bestimmten Ordnung gelenkt (Augustinus). Also gab es auch bei der Hervorbringung der Welt eine solche Ordnung, nach welcher die Körperwelt als die niederere durch die Engelwelt als die höhere hervorgebracht wurde.

2. Die Verschiedenheit in den Wirkungen bezeugt eine Verschiedenheit in den Ursachen. Denn stets bringt dasselbe wieder dasselbe hervor. Wenn daher alle Geschöpfe, die geistigen und die körperlichen, unmittelbar von Gott geschaffen wären, gäbe es keine Verschiedenheit unter den Geschöpfen, noch stünde das eine weiter von Gott ab als das andere. Das ist offenbar falsch; denn der Philosoph führt gerade die Vergänglichkeit mancher Geschöpfe auf den größeren Abstand von Gott zurück.

3. Um eine endliche Wirkung zu erzielen, braucht es keine unendliche Kraft. Jeder Körper aber ist begrenzt. Also könnte er durch die begrenzte Kraft des geschaffenen Geistes hervorgebracht werden und ist auch [von ihm] hervorgebracht worden, weil bei diesen Wesen das Sein nicht verschieden ist vom Können, besonders wo eine Würde, die einem Wesen von Natur eignet, ihm nur abgesprochen werden darf wegen einer etwaigen Schuld.

ANDERSEITS heißt es Gen 1,1: ,,Im Anfang hat Gott erschaffen den Himmel und die Erde." Damit ist aber die Körperwelt gemeint. Also ist die Körperwelt unmittelbar von Gott hervorgebracht.

ANTWORT: Manche nehmen an, die Dinge seien nach einer bestimmten Stufenfolge aus Gott hervorgegangen, in der Weise, dass aus Gott unmittelbar das erste Geschöpf hervorging und dieses dann ein anderes hervorbrachte, und so fort bis zur Körperwelt. — Aber diese Annahme ist unmöglich. Denn die erste Hervorbringung eines körperlichen Wesens geschieht durch Schöpfung, bei welcher der Stoff selbst mithervorgebracht wird. Beim Werden geht nämlich das Unvollkommene dem Vollkommenen voraus. Es ist aber unmöglich, dass etwas erschaffen wird außer von Gott allein.

Um das zu verstehen, muss man bedenken, dass die Wirksamkeit einer Ursache sich um so weiter erstreckt, je höher die Ursache ist. Was nun in den Dingen als Grundlage unterbreitet liegt, ist stets allgemeiner als das, was dieses in Form bringt und einschränkt. So ist Sein allgemeiner als Leben, Leben allgemeiner als Erkennen und der Stoff allgemeiner als die Form. Je mehr demnach etwas Grundlage ist für anderes, um so unmittelbarer geht es von der höheren Ursache aus. Was also allen Wesen erste Grundlage ist, ist der Ursächlichkeit der höchsten Ursache vorbehalten., Keine Zweitursache kann daher etwas hervorbringen, ohne im hervorgebrachten Ding etwas vorauszusetzen, was von der höheren Ursache verursacht wird. — Schöpfung aber ist das Hervorbringen des Dinges nach seinem ganzen Sein, ohne dass irgend etwas vorausgesetzt wird, sei es ungeschaffen oder von jemandem geschaffen. Deshalb bleibt es dabei, dass kein Wesen etwas erschaffen kann außer Gott allein, der die Erst-Ursache ist. Um daher zu zeigen, dass die gesamte Körperwelt unmittelbar von Gott erschaffen sei, sagt Moses: ,,Im Anfang hat Gott erschaffen den Himmel und die Erde."

Zu 1. In der Hervorbringung der Dinge gibt es eine bestimmte Ordnung, nicht etwa derart, dass ein Geschöpf vom anderen erschaffen würde, das nämlich ist unmöglich; .sondern so, dass die göttliche Weisheit verschiedene Seinsstufen in den Geschöpfen gesetzt hat.

Zu 2. Gott selbst erkennt in Seiner Einheit unbeschadet Seiner Einfachheit die verschiedenen Dinge. Darum ist Er nach der Verschiedenheit der erkannten Dinge in Seiner Weisheit auch die Ursache der Verschiedenheit der hervorgebrachten Dinge, wie auch der Künstler auf Grund der Erfassung verschiedener Formen verschiedene Kunstwerke hervorbringt.

Zu 3. Das Maß der Kraft des Wirkenden wird nicht nur an dem gewirkten Ding gemessen, sondern auch an der Weise des Wirkens; denn ein und dasselbe Ding wird in anderer Weise von der größeren Kraft und in anderer Weise von der geringeren Kraft gewirkt. Ein endliches Ding aber derart hervorbringen, dass dabei nichts vorausgesetzt wird, ist das Werk unendlicher Kraft. Daher kann das keinem Geschöpf zukommen.

4. ARTIKEL

Sind die Wesensformen der Körper von den Engeln?

1. Boethius sagt: ,,Von den Formen, die ohne Stoff sind, kommen die Formen, die im Stoff sind." Die Formen ohne Stoff aber sind die geistigen Wesenheiten. Die Formen im Stoff sind die Wesensformen der Körper. Also sind die Wesensformen der Körper von den geistigen Wesenheiten.

2. Alles, was durch Teilhabe ist, wird zurückgeführt auf das, was durch Wesenheit ist. Nun sind die geistigen Wesenheiten kraft ihrer Wesenheit Form. Die körperlichen Geschöpfe dagegen haben nur teil an den Formen. Also sind die Formen der Körperdinge hergeleitet von den geistigen Wesenheiten.

3. Die geistigen Wesenheiten haben größere Kraft des Verursachens als die Himmelskörper. Die Himmelskörper aber verursachen die Formen in diesem niederen Bereich, weshalb sie auch als Ursache des Entstehens und Vergehens angesehen werden. Also sind um so mehr die Formen, die im Stoff sind, von den geistigen Wesenheiten hergeleitet.

ANDERSEITS sagt Augustinus: ,,Es ist nicht anzunehmen, dass dieser körperliche Stoff den Engeln auf den Wink zu Diensten steht, sondern nur Gott." Dem aber heißt der körperliche Stoff auf den Wink zu Diensten, von dem er seine Art empfängt. Also sind die körperlichen Formen nicht von den Engeln, sondern von Gott.

ANTWORT: Einige waren der Ansicht, dass alle Wesensformen der Körper sich von den geistigen Wesenheiten herleiten, die wir Engel nennen. Diese Herleitung wurde in doppelter Weise verstanden. Plato nahm an, dass die Wesensformen, die im körperlichen Stoff sind, durch eine Art Teilhabe von jenen Formen sich herleiten, die ohne Stoff in sich selbst stehen. So nahm er an, dass es einen unstofflich in sich selbst bestehenden Menschen gäbe und ein ebensolches Pferd, und so fort von den anderen Dingen, aus denen die Welt der sinnfälligen Einzeldinge besteht, derart, dass im körperlichen Stoff eine von jenen abgeschiedenen Formen [empfangene] Einprägung nach Art einer Verähnlichung zurückbleibt, die er Teilhabe nannte. Und so setzten sie nach der Ordnung der Formen eine Ordnung getrennter Wesenheiten; z. B. eine getrennte Wesenheit, die Pferd ist und als solche Ursache aller Pferde. Darüber gibt es [nach ihnen] ein ,Leben überhaupt‘, das sie das Leben an sich nannten und Ursache alles Lebens; und darüber ein Weiteres, das sie das Sein selbst nannten und Ursache alles Seins.

Avicenna dagegen und einige andere nahmen nicht an, dass die Formen der Körperdinge im Stoff durch sich selbst Bestand haben, sondern nur im Verstande. Sie nahmen also an, dass von den Formen, die im Verstande der geschöpflichen Geistwesen Dasein haben, die sie Verstandeswesen, wir dagegen Engel heißen, alle Formen ausgehen, die im körperlichen Stoff Dasein haben, so wie von den Formen im Geiste des Künstlers die Formen der Kunstwerke ausgehen. — Darauf scheint hinauszukommen, was einige moderne Irrlehrer annehmen, nach denen Gott zwar Schöpfer aller Dinge ist, der Körperstoff aber vom Teufel geformt und in mehrere Arten unterschieden wurde.

Alle diese Auffassungen scheinen aus einer einzigen Wurzel hervorgegangen zu sein: sie alle fragten nach einer Ursache der Formen, als wenn die Formen als solche in sich selbst ,würden‘. Wie aber Aristoteles beweist, ~ was im eigentlichen Sinne ,wird‘, [nicht die. Form, sondern] das Zusammengesetzte. Den Formen der vergänglichen Dinge nun ist es eigen, dass sie zuzeiten sind und zuzeiten nicht sind, ohne dass sie selbst entstünden oder vergingen, sondern die [aus Stoff und Form] zusammengesetzten Dinge entstehen oder vergehen. Denn auch die Formen selbst haben nicht Sein, wohl aber haben die zusammengesetzten Dinge Sein durch sie. Denn jedem Dinge kommt das Entstehen in derselben Weise zu wie das Sein. Da zudem das Ähnliche aus einem ihm selbst Ähnlichen entsteht, so darf man die Ursache der körperlichen Wesensformen nicht in einer unstofflichen Form suchen, ,sondern in einem Zusammengesetzten. So wie dieses Feuer hier erzeugt wird von diesem bestimmten Feuer. So werden die Wesensformen der Körper nicht verursacht, als würden sie eingegossen von einer unstofflichen Form, sondern in der Weise, dass der Stoff von einem zusammengefügten Wirkenden aus der Möglichkeit in die Wirklichkeit [der Wesensform] übergeführt wird.

Weil aber das zusammengefügte Wirkende, der Körper, nach Augustinus von dem geschaffenen Geistwesen bewegt wird, folgt weiterhin, dass auch die Wesensformen der Körper sich von den Geistwesen herleiten, nicht so, dass diese die Wesensformen einströmen, sondern so, dass sie ,[den Stoff] zu den Formen hinbewegen. Schließlich werden auch die Erkenntnisbilder des Engelverstandes, die gewisse Keimgründe der Körperformen darstellen, auf Gott als auf die erste Ursache zurückgeführt.

Bei der ersten Hervorbringung der Körperwelt aber kommt irgendwelcher Übergang von der Möglichkeit in die Wirklichkeit nicht in Betracht. Daher sind die Wesensformen, welche die Körper bei der Erschaffung der Körperwelt hatten, unmittelbar von Gott hervorgebracht, dem allein der Stoff auf den Wink gehorcht als seiner eigentlichen Ursache. Um das zum Ausdruck zu bringen, schickt Moses dem einzelnen Werke Gottes voraus: Und Gott sprach: es werde dieses oder jenes. Darin liegt ausgesprochen, dass die Gestaltung der Dinge durch Gottes WORT erfolgte, von dem nach Augustinus jede Form, jedes Gefüge, jeder Zusammenklang der Teile stammt.

Zu 1. Boethius versteht unter den stofflosen Formen die Ideen der Dinge, wie sie im Geiste Gottes leben. So schreibt auch der Apostel (Hebr 11,3): ,,Im Glauben halten wir fest, dass die Welt durch Gottes WORT zusammengefügt ist, so dass aus Unsichtbarem das Sichtbare entstand." Wenn er aber unter den stofflosen Formen die Engel verstand, so gilt, dass die Formen, die im Stoff sind, von ihnen stammen, aber nicht durch Einströmen, sondern durch Bewegung.

Zu 2. Die durch Teilhabe im Stoff wesenden Formen werden nicht auf gewisse in sich stehende Formen derselben Art zurückgeführt, wie die Platoniker annahmen, sondern auf die geistigen Formen, entweder des Engelverstandes, von denen sie durch Bewegung ausgehen; oder auf die Gründe im göttlichen Verstande, von denen aus die Keime der Formen in die geschaffenen Dinge eingesenkt wurden, dass sie dann durch Bewegung in die Wirklichkeit herausgeführt werden können.

Zu 3. Die Himmelskörper verursachen die Formen in diesem niederen Bereich der Körperwelt nicht durch Einströmung sondern durch Bewegung.

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